# taz.de -- Nachruf auf Doris Day: Strahlender als die Scheinwerfer | |
> Doris Day war eine der letzten Hollywood-Legenden des „Golden | |
> Age“-Zeitalters. Ihr Lächeln konnte dunkle Räume um mindestens 500 Lumen | |
> erhellen. | |
Bild: Doris Day (undatierte Aufnahme) hatte einen eigenständigen und lebensbej… | |
Im Juni 1954 war [1][Doris Day als „mystery celebrity“ bei „What’s my | |
line?“ zu Gast,] dem US-Original des Fernsehquiz „Was bin ich?“. Das | |
blonde, kurze Haar nach hinten onduliert, das Lächeln strahlender als die | |
Fernsehscheinwerfer, antwortet sie den mit Augenbinden ausstaffierten | |
Ratefüchsen mit extrem hohem Quietschen, um keine Hinweise auf ihre Person | |
zu geben. Bis die Journalistin Dorothy Kilgallen sie irgendwann fragt: | |
„Könnte man Sie eher als Glamour Girl denn als schrecklich ernste | |
Schauspielerin beschreiben?“ Day zögert mit ihrer Antwort, und schaut | |
ratlos den Moderator an. Der nickt schließlich, brummt zustimmend, und Day | |
lacht etwas befangen. | |
Denn das „Glamour Girl“ war sie nie, genauso wenig wie die „schrecklich | |
ernste Schauspielerin“. Doris Day, die ihren für US-Bürger*innen zu wenig | |
geschmeidigen, aus dem Deutschen stammenden Geburtsnamen Kappelhoff schon | |
früh in den sonnigen Alias „Day“ ändern musste, setzte sich Zeit ihres | |
Lebens bewusst zwischen diverse Stühle. Zunächst appellierte die 1922 in | |
Cincinnati Geborene in den 40er Jahren als Bigband-Frontfrau an die | |
US-Truppen, die sich zu „Sentimental Journey“ nach der Heimat sehnten. | |
Ihre erste Rolle als Schauspielerin bekam sie 1948 von Michael Curtiz | |
untergeschoben: In der knallig bunten Verwechslungskomödie „Zaubernächte in | |
Rio“ spielte sie, nachdem der eigentliche Star Betty Hutton wegen einer | |
Schwangerschaft ausgeschieden war, die zweite weibliche Hauptrolle – und | |
Curtiz sowie das Publikum, waren begeistert. Ihre dynamisch gesungene | |
Version der Liebesballade „It’s magic“ ließ Herzen schmelzen. Nach ein p… | |
weiteren Musical-Filmrollen gab sie 1953 im gleichnamigen Westernmusical | |
„Calamity Jane“, eine patriotische Revolverheldin, die sie bereits mit der | |
später für sie typischen Mischung aus Hemdsärmeligkeit und Burschikosität | |
ausstattete. | |
Obgleich Hollywood seinen weiblichen Box Office-Stars in den 50ern meist | |
vom männlichen Blick definierten Sexappeal verschrieb, setzte sich Day mit | |
diesem so ungewöhnlichen wie ungefährlichen Pferdestehlen-Blondinen-Image | |
weiter durch. Eine ihrer erfolgreichsten Rollen spielte sie 1956 in Alfred | |
Hitchcocks „Der Mann, der zuviel wusste“. | |
## Prüder Moralkodex | |
Hitchcock inszenierte sie als Arztgattin, die den Aufenthaltsort des | |
entführten Sohnes heroisch durch ihre durchdringende, klare Singstimme | |
eruiert, die sie nach eigenen Angaben vor allem Ella Fitzgerald ablauschte: | |
[2][„Que sera, sera“, später ihr größter Hit, schallt in der Schlüssels… | |
des Films durch das Haus der Entführer] – und der gekidnappte Sohn, der den | |
Song auswendig kennt, kann aus seinem Versteck mitsingen, und ihr so | |
signalisieren, wo er sich befindet. | |
Days schauspielerisches Können ist in diesem Film, der der erste und letzte | |
mit dem verklemmten Blondinenfetischisten Hitchcock sein sollte, deutlich | |
sichtbar. Es wird durch den Spielpartner James Stewart noch verstärkt, der | |
als unfreiwilliger Mitwisser eines Attentatplans auf ihr beherztes | |
Eingreifen angewiesen ist: Ihr markerschütternder Schrei verhagelt dem | |
designierten Mörder in einer grandiosen Konzertsequenz letzlich die | |
Petersilie. | |
Als der Moralkodex in den prüden USA sich Ende der 50er langsam ein wenig | |
zu lockern schien, und der teilweise gar selbstbestimmte Appeal von | |
Schauspielerinnen deutlicher und diverser wurde, blieb Days Rollenauswahl | |
hausmütterlich – sogar bei Filmen, in denen es um nichts anderes als Sex | |
ging: Mit dem später [3][an den Folgen des HI-Virus verstorbenen Rock | |
Hudson] drehte sie Anfang der 60er die erfolgreichen RomComs | |
„Bettgeflüster“, „Schick mir keine Blumen“ und [4][„Ein Pyjama für … | |
züchtige Komödien mit wenig Haut und spießigem Humor,] die dennoch durch | |
den Eifer und die fast kindliche Spiel- und Slapstickleidenschaft ihrer | |
Protagonist*innen lebten und gewannen. | |
Mit Hudson verband sie bis zu seinem Tod eine tiefe Freundschaft, auch wenn | |
sie als stramme Republikanerin, Bush-Unterstützerin und Ronald | |
Reagan-Getreue (sie kannte ihn als Schauspieler und als Politiker) Hudsons | |
sexuelle Ausrichtung und die damit verbundenen Schwierigkeiten im | |
homophoben Hollywood kaum direkt kommentierte, sondern vor allem seine | |
Qualität als Kollege und Freund lobte. | |
## Ohne Sexismus geht es nicht | |
Ihren einzigen, 1942 geborenen Sohn Terry aus einer frühen, kurzen Ehe mit | |
einem Musikerkollegen verlor Day im Jahr 2004 durch eine Krebserkrankung. | |
Nachdem sie sich in den 70ern aus dem Filmbusiness, und nach ein paar | |
Jahren Fernsehen auch daraus zurückgezogen hatte, widmete sie sich voller | |
Verve dem Tierschutz – sie sei, so sagte sie in vielen Interviews, bereits | |
als kleines Mädchen zur passionierten Tierliebhaberin geworden, nachdem ihr | |
Hund einen Unfall gehabt habe und in ihren Armen gestorben sei. | |
Ihr letzter, vierter Ehemann, der Restaurantbesitzer Barry Comden, mit dem | |
sie bis 1982 verheiratet war, beschwerte sich kurz vor Ende ihrer | |
Beziehung, Day habe sich mehr um ihre tierischen Freunde als um ihn | |
gekümmert. Dabei hatte er die Vegetarierin einst damit begeistert, dass er | |
ihr nach ihrem Restaurantbesuch Knochen und Fleisch für die Hunde mitgab. | |
Für die 1987 von ihr gegründete „Doris Day Animal League“ ließ sie sich … | |
in die 90er Jahre hinein interviewen, 2011 spendete sie eine Viertelmillion | |
ihres Vermögens für einen Zufluchtsort für misshandelte Pferde. | |
Doris Day, deren Lächeln dunkle Räume um mindestens 500 Lumen erhellen | |
konnte, und die ihre persönlichen Sorgen und Zweifel nach alter Schule gut | |
vor der Öffentlichkeit verbarg, war zwar einerseits Nutznießerin der von | |
ihr erfundenen Nische eines robusten, irgendwo zwischen Tante und Verlobte | |
(anstatt zwischen Heilige und Hure) hängenden Frauentypus. | |
Ohne Sexismus ging es in ihrem Leben jedoch auch nicht: Die Kommentare | |
unter dem Mitschnitt der Johnny Carson-Show, bei der sie 1974 zu Gast war, | |
und – mit knapp über 50 – scheinbar „braless“ auftrat, überschlagen s… | |
bis heute, und schwitzen vor Geifer und Empörung. Dass die gestandene | |
Schauspielerin tatsächlich Nippel besitzt, war einer schockierten | |
US-Netzgemeinde anscheinend nicht bewusst. | |
Die Künstlerin feierte Anfang April ihren 97. Geburtstag – und war damit | |
eine der letzten (Über)Lebenden des strengen Hollywood-Systems, das als | |
„Golden Age“ bezeichnet wird, obwohl es sich vor allem durch Restriktionen | |
auszeichnete – in der Rollenauffassung wie in den Narrativen. Day ist | |
selten aus diesen Restriktionen ausgebrochen – das Angebot, in Mike | |
Nichols’ „Die Reifeprüfung“ die „Mrs. Robinson“ zu spielen, lehnte s… | |
angeblich aus moralischen Gründen, ab. Dennoch hatte sie einen | |
eigenständigen und lebensbejahenden Stil. Nach Komplikationen durch eine | |
Lungenentzündung verstarb Doris Day am 13. Mai in ihrer kalifornischen | |
Villa. Man sollte ihr zu Ehren mindestens „Gotta take the sentimental | |
journey / sentimental journey home“ summen. | |
14 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=ELR-sMj1x2s | |
[2] /Kolumne-Geraeusche/!5111910 | |
[3] /Berlinale-Staralbum---Rock-Hudson/!5147379 | |
[4] /Kolumne-Geraeusche/!5111910 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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