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# taz.de -- Massenkundgebung für neuen Bürgermeister: Über eine Million feie…
> İstanbul feierte den ersten Sieg der Opposition seit 25 Jahren. Derweil
> wurde Kemal Kılıçdaroğlu in Ankara angegriffen und fast gelyncht.
Mustafa kennt das schon. Die Massen, das Gedränge, den Jubel und den Frust
auf dem riesigen Veranstaltungsplatz im Istanbuler Stadtteil Maltepe,
direkt am Marmarameer. Er war hier, als Oppositionsführer Kemal
Kılıçdaroğlu vor eineinhalb Jahren seinen Fußmarsch für Gerechtigkeit von
Ankara nach Istanbul hier in Maltepe beendete und von hunderttausenden
Anhängern empfangen wurde; er war hier, als der Oppositionskandidat
Muharrem İnce seine Abschlusskundgebung im Präsidentschaftswahlkampf vor
rund einer Million Menschen veranstaltete, und er ist heute wieder hier, um
zu hören, was Ekrem İmamoğlu, der neue Oberbürgermeister von Istanbul
seinen Bürgern zu sagen hat.
Doch während auf die beiden vorangegangenen Großveranstaltungen der
politische Frust folgte, weil zuerst Kılıçdaroğlus Gerechtigkeitsmarsch
folgenlos blieb und dann İnce die Präsidentschaftswahl gegen Recep Tayyip
Erdoğan verlor, ist es heute ganz anders: Erstmals seit 25 Jahren hat die
Opposition in Istanbul wieder gewonnen. Nach langen Jahren des Frusts, ja
der Verfolgung durch das immer autoritärer gewordene Regime von Erdoğan,
ist die Wahl in Istanbul ein Signal der Hoffnung und ein Grund zu feiern.
Die Menge hofft darauf, dass sich nicht nur in Istanbul die Mehrheit gegen
die herrschende AKP wenden könnte sondern in der Türkei insgesamt. Immer
wieder ist in Maltepe zu hören, wie toll doch ein Präsident İmamoğlu wäre,
es gibt Sprechchöre, die İmamoğlu bereits zum Präsidenten küren.
İmamoğlu selbst will in seiner Rede nichts davon wissen. Er spricht sehr
konziliant, fordert die gesellschaftliche Versöhnung, kündigt Transparenz
und mehr Bürgerbeteiligung durch die Stadtverwaltung in Istanbul an. Doch
das alles wird sehr schwer werden. Zum einen weigert sich die AKP immer
noch, den Sieg İmamoğlus anzuerkennen und versucht nach wie vor, durch
Einsprüche bei der zentralen Wahlkommission zu erreichen, dass die gesamte
Wahl annuliert und wiederholt wird. Es kann also immer noch passieren, dass
İmamoğlu der Sieg durch juristische Tricks und massiven Druck, den die
Regierungspartei auf die Wahlkommission ausübt, in den nächsten Wochen noch
aberkannt wird. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie die Millionen Wähler
İmamoğlus darauf reagieren werden.
## Angriff auf Kılıçdaroğlu
Wie weit die Türkei, vor allem durch die Politik des Staatspräsidenten und
der Regierungspartei, noch von einer Aussöhnung entfernt ist, zeigte sich
zeitgleich zur Istanbuler Großveranstaltung in Ankara. Da nahm der
Parteichef der CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, in seiner Eigenschaft als
Oppositionsführer im Parlament, am Begräbnis eines Soldaten teil, der am
Samstag bei einer Schießerei mit der kurdischen PKK nahe der irakischen
Grenze gefallen war.
Aus der Menge heraus wurde Kılıçdaroğlu angegriffen, bekam einen
Faustschlag ins Gesicht und konnte von seinen Leibwächtern nur mühsam in
ein baufälliges Haus am Rande des Begräbnisses gerettet werden. Eine
fanatisierte Menge belagerte das Haus und war drauf und dran es anzuzünden,
um Kılıçdaroğlu zu lynchen. Die Polizei Erdoğans benötigte mehr als eine
Stunde, um ihn aus dieser Situation zu befreien. Man weiß bis jetzt nicht,
ob es sich um eine gezielte Provokation handelte, oder ob tatsächlich der
Mob spontan auf Kılıçdaroğlu losging. Sicher ist, dass Erdoğan im Wahlkampf
immer wieder gehetzt hat, die CHP würde mit den „PKK-Terroristen“ zusammen
arbeiten.
In Maltepe endete am Sonntagabend alles friedlich. Auch Mustafa wartete
geduldig auf die S-Bahn, die einfach nicht kommen wollte, um die Massen
abzutransportieren. „Das werden wir bald ändern“, meinte Mustafa, „bei d…
nächsten Kundgebung wird die S-Bahn Sonderzüge einsetzen.“
21 Apr 2019
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
taz.gazete
Politik
Kemal Kılıçdaroğlu
Opposition in der Türkei
Istanbul
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