# taz.de -- Kommentar Kommunalwahlen Türkei: Istanbul macht Hoffnung | |
> Ekrem İmamoğlu's Wahlsieg in Istanbul wurde anerkannt – und damit die | |
> Niederlage der AKP. Für Erdoğan könnte das der Anfang vom Ende werden. | |
Bild: Die Opposition schöpft wieder Mut | |
Es war wie ein erster Regen nach einer jahrelangen Dürreperiode, ein | |
lautstarker Jubel von Millionen Istanbulern, als Ekrem İmamoğlu nach | |
17-tägigem Kampf um die Anerkennung seines Wahlsieges endlich [1][seine | |
Ernennungsurkunde überreicht bekam]. | |
Nach 25 Jahren Herrschaft der AKP und ihrer islamistischen Vorgängerpartei | |
ist wieder ein säkularer Demokrat Chef der größten und wichtigsten Stadt | |
des Landes, der einzigen Weltmetropole der Türkei. Vor 25 Jahren startete | |
Recep Tayyip Erdoğan nach einem äußerst knappen Wahlsieg seine politische | |
Karriere als Oberbürgermeister von Istanbul – mit der dortigen Niederlage | |
seiner AKP beginnt nun auch mutmaßlich sein Niedergang. Sicher, noch ist | |
İmamoğlu nur unter Vorbehalt im Amt. Die AKP hat beim Hohen Wahlrat wegen | |
„außerordentlicher Vorkommnisse““ [2][Neuwahlen beantragt] und außerdem | |
Strafanzeige wegen Wahlbetrugs gestellt. Das ist allerdings wenig | |
überzeugend, da ja die AKP als Regierungspartei die komplette Kontrolle | |
über den Wahlprozess hatte. Und selbst wenn mit juristischen Tricks und | |
massivem politischen Druck eine Neuwahl erzwungen werden sollte: Die | |
Stimmung in der Stadt ist so, dass die Opposition eher noch höher gewinnt | |
als zuvor. | |
Es mag vorschnell erscheinen, wenn jetzt der Anfang vom Ende der Herrschaft | |
Erdoğans prophezeit wird. Denn erstens war es ja nur eine Kommunalwahl und | |
zweitens hält er als Präsident und Vorsitzender der Regierungspartei ja | |
weiterhin alle Zügel in der Hand, doch das erste Mal nach 17 Jahren an der | |
Macht zeigte sich jetzt: der König ist nackt. Erdoğan selbst hatte mit | |
einem sehr persönlichen, sehr schmutzigen und extrem polarisierenden | |
Wahlkampf die Abstimmung erneut zu einem Referendum über seine Person | |
gemacht. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Mehrheit der Bewohner in den | |
entscheidenden Städten des Landes – da, wo das Geld erwirtschaftet wird, | |
von dem die Türkei lebt – will ihn nicht mehr. Und die Opposition hat | |
gelernt: Mit gemeinsamen Gegenkandidaten ist Erdoğan schlagbar. Das wird | |
Folgen für die Zukunft haben. Erdoğan wird Mühe haben, seinen Laden | |
zusammenzuhalten. Nach dem Verlust der reichsten Städte ist sein | |
Klientelsystem nicht mehr bezahlbar und die Opportunisten wenden sich von | |
ihm ab. Ehemalige AKP-Größen, die Erdoğan verdrängt hatte, könnten nun ihre | |
Pläne wahr machen und eine neue konservative Partei gründen, die die AKP | |
spalten würde. | |
Das wichtigste aber ist: Die Angst schwindet, die Opposition schöpft wieder | |
Mut und Hoffnung. Die Ära der massiven Repression nach dem Putsch im Sommer | |
2016 geht zu Ende – das Land hat wieder Hoffnung auf eine Rückkehr zur | |
Demokratie. | |
18 Apr 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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