| # taz.de -- Wahlerfolg für Netanjahu in Israel: Große Koalition der Betonköp… | |
| > Benjamin Netanjahu kann in Israel wohl weiter regieren. Die Israelis in | |
| > links und rechts zu unterteilen, funktioniert nicht mehr. | |
| Bild: Feiert den Gewinn der Mehrheit in der Knesset: Benjamin Netanjahu am Dien… | |
| Jeursalem taz | Mehr Macht für weniger Parteien ist ein Ergebnis des | |
| Zweikampfes zwischen Benjamin Netanjahu vom Likud und Benny Gantz, dem Chef | |
| von Blau-Weiß. Der extrem auf die beiden Spitzenkandidaten konzentrierte | |
| Wahlkampf zahlte sich aus. Er ging zulasten der kleineren Parteien, die an | |
| der Sperrklausel scheiterten, und auf Kosten der Arbeitspartei. Machtlos | |
| mussten die Sozialdemokraten zusehen, wie ihre Wähler zu Blau-Weiß | |
| überliefen, denn nur Gantz hatte eine reelle Chance, Netanjahu vom Thron zu | |
| stoßen. | |
| „Teile und herrsche“, so bringt Schlomo Pyoterkovsky, Analyst der | |
| Tageszeitung Jediot Achronot, Netanjahus Wahlkampf auf den Punkt. | |
| Erfolgreich ordnete er sein Volk in zwei Lager: „Wir“, das sind die | |
| traditionell konservativen Wähler, die traditionell Religiösen und die | |
| Nachfahren der Immigranten aus arabischen Ländern, die Misrachim. Der Kreis | |
| reicht von der Peripherie über die sozialen Unterschichten in den Städten | |
| bis zu ideologisch moderateren Siedlern im Westjordanland. „Wir gegen die | |
| anderen“ war Netanjahus Parole. Damit meinte er die Araber, die Linken, die | |
| Besatzungskritiker, die Intellektuellen, die Medien und eigentlich das | |
| komplette aschkenasische (Juden europäischer und osteuropäischer Herkunft) | |
| Establishment. | |
| Gantz, hochgewachsen und blauäugig, zweite Generation von | |
| Holocaustüberlebenden, passte ins Bild. Er plane einen „Deal“ mit den | |
| arabischen Politikern, warnte Netanjahu und veröffentlichte via Twitter ein | |
| ominöses Video, das den verwerflichen Handel zwischen Blau-Weiß und den | |
| Arabern enthüllen sollte. Dabei schloss Gantz die arabischen Parteien von | |
| eventuellen Koalitionsverhandlungen von Anfang an aus. | |
| Netanjahus Hetzkampagne gegen die Minderheit im Staat zog sich bis zum | |
| Wahltag hin, als Likud-Aktivisten mit versteckten Kameras in die Wahllokale | |
| arabischer Ortschaften zogen, um zu prüfen, ob dort alles „koscher“, also | |
| mit rechten Dingen, zuging. Die durch das 2018 verabschiedete | |
| Nationalstaatsgesetz bereits desillusionierten Araber zogen die Konsequenz, | |
| auf die der Likud-Chef hoffte: Sie verzichteten von vornherein auf die | |
| Abgabe ihrer Stimme. | |
| Sosehr Netanjahus Kampagne die Lager auseinanderzutreiben versuchte, so | |
| sehr setzte Gantz auf die Einheit im Volk. „Links und rechts ist | |
| Vergangenheit“, war seine erste Botschaft, als er im Dezember den Eintritt | |
| in die Politik wagte. Dass Gantz in so kurzer Zeit so viele Mandate | |
| erreichen konnte, geht insofern auf das Konto Netanjahus, als immer mehr | |
| Israelis „seinen zerstörerischen Führungsstil“ leid waren, sagt der | |
| Politologe Ofer Kenig vom Akademischen College in Aschkelon. „Jeder | |
| Andersdenkende ist sofort ein Verräter, ein Antizionist.“ | |
| Kenig interpretiert das von Gantz erreichte Ergebnis einerseits „als den | |
| größten Erfolg, den eine Mitte-links-Partei seit 1992 errungen hat“. Eine | |
| Rolle dürfte dabei die militärische Laufbahn des Spitzenkandidaten von | |
| Blau-Weiß gespielt haben. Wie 1992 Jitzhak Rabin und 1999 Ehud Barak, die | |
| beiden letzten Kandidaten der Arbeitspartei, die eine Wahl für sich | |
| entscheiden konnten, war auch Gantz Generalstabschef. Die Armee gehört in | |
| Israel zu den „Brutstätten von Politikern“, erklärt Kenig. | |
| Kaum Unterschiede in der Palästinenserpolitik | |
| Andererseits sei Gantz an dem Versuch, dem rechten Lager Stimmen abzujagen, | |
| gescheitert. Stattdessen sind vom linken Lager in Israel nur noch klägliche | |
| Reste übrig. Ganz knapp gelang der Meretz mit vier Mandaten der Einzug in | |
| die Knesset, und die Arbeitspartei landete auf ihrem historischen Tief. | |
| Einen Teil der Verantwortung trage aber auch die Partei selbst, findet | |
| Kenig. Die Sozialdemokraten seien unter ihrem Spitzenkandidaten Avi Gabai | |
| „in eine Führungskrise geraten“, meint der Politologe. Gabai habe Fehler | |
| gemacht, besonders fatal sei die unilaterale Aufkündigung des Bündnisses | |
| mit der früheren Justizministerin Zipi Livni gewesen. Dazu komme eine | |
| inhaltliche „Orientierungslosigkeit“. | |
| Vergleicht man die Blöcke rechts-religiös und links-weltlich, dann | |
| verschiebt sich in der künftigen Knesset nicht viel. Der rechte Block führt | |
| weiter mit klarer Mehrheit, wobei „links“, so meint Kenig, heute nicht mehr | |
| für Frieden und Zugeständnisse an die Palästinenser steht. Die große | |
| Mehrheit der Israelis glaubt nicht mehr an einen Frieden mit den | |
| Palästinensern und setzt deshalb auf strikte Maßnahmen gegen Terror und | |
| Krieg. 52 Jahre nach Beginn der Besetzung wächst in den Siedlungen die | |
| zweite Generation heran. Der Eindruck, den Netanjahu zu erwecken versucht, | |
| dass das Volk in den großen Fragen gespalten sei, hat mit der Realität | |
| nichts zu tun. | |
| Blau-Weiß steht wie der Likud für den Ausbau der Siedlungen im | |
| Westjordanland, und lehnt eine Teilung Jerusalems sowie den Abzug aus dem | |
| Jordantal ab. In Außen- und Sicherheitsfragen verfolgten Gantz und | |
| Netanjahu bis zu dem Moment dieselbe Linie, als Netanjahu die Annexion von | |
| Teilen des Westjordanlandes in Aussicht stellte. | |
| Der Unterschied zwischen Netanjahu und Gantz, zwischen rechts und „links“, | |
| ist ihre politische Streitkultur, der „Umgang mit Minderheiten, ihre | |
| Haltung zu Demokratie, Menschenrechten, Pluralismus und | |
| Rechtsstaatlichkeit. Dazu gehört auch die Rolle der Ultraorthodoxen. Darf | |
| es Sonderregelungen für junge Männer geben, die in einer Religionsschule | |
| studieren und deshalb nicht zum Militär gehen? Wie steht es um das Monopol | |
| der Rabbiner in Familienfragen? Die orthodoxen Parteien sind auf dem | |
| Vormarsch. | |
| Die Israelis in links und rechts zu unterteilen, funktioniert nicht mehr, | |
| auch wenn die politische Haltung häufig durch die Herkunft geprägt ist. Die | |
| Sektoren Araber und Juden bleiben, und die Spaltung zwischen Orthodoxen und | |
| Weltlichen dürfte künftig an Sprengpotenzial noch gewinnen. | |
| 10 Apr 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Knaul | |
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