# taz.de -- Gespräche in Großbritannien: Mays neuer Brexit-Plan heißt Corbyn | |
> Das Gesprächsangebot der Premierministerin an die Opposition soll helfen, | |
> den Brexit erneut zu verschieben. Die Labour-Basis reagiert gespalten. | |
Bild: Hofft noch auf ein Brexit-Aus: Demonstrant in London | |
LONDON taz | Ist Jeremy Corbyn die Lösung für Theresa Mays Brexit-Dilemma? | |
Er sei sehr froh, [1][die Premierministerin zu treffen], und er wolle keine | |
Bedingungen stellen – mit diesen Worten begrüßte der britische | |
Oppositionsführer am Dienstagabend das Angebot der Premierministerin, in | |
Gesprächen den gordischen Brexitknoten zu lösen. Am Mittwoch ging es in | |
der wöchentlichen Gegenüberstellung der beiden Parteichefs im Unterhaus | |
sanfter zu als sonst: Corbyn und May brüllten etwas leiser als üblich, und | |
Corbyn widmete dem Brexit keine einzige Frage, sondern sprach soziale | |
Probleme an, wie die wachsende Kinder- und Rentnerarmut unter den Tories. | |
Diese Worte zielten auf die eigene Partei. Sie sollten klarstellen, dass | |
Gespräche zwischen May und Corbyn zum Brexit keineswegs Kompromisse in | |
anderen Politikfeldern bedeuten. | |
Theresa May hat den Rahmen der Gespräche, die am Mittwochnachmittag | |
beginnen sollten, eng gesteckt. Das zwischen Großbritannien und der EU | |
verhandelte Austrittsabkommen, [2][dessen dreimaliges Scheitern im | |
Unterhaus] jetzt den Dialog mit der Opposition nötig macht, stehe nicht zur | |
Diskussion, sagte sie am Dienstagabend nach einer ganztägigen | |
Kabinettssitzung. Es gehe allein um einen Konsens zu den zukünftigen | |
Beziehungen, der im Parlament eine Mehrheit finden könnte, wofür May dann | |
bei der EU eine abermalige kurze Verschiebung des Brexits beantragen will – | |
sonst droht der No-Deal-Austritt am 12. April. | |
Labour könnte nun versuchen, den barrierefeien Zugang zu EU-Märkten nach | |
dem Brexit auszuweiten – ein „weicher Brexit“. Corbyn sprach zusätzlich | |
Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz an. Im Parlament bekräftige | |
May, sie sei sich mit Corbyn über vieles einig: Beide wollten einen No Deal | |
vermeiden, Arbeitsplätze schützen und die Freizügigkeit beenden. | |
## Labour drohe Spaltung | |
Bei der Labour-Basis wird nun abgewartet. Andy Harrop, Generalsekräter des | |
Labour-Thinktanks „Fabian Society“, sprach gegenüber der taz von einer | |
guten Nachricht, sofern May einen weichen Brexit gegenüber einem harten | |
Austritt vorziehe. Sollte May einer Zollunion und einer Integration in den | |
Binnenmarkt, ja vielleicht sogar einem bestätigenden Referendum zustimmen, | |
dann sollte Corbyn seine Unterstützung nicht verweigern. Dennoch sei das | |
Misstrauen gegenüber May bei Labour hoch. Und er warnt: Sollte May bald | |
abdanken, wie versprochen, „könnte die neue Führung der Tories alles, | |
worüber man sich einig war, einfach ignorieren“. | |
Neal Lawson, Vorsitzender der proeuropäischen Gruppe „Compass“, glaubt, | |
dass eine Einigung auf einen „weichen Brexit“ der Stimmung Großbritanniens | |
als Ganzes nahekomme. „All das hätte bereits vor drei Jahren geschehen | |
müssen, inklusive einer Diskussion über die sozioökonomischen Gründe für | |
den Brexit“, sagt er zu den Gesprächen. Sollte Corbyn es jedoch nicht | |
schaffen, ein zweites Referendum zu garantieren, drohe eine | |
Labour-Spaltung, denn die Mehrheit der Mitgliedschaft fordere dies. | |
Der Akademikerverband „Scientists for Labour“ spricht von einem „zynischen | |
Versuch“ Mays, an der Macht zu bleiben. Die Lösung seien Neuwahlen und ein | |
zweites Referendum. Der Pro-Brexit-Flügel von Labour wiederum warnt aus | |
anderen Gründen davor, sich auf May einzulassen: „Sie versucht nur, die | |
eigene Schuld auf Labour zu schieben. Jeremy sollte einen Misstrauensantrag | |
stellen, die Regierung stürzen und dann mit einer Labourregierung das | |
Referendumsergebnis umsetzen“, glaubt Brendon Chilton von der linken | |
Brexit-Kampagne „Labour Leave“. Bei Neuwahlen dürfe Labour nicht für die … | |
eintreten: „Mit einer proeuropäischen Position kann Labour in London viele | |
Stimmen gewinnen, nicht jedoch in Orten wie Dudley oder Mansfield.“ | |
In Blythe, nördlich von Newcastle, in einer Grenzregion zu Schottland, | |
würde Labour bei einem Pro-EU-Wahlkampf Mitglieder verlieren, versichert | |
auch David Mallon, 20, der hier beim letzten Wahlkampf geholfen hatte. „Das | |
Schlimmste, was Corbyn und May machen könnten, wäre ein zweites Referendum. | |
Das würde als Verrat am ersten Referendum gesehen werden.“ Aus solchen | |
Kommentaren wird klar, weshalb Corbyn sich so bemühte, am Mittwoch soziale | |
Themen zu betonen, bevor er sich mit May zusammensetzte. Sollte es | |
tatsächlich zu einem gemeinsamen Brexit-Plan von Labour und Tories kommen, | |
werden abgehängte Regionen Zusicherungen brauchen, dass Labour sie nicht | |
vergessen hat. | |
3 Apr 2019 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
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