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# taz.de -- Massenprotest in Algerien: Sie sind laut, sehr laut
> „Raus aus unserer Republik“, rufen in Algerien die Demonstrant*nnen. Ihr
> Protest wächst und wächst. Wie reagiert der Sicherheitsapparat?
Bild: Slogans und Parolen mäandern zwischen scharfzüngig, rhetorisch brillant…
Algier taz | Die Party auf Algeriens Straßen geht weiter. Und wie. Am
Freitag protestierten abermals mehrere Millionen Menschen lautstark gegen
das hinter dem angezählten Staatschef Abdelaziz Bouteflika stehende Regime
und forderten echte demokratische Reformen.
Die seit dem 22. Februar [1][jeden Freitag stattfindenden
Großdemonstrationen] erhielten dabei weiteren Zulauf. Die Innenstadt von
Algier platzte förmlich aus allen Nähten. Schon am Vormittag, lange vor
Ende der Freitagsgebete, versammelten sich Zehntausende an den
traditionellen Protestorten am Place Audin und der Grande Poste und gaben
einen Vorgeschmack auf den „menschlichen Tsunami“ – so der
Nordafrika-Ableger der Huffington Post –, der am Nachmittag durch Algier
fegen sollte.
Ein regelrechtes Menschenmeer schob sich dabei stundenlang und unnachgiebig
laut skandierend die Prachtallee Didouche Mourad hinauf auf den Platz vor
der Grande Poste. Die Botschaft der weiterhin ohne klare Führungsstrukturen
agierenden und extrem heterogenen Protestbewegung ist deutlich.Nein zur
verfassungswidrigen Verlängerung von Bouteflikas viertem Mandat, nein zu
substanzlosen Personalrochaden. „Wir sagen: Die Suppe ist versalzen. Sie
sagen: Dann tauschen wir die Löffel aus“, ist auf einem Plakat zu lesen.
Erst am Montag hatten die hinter Bouteflika stehenden Eliten [2][auf die
Massenproteste reagiert] und eine politische Übergangsphase sowie eine
Regierungsumbildung angekündigt. Doch Algeriens jugendliche Bevölkerung
kennt ihr Regime und hat schon bei Demonstrationen unter der Woche gezeigt,
dass man keineswegs gedenkt, sich mit halbherzigen Kompromissen
zufriedenzugeben.
## Alles bleibt friedlich
Die Ernennung von Innenminister Noureddine Bedoui zum Regierungschef und
Ramtane Lamamra zum Vizepremier und Außenminister wurden auf den
Freitagsprotesten entsprechend bissig kommentiert. „Ihr verändert die
Gesichter, dann verändern wir eben unsere Parolen“, so ein Demonstrant, der
mit seinem „Hau ab“-Plakat durch die Innenstadt marschiert.
Während sich das intransparente, hinter den Kulissen regierende Geflecht
aus Regimeparteien, Geschäftseliten und Sicherheitsapparat mit derlei
politischen Manövern Zeit erkauft, bekommt auch die Protestbewegung die
Zeit, die sie braucht, um sich besser zu organisieren und Forderungen zu
konkretisieren. Ging es zu Beginn der Proteste fast ausschließlich darum,
Bouteflikas fünftes Mandat zu verhindern, werden heute eine zweite Republik
und tiefgreifende Reformen gefordert.
Es geht längst nicht mehr nur um Bouteflika, sondern um das System, das er
repräsentiert. Die Wucht, mit der sich derzeit [3][der öffentliche Raum im
Land politisiert] und öffnet, ist atemberaubend. Slogans, Parolen und
Wortmeldungen mäandern zwischen scharfzüngig, rhetorisch brillant, vulgär
und sarkastisch hin und her, beinhalten aber zunehmend konkrete politische
Forderungen. Der Tonfall der Beteiligten ist vielfältig, doch die Mittel
ausnahmslos friedlich und vor allem laut, sehr laut.
Die große Unbekannte bleibt jedoch der Sicherheitsapparat, denn mit
Bouteflikas Entourage rivalisierende Clans in Algeriens Machtgefüge warten
im Hintergrund schon ungeduldig darauf, die Seilschaften des Staatschefs
ersetzen und aus den Massenprotesten politisches Kapital schlagen zu
können.
16 Mar 2019
## LINKS
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[3] /Algerien-im-Umbruch/!5580608
## AUTOREN
Sofian Philip Naceur
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