# taz.de -- Filmempfehlung für Berlin: Schillernd und rätselhaft | |
> Ein Mann mit vielen Namen: Das Lichtblick-Kino widmet dem mysteriösen | |
> Schriftsteller B. Traven zu seinem 50. Todestag eine kleine Filmreihe. | |
Bild: Ret Marut alias B. Traven alias Otto Feige? Polizeifoto Ret Maruts, Londo… | |
Die filmreifste Geschichte, die der Schriftsteller B. Traven je entworfen | |
hat, ist sicherlich sein eigenes Leben. Der 1882 geborene | |
Maschinenschlosser Hermann Albert Otto Max Feige aus dem damaligen | |
Brandenburg verwandelt sich in einen aus San Francisco stammenden | |
anarchistischen Schauspieler mit dem Namen Red Murat, der an der Errichtung | |
der Münchner Räterepublik am Ende des Ersten Weltkriegs beteiligt war. Von | |
der Polizei gesucht, flüchtet Otto Feige alias Red Murat über Umwege nach | |
Mexiko. Dort wird er zu einem der erfolgreichsten Schriftsteller des 20. | |
Jahrhunderts. | |
Klingt aberwitzig, scheint aber die Wahrheit zu sein. Die freilich erst | |
nach dem Tod B. Travens am 26. März 1969 zutage kam. Als er noch lebte, | |
inszenierte er sich lieber als Phantom und erfand sich eine eigene | |
Identität. Goldsucher, Baumwollpflücker, Schiffsheizer, Ölbohrer, Bäcker | |
und noch einiges mehr sei er einst gewesen, behauptete er. Und Amerikaner | |
sei er, nicht Deutscher. | |
Zu Gesicht bekommen sollte ihn möglichst niemand, Briefe und Manuskripte an | |
seine Verleger unterschrieb er stets mit der Schreibmaschine, nie | |
handschriftlich. Um Spuren zu verwischen und falsche Fährten zu legen, | |
erfand er gar Figuren wie den Chicagoer Ingenieur Traven Torsvan und den | |
Übersetzer Hal Croves, die auch in der Öffentlichkeit auftraten. Inzwischen | |
ist man sich ziemlich sicher: Torsvan und Croves waren niemand anders als | |
B. Traven selbst. | |
## Ein deutscher Prinz? | |
Der Schriftsteller führte zu Lebzeiten alle an der Nase herum. Seinem | |
Erfolg schadete das bestimmt nicht. Alle wollten wissen, wer der Mann in | |
Wirklichkeit ist. Der Präsident von Mexiko? Jack London? Ein deutscher | |
Prinz? In solche Richtungen wurde spekuliert. Eine perfekte PR für B. | |
Traven. | |
Bei solch einer schillernden Biographie voller Rätsel ist es kein Wunder, | |
dass das Lichtblick-Kino bei seiner kleinen Filmreihe „[1][B. Traven – zum | |
50. Todestag“], die vom 23. März bis zum 3. April läuft, gleich mit zwei | |
Dokumentationen über B. Traven aufwartet. Einmal wird „Im Busch von Mexiko | |
– Das Rätsel B. Traven“ von Jürgen Goslar gezeigt. Der Film ist von 1967, | |
was deswegen so interessant ist, weil zu diesem Zeitpunkt dieses Rätsel B. | |
Traven nicht vollständig zu knacken war. | |
Entscheidende Hinweise zur Lösung lagen damals einfach noch nicht vor. | |
Dennoch bewegten sich die Rechercheure oft genug auf den richtigen Spuren. | |
Die ebenfalls gezeigte französische Fernsehdokumentation „Flüchtig – das | |
rätselhafte Leben des B. Traven“ von Xavier Villetard dagegen wurde erst | |
vor sieben Jahren gedreht und ist damit einigermaßen auf dem aktuellen | |
Stand der B.-Traven-Forschung. | |
Aber B. Traven hat es nicht nur vermocht, sein eigenes Leben spannend zu | |
inszenieren, auch seine Bücher waren aufregend und schnell auch erfolgreich | |
genug, dass sich Hollywood für sie interessierte. 1948 machte John Huston | |
aus B. Travens „Der Schatz der Sierra Madre“ seinen gleichnamigen | |
Spielfilm mit Humphrey Bogart in einer der Hauptrollen. | |
Der Film ist eine für damalige Hollywood-Verhältnisse äußerst gnadenlose | |
Parabel über die Gier des Menschen, an der dieser zugrunde geht. Drei | |
Goldsucher machen sich auf, um in Mexikos Sierra Madre ihr Glück zu finden. | |
Die Umstände sind äußerst widrig, aber am Ende sind die drei sich selbst | |
die größten Feinde und das Glück deswegen flüchtig. | |
Staatenloser Matrose | |
Der Film war damals ein großer Erfolg, der B. Travens Ruhm weiter mehrte | |
und gilt heute zu Recht als Klassiker, der neben drei weiteren B. | |
Traven-Verfilmungen im Lichtblick-Kino gezeigt wird. Fun-Fact: Hal Croves, | |
von dem man heute annimmt, dass er B. Traven war, beteiligte sich als | |
technischer Berater an den Dreharbeiten von „Der Schatz der Sierra | |
Madre“. | |
Der bekannteste Roman B. Travens bis heute ist „Das Totenschiff“, ein Buch | |
mit politischer Sprengkraft: Ein als staatenlos geltender Matrose heuert | |
auf einem Schiff an, einem sogenannten Seelenverkäufer. Die Besatzung ist | |
dem Tode geweiht, da es die Bestimmung des Schiffes ist unterzugehen. Sein | |
Eigner will die Versicherungsprämie kassieren. | |
Ausbeuter und Ausgebeutete – aus B. Travens Kapitalismuskritik, verpackt in | |
einen Abenteuerroman, wurde 1959 der deutsch-mexikanische Spielfilm „Das | |
Totenschiff“ von Georg Tressler mit Horst Buchholz in der Haupt- und Mario | |
Adorf in einer Nebenrolle. | |
Für das Wirtschaftswunder-Deutschland mit seiner Vorliebe für Heimatfilme | |
ist der Film äußerst düster geraten, und den damaligen Teenie-Star Buchholz | |
als verdreckten Kohleschipper zu sehen war für das Publikum sicherlich auch | |
gewöhnungsbedürftig. Fun-Fact hier: Auf seiner Flucht aus Deutschland, die | |
ihn unter Umwegen schließlich nach Mexiko führte, hatte B. Traven selbst | |
auf einem solchen „Seelenverkäufer“ angeheuert. Zumindest geht man davon | |
aus. Ganz sicher kann man sich bei B. Traven ja nie sein. | |
Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz | |
21 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.lichtblick-kino.org/filmreihe/2019/19_03_B_Traven | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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