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# taz.de -- Neues vom „Volkslehrer“: „Ich geh ja schon“
> Der gefeuerte rechtsradikale „Volkslehrer“ will nun Stadtteilvertreter in
> Berlin-Moabit werden. Doch der erste Versuch scheitert.
Bild: Plakat bei einer Anti-AfD-Demo im September 2017 in Berlin
„Es spricht zu Ihnen der zukünftige Bürgermeister von Moabit“, ruft Nikol…
Nerling am Dienstagabend von den Treppen der Heilandskirche in Moabit
herab. Hier will sich der als selbst ernannter „Volkslehrer“ bekannt
Gewordene zum Stadtteilvertreter wählen lassen. Ein gutes Dutzend
Unterstützer mit strammen Seitenscheiteln umringt ihn, einer von ihnen
filmt die Gegenproteste. Über 300 Menschen sind zu der Wahl der
Anwohnervertretung an der Turmstraße gekommen, viele von ihnen, um Nerlings
Wahl zu verhindern.
Die Stadtteilversammlung soll die Interessen der Anwohner*innen und lokaler
Initiativen vor Politik und Verwaltung im Bezirk repräsentieren. Bis zu 25
ehrenamtliche Vertreter*innen können gewählt werden. Bisher war die
Beteiligung stets eher bescheiden: Wer kandidierte, wurde mangels
Konkurrenz auch gewählt.
## Nähe zu Neonazis
Das könnte bei Nerling anders aussehen. Der ehemalige Grundschullehrer
machte sich bisher weniger durch lokalpolitisches Engagement als durch
seine Aktivitäten auf YouTube einen Namen. Als „Volkslehrer“ verbreitet er
dort antisemitische Verschwörungstheorien, bewundert die
Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck und hetzt gegen Geflüchtete. Anfang
2018 wurde er deshalb fristlos aus dem Schuldienst entlassen, seine Klage
dagegen wies das Arbeitsgericht ab. Seitdem sucht Nerling immer offener die
Nähe zu Neonazis, spricht beispielsweise bei Demonstrationen von „Die
Rechte“. Im Februar huldigte er der Waffen-SS bei einer Gedenkveranstaltung
in Budapest.
Nun will er der vermeintlich „linksgeschalteten Stadt“ den Kampf ansagen
und inszeniert sich als engagierter Kiezbewohner. Nerlings Kandidatur, via
YouTube beworben, begegneten knapp 20 lokale Initiativen um den Verein
„Moabit hilft“. Die Initiative gründete sich 2013 zur Unterstützung von
Geflüchteten im Stadtteil und erlangte bundesweite Bekanntheit. Sie hatte
im Vorfeld der Stadtteilvertreter*innenwahl gegen die Wahl des
Verschwörungsideologen aufgerufen.
Von den über 300 Moabiter*innen, die am Dienstagabend an der
Wahlveranstaltung in der Heilandskirche teilnehmen wollten, mussten rund
100 aus Platzgründen vor der Tür bleiben. Dies führte zu lautstarken
Protesten einzelner Versammlungsteilnehmender. Sie bemängelten die fehlende
demokratische Legitimation der Versammlung, wenn nicht alle interessierten
Moabiter*innen teilnehmen könnten. Zudem sei nicht ausreichend
sichergestellt, dass ausschließlich stimmberechtigte Anwohner*innen der
Versammlung beiwohnten.
Nerling beklatschte diese Einwände zynisch und forderte in Zwischenrufen
demokratische Verfahren und Meinungsfreiheit ein, angetrieben offenbar von
der Hoffnung, bei einem neu angesetzten Termin eine noch größere Bühne
bereitet zu bekommen.
## Veranstaltung wird vertagt
Die Veranstaltungsleitung wirkte sichtlich überfordert. Ein Stimmungsbild,
ob die Wahl trotz des Platzmangels und dem daraus folgenden Ausschluss von
Wahlberechtigten stattfinden solle, erbrachte keine klar erkennbare
Mehrheit. Dem Durcheinander versuchte der Versammlungsleiter dann zunächst
ein Ende zu setzen, indem er verkündete, die Wahl stattfinden zu lassen.
Dies wiederum führte zu vehementen Gegenreden aus der Versammlung, die auf
einer Beteiligung aller bestanden. Einzelne Stimmen wollten Nerling nicht
die Möglichkeit einer zweiten, größeren Sitzung bereiten. Ein Teilnehmer
befürchtete, dass auch zum neuen Termin wieder „Stimmvieh angekarrt“ werden
würde.
Nach einer knappen halben Stunde wurde die Versammlung dann abgebrochen.
Die Zweifel überwogen. Ein neuer Raum müsse her, um allen Interessierten
eine Teilnahme und Abstimmung zu ermöglichen. Nerlings Provokation ging
auf, er stand genüsslich im Mittelpunkt. Als beim Verlassen ein lautes
„Nazis raus“ durch die Kirche hallt, antwortet Nerling mit einem leisen:
„Ich geh ja schon.“
Noch vor den Sommerferien soll nun ein neuer Termin für die Wahl der
Stadtteilvertreter*innen angesetzt werden. Ob der wieder zum Schauplatz
einer extrem rechten Inszenierung wird, bleibt abzuwarten.
13 Mar 2019
## AUTOREN
Kevin Culina
## TAGS
Volkslehrer
Schwerpunkt Neonazis
Rechtstextreme
Moabit hilft
Rechtsextremismus
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Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
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Rechte
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