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# taz.de -- Nach dem rechten Terror in Neuseeland: „Einer der finstersten Tag…
> Nach dem rechtsextremen Terrorangriff mit 49 Toten wird in Neuseeland der
> Ruf nach einem Waffenregister laut. Der Haupttäter ist Australier.
Bild: Polizeieinsatz in Christchurch
Canberra taz | Es war die Zeit des Freitagsgebets, als in der
Masdschid-al-Noor-Moschee in Christchurch, Neuseeland die ersten Schüsse
fielen. Ein mit einem Schnellfeuergewehr ausgerüsteter Mann in
schutzsicherer Weste, Helm und einer Art Uniform [1][tötete 41 der rund 300
Menschen], die eben mit dem Freitagsgebet begonnen hatten. Unter den Toten
sind auch Kinder.
Kurze Zeit danach kam die Meldung, in der fünf Kilometer entfernten Moschee
im Stadtteil Linwood seien ebenfalls Schüsse gefallen. Dort starben nach
Angaben der Polizei mindestens 7 Menschen. 48 Verletzte wurden mit
Schusswunden in Krankenhäuser gebracht, viele von ihnen schwebten auch am
Abend noch in Lebensgefahr, teilte das Krankenhaus in Christchurch mit.
Farid Ahmed beschrieb gegenüber dem neuseeländischen Fernsehen die Szene in
der ersten Moschee: „Es war sehr friedlich und ruhig, als das Gebet begann.
Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.“ Dann seien plötzlich
Schüsse gefallen. „Ich war in einem Seitenraum“, so der Mann, der auf einen
Rollstuhl angewiesen ist. Dann habe er Menschen rennen gesehen. „Einige
hatten Blut am Körper, einige hinkten.“
Es sei ihm dann klargeworden, dass es sich um eine ernste Sache handelte.
Er fuhr im Rollstuhl zu seinem Auto. Dort habe er die Schüsse gehört,
„sechs Minuten lang“. Knapp verschont wurden Mitglieder des pakistanischen
Kricketteams. Ihr Mannschaftsbus war gerade an der Moschee angekommen, als
die ersten Schüsse fielen.
Die Polizei hatte nach den Vorfällen Muslime in ganz Neuseeland dazu
aufgerufen, keine Moschee zu betreten. Schulen wurden angewiesen, Kinder in
den Klassenzimmern festzuhalten. Am Abend hob die Polizei die Abriegelung
wieder auf. Während der Einsatz der Polizei hatte die Lokalregierung die
Bevölkerung aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Das Zentrum von Christchurch
wurde abgesperrt.
## Des Mordes angeklagt
„Das ist einer der finstersten Tage Neuseelands“, meinte Premierministerin
Jacinda Ardern in einer ersten Reaktion. Und sprach bald von einem
„Terroranschlag“. Es sei offensichtlich, dass der Angriff „gut geplant“
gewesen sei. Nach kurzen Fahndungen verhaftete die Polizei vier Verdächtige
– drei Männer und eine Frau. Ein Fahrzeug war offenbar von Beamten gerammt
und der Insasse festgenommen worden. Zwei Autos seien mit Sprengladungen
versehen gewesen. Diese seien durch die Armee entschärft worden. Ein Mann
wurde am Abend des Mordes angeklagt.
Wie der australische Premierminister Scott Morrison am Abend (Ortszeit)
erklärte, handelt es sich bei einem der mutmaßlichen Täter um einen
28-jährigen australischen Rechtsextremisten, der seit einiger Zeit in
Neuseeland lebe. Der Mann hat im Internet offenbar nicht nur ein Video von
seinen Taten hinterlassen, sondern auch ein 74-seitiges Manifest, in dem er
seine politische Haltung klarmachte.
Die Polizei warnte auf Twitter vor „extrem erschreckenden Bildern“ aus
einer der angegriffenen Moscheen. Im Video ist ein weißer, kurzhaariger
Mann zu sehen, der bei einer der Moscheen vorfährt. Auf seinem
Beifahrersitz liegen Waffen, aus dem Lautsprecher dröhnt ein
nationalistisches serbisches Lied. Als er aussteigt, ist das Gesicht des
Mannes zu sehen, er blickt bewusst in die Kamera. Dann betritt er die
Moschee. Er zielt auf einzelne Personen und auf Gruppen von Menschen.
Betreiber sozialer Netzwerke bemühten sich am Abend, das Video aus dem
Internet zu entfernen.
## Neuseeland hat kein Waffenregister
Wie australische Medien in der Nacht auf Samstag berichteten, soll es sich
bei dem Hauptverdächtigen um einen Fitnesstrainer aus der Stadt Grafton
nördlich von Sydney handeln. „Er war ein sehr engagierter Trainer“, zitiert
der australische Fernsehsender ABC eine ehemalige Arbeitskollegin, habe
Kindern sogar kostenlos Unterricht gegeben. Er sei durch Europa und Asien
gereist und auch in Nordkorea gewesen. Der mutmaßliche Attentäter
beschreibe sich selbst als „regulärer weißer Mann, der aus einer normalen
Arbeiterfamilie mit niedrigem Einkommen stammt“, so ABC.
Untersuchungen von Polizei, Gerichten und Geheimdiensten werden in den
kommenden Wochen und Monaten zutage bringen, wie es zum folgenschwersten
Massaker in der jüngeren Geschichte Neuseelands kommen konnte. Der oder die
Täter waren offenbar mit Hochleistungswaffen ausgerüstet. Eine mögliche
Erklärung dafür: Neuseeländer sind begeisterte Jäger – Waffen haben
Kultstatus.
Trotzdem ist der Erwerb nicht so einfach wie etwa in den Vereinigten
Staaten. „Wie war es möglich, dass ein Mann, der nur ein paar Wochen im
Land war, ein solches Gewehr erwerben konnte?“, fragte am Freitag der
australische Terrorismusexperte Greg Barton. Neuseeland hat kein
Waffenregister. In dem Land mit 4,8 Millionen Einwohnern befinden sich
schätzungsweise eine Million Waffen.
## 50.000 Muslime leben in Neuseeland
Gegenstand der Untersuchungen wird auch sein, welche Rolle neuseeländische
Nachrichtendienste und die Polizei gespielt haben. Obwohl die Gefahr
terroristischer Bedrohung von Experten generell als gering eingeschätzt
worden war, hätte die Vorbereitung der Attentate von den Behörden
aufgedeckt werden müssen, so mehrere Kritiker in den Medien. Anscheinend
gab es aber keinen Hinweis auf die Existenz ultrarechter Gruppierungen von
substanzieller Größe.
Nur rund 50.000 Muslime leben in Neuseeland, sie machen etwa 1 Prozent der
Gesamtbevölkerung aus. Die größte Religion ist das Christentum. Wie die
große Mehrheit der Einwanderer sind Muslime gut eingegliedert. Neuseeland
gilt als vorbildliche multikulturelle Gesellschaft, größere Konflikte
zwischen den Ethnien gibt es selten.
In den letzten Jahren richtete sich die Opposition aus gewissen Kreisen der
Bevölkerung jedoch gegen asiatische Einwanderer, die Immobilien kaufen und
damit die Preise für Wohneigentum und Mieten dramatisch in die Höhe
getrieben hätten, so Kritiker. Die Regierung Ardern schränkte jüngst für
Ausländer die Möglichkeiten ein, Immobilien zu kaufen.
## „Kein isolierter Vorfall mit mysteriösem Hintergrund“
Im Verlauf des Tages kondolierten Persönlichkeiten aus aller Welt den
Neuseeländern. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ über Twitter verlauten,
sie „trauere mit den Neuseeländern um ihre Mitbürger, die friedlich betend
in ihren Moscheen überfallen und aus rassistischem Hass ermordet wurden“.
Auch Papst Franziskus und Länder wie die USA, Großbritannien, Frankreich,
Italien, Indien, Israel und die Türkei verurteilten die Attacke und
drückten Neuseeland ihre Solidarität aus.
Die Folgen der Anschläge zogen sich in der Nacht bis nach Australien. Dass
es sich bei dem mutmaßlichen Haupttäter um einen Australier handeln könnte,
sorgte für Aufruhr in den Medien und in der Bevölkerung. Ein Kritiker
meinte, er habe die „gegen Einwanderer gerichtete Polemik der konservativen
Regierung umgesetzt“. Der ultrarechte Politiker Fraser Anning reagierte auf
die Nachricht mit der Frage, ob „irgendjemand noch den Zusammenhang
zwischen muslimischer Immigration und Gewalt“ infrage stelle. Er wurde
sowohl von Premierminister Scott Morrison als auch anderen Politikern für
die Bemerkung verurteilt.
Die aus Pakistan stammende Grünen-Abgeordnete im australischen Parlament,
Mehreen Faruqi, hingegen meinte, der Angriff sei „kein isolierter Vorfall
mit mysteriösem Hintergrund“. „Das ist eine Folge des islamophoben,
rassistischen Hasses“, der in Australien durch gewisse Politiker und Medien
„normalisiert und legitimiert“ werde.
15 Mar 2019
## LINKS
[1] /Anschlaege-auf-Moscheen-in-Neuseeland/!5580758
## AUTOREN
Urs Wälterlin
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
Muslime
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