# taz.de -- Massenproteste in Algerien: Gegen den ewigen Präsidenten | |
> Abdelaziz Bouteflikas Herrschaft neigt sich nach 20 Jahren ihrem Ende zu. | |
> Sein Versuch, weiter an der Macht zu bleiben, weckt heftigen Widerstand. | |
Bild: Schon seit Tagen wird immer wieder in Algier demonstriert | |
ALGIER taz | Algeriens greiser Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika [1][ist | |
nicht nur angezählt], sondern dürfte derzeit die letzten Tage als | |
Staatsoberhaupt des Landes erleben. Nach den landesweiten | |
Massendemonstrationen am Freitag kann seine Kandidatur bei der im April | |
geplanten Präsidentschaftswahl keine Option mehr sein für das Regime, das | |
trotz achttägiger Proteste bisher eisern an dem 81jährigen festhält. Die | |
mit Spannung erwarteten Demonstrationen gegen eine weitere Amtszeit des | |
seit 1999 amtierenden Bouteflika haben sämtliche Hoffnungen der überwiegend | |
jungen algerischen Bevölkerung um Längen übertroffen. | |
Allein in der Hauptstadt zogen hunderttausende Menschen durch die Straßen | |
und forderten lauthals den bedingungslosen Rückzug Bouteflikas von seiner | |
Kandidatur für ein fünftes Mandat, aber auch einen grundsätzlichen | |
Systemwechsel. „Wir wollen eine zweite Republik“, sagt der pensionierte | |
Banker Karim auf dem Höhepunkt der Massenproteste vor der Grande Poste im | |
Herzen Algiers gegenüber der taz. „Bouteflika und sein Mafia-Clan rauben | |
das Land seit 60 Jahren aus, das ist doch nicht normal“, so der | |
Mitfünfziger. | |
Er redet immer weiter, aber verstehen kann man ihn nicht mehr. Zu laut sind | |
die eindringlichen Sprechchöre der hinter ihm unaufhaltsam weiter den Platz | |
hinaufziehenden Menschenmassen. Die Polizei ist weiterhin präsent, bleibt | |
aber im Hintergrund und beobachtet das Schauspiel mit eiserner Miene. | |
Schon seit dem frühen Morgen ist die Anspannung in der Stadt förmlich zu | |
spüren. Polizeihelikopter kreisen seit 8 Uhr pausenlos über der Stadt. | |
Hundertschaften und BeamtInnen in Zivil werden an Hauptstraßen und großen | |
Plätzen in der Innenstadt postiert. Räumfahrzeuge der Polizei säumen die | |
Prachtallee Didouche Mourade und andere neuralgische Orte im Stadtzentrum. | |
Auch in den kleinen Gassen der Hauptstadt patrouillieren inzwischen | |
unaufhörlich Polizeikräfte. Bis zum Mittag ist es dennoch ein normaler | |
Vormittag in Algier. | |
## Die Stimmung dreht sich | |
Doch kurz vor Ende der Freitagsgebete versammeln sich immer mehr | |
Menschengrüppchen in den Haupt- und Seitenstraßen, die wenigen geöffneten | |
Cafés schmeißen die Gäste raus und schließen. „Anweisung von oben“, so … | |
Kellner in einem Straßencafé nahe der Grande Poste. Immer mehr Menschen | |
machen es sich auf ihren Balkonen gemütlich und bereiten sich auf das | |
Spektakel vor. Hier und da blitzen algerischen Fahnen aus Hand- oder | |
Umhängetaschen hervor – noch ist es zu früh, vor den umherziehenden | |
Zivilbeamten Farbe zu bekennen. | |
Innerhalb weniger Minuten dreht sich die Stimmung. Allein an der Grande | |
Poste versammeln sich binnen Minuten mehrere tausend Menschen, ziehen in | |
Richtung Place Audin und skandieren Parolen wie „Hau ab Bouteflika“, „Das | |
Volk und die Armee sind Brüder“ oder „Wir wollen weder Bouteflika noch | |
Said“ – eine Anspielung an den im Hintergrund agierenden jüngeren Bruder | |
des Präsidenten. „Bouteflika ist eine Maske, die Maske einer Mafia“, sagt | |
Malika, eine junge Studentin aus Algier. „Und wo ist er gerade? In Genf im | |
Krankenhaus, er sollte besser da bleiben und nicht wiederkommen“, so die | |
euphorisch weiter Parolen skandierende Frau. | |
Noch ist absolut unklar wie es weitergeht. Bouteflikas Kandidatur ist nach | |
den heutigen Protesten jedoch kaum noch haltbar „Wenn Bouteflika am Sonntag | |
(der Frist für die offizielle Anmeldung) seine Papiere für die Kandidatur | |
nicht einreichen sollte, nur dann wird sich das hier beruhigen. Dann ändert | |
sich alles“, glaub Karim. Egal wie das Regime in den kommenden Tagen | |
agieren wird; Algerien stehen spannende und nicht ungefährliche Tage bevor. | |
1 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
Philipp Sofian Naceur | |
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