| # taz.de -- Kolumne Bauernfrühstück: Not the yellow from the egg | |
| > In Brüssel scheitert Horst Seehofer an englischen Interviewfragen. Ihn | |
| > deswegen als „bildungsfern“ zu bezeichnen, ist total daneben. | |
| Bild: Menschen für schlechtes Englisch dissen? Nicht das gelbe vom Ei | |
| Kürzlich war der Bundesinnenminister in der schönen Stadt Brüssel und | |
| kreuzte dort den Weg eines Trüppchens MedienberichterstatterInnen. | |
| „Minister, one question in English …?“, wurde er angesprochen. Horst | |
| Seehofer drehte sich kurz um, lachte verlegen und antwortete: „Nix. No | |
| other language.“ Alsdann drehte er ab und eilte vonhinnen. „Was für ein | |
| bildungsferner Honk!“, kommentierte ein Feuilletonkollege auf Facebook den | |
| Satz des Ministers. Ich las das und dachte: Was für ein schnöseliger | |
| Wichser. Und zwar nicht über Horst Seehofer. | |
| Willkommen in der Welt der Bildungshuber, die die Erde zu einem | |
| schambesetzten Ort machen. Es handelt sich um Leute, die meinen, dass | |
| Fremdsprachen zu beherrschen zur sozialen Grundausstattung gehört. | |
| Menschen, die nicht [1][fließend dreisprachig parlieren], gehören für sie | |
| zu einer vernachlässigbaren Minderheit. Wer nicht auf Mandarin seinen Flat | |
| White zu ordern in der Lage ist, gilt diesen Leuten als würdeloses Gemüse. | |
| Auch wenn es sich um einen 69 Jahre alten Minister handelt. | |
| Man muss nicht (ich finde sogar: man sollte nicht) die politischen | |
| Positionen von Horst Seehofer teilen. Aber ihn abzuwerten, weil er kein | |
| Interview in fließendem Englisch zu geben imstande ist, ist arm. Ich | |
| schreibe das hier so hin, weil auch mein Englisch nicht das Beste ist. Und | |
| das obwohl ich nicht wie Horst Seehofer jahrzehntelang in der Münchner | |
| Staatskanzlei festgekettet war. Ich habe sogar mal ein halbes Jahr in | |
| Neuseeland gelebt, und trotzdem ist mein Englisch alles andere als the | |
| yellow from the egg. Das könnte nicht nur an meinem sehr übersichtlichen | |
| Sprachtalent liegen, sondern auch an meinem Ü50-Jahrgang sowie meiner | |
| Herkunft aus Ostelbien. Aber ganz ehrlich: Ist das nicht wurscht? Ich bin | |
| nicht stolz drauf, mäßig Englisch zu sprechen. Aber ich will mich deshalb | |
| auch nicht schämen gehen. Kommt überhaupt nicht in Frage. | |
| Schon als es nach dem Mauerfall damit losging, dass die Stellenanzeigen in | |
| einem turbokapitalistischen Bullshit-Englisch gedruckt wurden, hätte ich | |
| mich kümmern sollen. Damals hatte ich wenigstens noch Facility Manager | |
| werden können. Als ich in den Nullerjahren in Berlin meine Saftschorle | |
| nicht mehr auf Deutsch bestellen konnte, hätte ich mich noch aufholen | |
| gekonnt. Aber letzte Woche, als [2][bei der Frauentagsdemo] auf dem | |
| Alexanderplatz achtjährige Girls „I will fight for women’s | |
| rights“-Transparente und Vorschuljungs „Real men are optimists“-Schilder … | |
| den Frühlingshimmel reckten, war klar: Es ist zu spät. Ich hätte besser | |
| aufpassen sollen damals in der Polytechnischen Oberschule und später bei | |
| all den schönen Reisen, die ich dank Helmut Kohl machen durfte. | |
| Im Jahr 2019 adressiert die gesellschaftliche Avantgarde ausschließlich auf | |
| Englisch. Wer nicht im Club ist, ist einfach nicht im Club. Wozu sollen die | |
| mit solchen Leuten reden? Vor allem: Worüber? Die haben doch sich. Ja gut, | |
| ich hab aber mich. Und no other language. | |
| 13 Mar 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Maier | |
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