# taz.de -- Protest an der HGB Leipzig: Leere Räume statt Kunst | |
> In der Leipziger Kunsthochschule blieben beim jährlichen Rundgang die | |
> Ausstellungsräume leer – und das ist erst der Anfang. | |
Bild: Leere Räume: Besucherin auf diesjährigen Rundgang der HGB Leipzig. | |
LEIPZIG taz | Ein weißes Transparent hängt über der Tür der Hochschule für | |
Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig. „Jetzt:“ steht darauf, dann ein | |
langer Leerraum. Denn Leere ist es, die sich in der Kunsthochschule zeigt. | |
Zum traditionellen Rundgang zeigen die Studierenden in diesem Jahr – | |
nichts. | |
Normalerweise ist der Rundgang die Gelegenheit, die künstlerischen Arbeiten | |
des Jahres zu präsentieren. Die ganze Schule wird zur Ausstellung. Gerade | |
die der Diplomanden sind von großem Interesse – auch für Galerien. | |
Doch diesmal haben Rektorat, Stura und Meisterklassen zusammen beschlossen, | |
nichts zu zeigen. „Der Verzicht auf die Klassenpräsentationen als Zeichen | |
der Solidarisierung ist für uns, insbesondere für die Diplomand*innen, die | |
zum Ende des Wintersemesters üblicherweise ihre Abschlussarbeiten in der | |
Hochschulgalerie ausstellen, ein Opfer und auch visuell ein sehr starkes | |
Bild“, sagt Luisa Hohlfeld, Vorsitzende des HGB-Studierendenrats. | |
Doch wofür diese Solidarisierung, dieses Opfer, der Protest? Vier konkrete | |
Forderungen werden auf Flugblättern verteilt: Eine ausreichende | |
Finanzierung! Mehr Stellen! Genügend Raum! Dialog auf Augenhöhe! | |
## Ministerium kürzte 173.000 Euro | |
Auslöser für die drastische Protestaktion ist natürlich das Geld. Die HGB | |
erhalte keine auskömmliche Grundfinanzierung, heißt es von Seiten der | |
Hochschule: „Sie ist nicht mehr in der Lage, die Qualität der Lehre in | |
allen Bereichen zu gewährleisten.“ | |
Schuld seien Lohnsteigerungen, gewaltige Ausgaben für Selbstverwaltung, die | |
Unkalkulierbarkeit von Sonderzuweisungen und Abzüge im Budget, weil die | |
Zielvereinbarungen nicht eingehalten wurden. | |
Diese stehen in der „Hochschulentwicklungsplanung 2025“, in denen das | |
Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst den Hochschulen | |
sehr genaue Zielvorgaben setzt. Demnach hat die HGB zu oft die | |
Regelstudienzeit überzogen – und so wurden ihr Finanzhilfen in der Höhe von | |
173.000 Euro gestrichen. | |
„Steuerungsinstrumente wie Zielvereinbarungen sind ein Bestrafungssystem | |
und basieren auf quantifizierten Kriterien, die für eine (Kunst-)Hochschule | |
nicht sinnvoll sind“, kritisiert der Rektor der HGB, Thomas Locher. An der | |
Wand neben einer Klassentür heißt es einfacher formuliert: „Kunst darf | |
nicht dienen.“ | |
## Ratlose Kunststudierende | |
Stura-Chefin Hohlfeld sieht das Ganze auch als globales Problem: „Sämtliche | |
Lebensbereiche werden ökonomisiert – selbst das Gesundheitssystem“, sagt | |
sie in einer Runde von Kunststudierenden aus verschiedenen Städten, die die | |
HGB nach Leipzig eingeladen hat. | |
Denn auch wenn die Wände leer sind, so soll der viertägige Rundgang vor | |
allem zu Diskussionen führen. Ein Netzwerk wollen die Studierenden | |
schaffen, um zu schauen, welche Probleme andere Kunsthochschulen haben. | |
Eine Studentin aus Dresden moniert, dass es schwer ist, Kommilitonen zum | |
gemeinsamen Protest zu bewegen. Jemand weist darauf hin, dass das Problem | |
nicht neu sei. Auch Nicht-Anwesende konnten ihre Meinung kundtun. | |
Eine Studentin aus München sagt, dass das halt schwierig sei, wenn man zwei | |
Nebenjobs machen muss, um das Studium zu finanzieren. Jemand weist darauf | |
hin, dass das Problem nicht neu sei. Ein anderer glaubt, das bringe nichts, | |
hier in der Hochschule zu debattieren, weil das niemanden interessiere, man | |
müsse raus gehen. | |
## Bier, Pfeffi und Bockwurst | |
Es ist eine typische Diskussion, wie man sie aus vielen Universitäten | |
kennt. An der Bar gibt es Bier, Pfeffi und Bockwurst, in der Ecke wird | |
geraucht. | |
Während der vier Tage des Rundgangs hat die HGB ihre [1][Webseite] genauso | |
leer geräumt wie ihre Klassenräume: eine weiße Seite mit | |
Kommentarmöglichkeit für alle. Hier melden sich auch Stimmen, die die | |
Aktion für den falschen Weg halten: „Leere Räume? Ist das die Lösung?“, | |
fragt eine Nutzerin. | |
Ein mehrmals geäußerter Vorwurf: Die Aktion sei zu kurzfristig, die | |
Finanzsituation ja schon lange bekannt, gewesen. Andere nutzen das Forum, | |
um allgemein ihre Kritik loszuwerden. An zu hohen Professorengehältern oder | |
fehlender Evaluierung. | |
„Wir haben sehr viel positives Feedback erhalten“, sagt | |
HGB-Pressesprecherin Meike Giebeler am Montag nach dem Rundgang. Die | |
Besucherzahlen hingegen waren – abgesehen vom Eröffnungsabend – geringer | |
als in den letzten Jahren. Rund 1500 statt etwa 4.000 Menschen. | |
## Ministerin Stange kam vorbei | |
Einer der Gäste war die sächsische Kunstministerin Eva-Maria Stange. Ein | |
offizielles Statement der Ministerin gibt es nicht, doch sie sei | |
gesprächsbereit gewesen, sagt Giebeler. „Es war notwendig, auf unsere | |
künstlerischen und gestalterischen Belange und Nöte in der Lehre aufmerksam | |
zu machen.“ | |
Der leere Rundgang soll dabei erst der Auftakt zu weiteren Veranstaltungen | |
und Diskussionen im Sommersemester gewesen sein. Auch die Diplomanden | |
werden ihre Werke dann noch ausstellen können. Damit es wieder heißt: Lehre | |
statt Lehre und jetzt: Kunst. | |
NaN NaN | |
## LINKS | |
[1] https://www.hgb-leipzig.de/ | |
## AUTOREN | |
Juliane Streich | |
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