| # taz.de -- Buch über Möbeldesigner: Form follows humour | |
| > Endlich gibt es eine Monografie über Susi und Ueli Berger. Sie entwerfen | |
| > Möbelklassiker, die keine falsche Ehrfurcht auslösen. | |
| Bild: Charmant: die Wolkenlampe, ein Entwurf von 1970 | |
| Wohnen mit Designermöbeln ist vermutlich nicht so einfach. Einige wecken | |
| solch eine Ehrfurcht, dass man nur noch wenig Lust hat, sie überhaupt zu | |
| verwenden oder ihnen gar, Gott bewahre, persönlich gefärbte | |
| Scheußlichkeiten an die Seite zu stellen. Andere sind einfach ziemlich | |
| hübsch, wieder andere entwickeln aus der Ödnis heraus eine Strenge, die | |
| einen ganzen Raum erfüllen kann (die US-Popgruppe Sparks erzählte davon | |
| sehr schön in „Scandinavian Design“). Die Möbel von Susi und Ueli Berger | |
| scheinen dagegen eher freundlich anzufragen: Na? Ist da vielleicht noch ein | |
| Plätzchen bei dir frei? | |
| Der Name des Schweizer Duos dürfte außer bei eingefleischten Anhängern des | |
| Postmoderne-Designs oder Kennern der eidgenössischen Möbelklassiker | |
| weitestgehend unbekannt sein. Auch wenn man ihre Entwürfe finden kann, | |
| sofern man danach sucht, zum Beispiel in der Designsammlung des Züricher | |
| Museums für Gestaltung. | |
| Erstmalig widmet sich nun eine Monografie den Möbeln der Bergers – und | |
| bietet damit die Gelegenheit, einige ihrer im besten Sinne einzigartigen | |
| Entwürfe zu entdecken. Wie das „Kung-Fu-Regal“ mit seinen konvex und konkav | |
| geformten Regalböden in Blau, Rot und Weiß, das die durchhängenden Bretter | |
| jahrzehntealter Bücherschränke schon einmal vorwegnehmen sollte. | |
| Oder die „Wolkenlampe“, die genau das darstellt, was ihr Name verrät: eine | |
| riesengroße Wolke aus mattem, beinahe flauschig erscheinendem Kunststoff. | |
| Immerhin dieser Entwurf ist so dann später doch wieder bei anderen | |
| Designern aufgetaucht, beispielsweise bei Frank Gehrys „Cloud“-Leuchte. | |
| Charmanter aber schaut doch das 1970 in der Schweiz entworfene Modell aus. | |
| „Susi + Ueli Berger: Möbel im Dialog“ zeichnet die Geschichte des Künstle… | |
| und Gestalterpaars nach, das in der Schweiz später ähnliche Entwicklungen | |
| anstieß wie die Memphis-Gruppe andernorts: die Befreiung vom gerade eben | |
| erst etablierten Dogma des Funktionalismus, der Zweckform und des rechten | |
| Winkels, die Hinterfragung des vermeintlich Objektiven in der Gestaltung. | |
| Dabei waren sie immer wieder in Gruppenausstellungen vertreten, wie 1986 | |
| bei der wohl recht eklektisch-chaotischen Schau „Gefühlscollagen – Wohnen | |
| von Sinnen“ im Kunstmuseum Düsseldorf, bei denen Objekte wie das | |
| beschriebene Kung-Fu-Regal oder der „Schubladenstapel“, eine Kommode aus | |
| übereinandergestapelten Laden unterschiedlicher Dimension, unter allen | |
| Ausstellungsstücken die größte Resonanz entfachten. | |
| ## Ernstzunehmendes Design | |
| Richtig gemein gemacht haben sich beide aber nie mit einer Bewegung oder | |
| Gruppe – was vermutlich auch an ihrem grundsätzlichen Anarcho-Naturell | |
| gelegen haben dürfte, mit dem sie Kunst und Design, Praxis und Forschung | |
| sehr eigenwillig vermengten. So war denn auch längst nicht jeder Entwurf | |
| von praktischem Nutzen: Auf dem Fünf-Minuten-Stuhl aus gerolltem | |
| Kaninchendraht beispielsweise mochte man vermutlich ungern länger als im | |
| Namen angedeutet Platz nehmen. „Ob man auf einem Stuhl bequem (oder | |
| überhaupt) sitzen kann“, wurde so auch im Rahmen der Schau zu Protokoll | |
| gegeben, „ist für uns von sekundärer Bedeutung.“ | |
| Stattdessen propagierten Susi und Ueli Berger die Erforschung anderer | |
| Gestaltungsoptionen – emotionale Aspekte, Provokation, auch blanker Unsinn | |
| waren erst einmal gleichberechtigt neben allem anderen. Einige Erfindungen | |
| und Objekte, wie die „Keep Smiling“-Vorrichtung mit Widerhaken zum | |
| Hochziehen missmutiger Mundwinkel, erinnern nicht zufällig an die One | |
| Minute Sculptures des Bildhauers Erwin Wurm. | |
| Und trotzdem konnte daraus eben auch ganz, nun, ernstzunehmendes Design | |
| entstehen. Möbel, um die sich heute Sammler reißen, die zum Teil wieder | |
| aufgelegt werden (wie die Wolkenlampe). Aber der Gestaltungsprozess war | |
| eben ein völlig umgekehrter: Die Form folgte nicht der Funktion, sondern | |
| die Form bestimmte, welche Funktion später dann noch möglich war. | |
| „Verschmitzte Funktionalität“, nennt das Claude Lichtenstein im Buch | |
| treffend. | |
| ## An der Kunstgewerbeschule kennengelernt | |
| In der Praxis war selbstredend nicht alles immer so wie in der kess | |
| formulierten Theorie. Susi und Ueli Berger, die sich an der | |
| Kunstgewerbeschule kennenlernten, verstanden sich als Künstler wie auch als | |
| Gestalter, ihre Möbel gern als skulpturale Objekte, mit denen man auch | |
| wohnen kann. Gleichwohl hat Ueli Berger viele Jahre für große Schweizer | |
| Hersteller Produkte und Möbel entworfen, Susi Berger war als Grafikerin | |
| erfolgreich. | |
| Die gemeinsame Arbeit als Duo war vielleicht auch nötiges Ventil für alle | |
| Ideen, die anderweitig keinen Platz fanden – wobei auch hier fantastische, | |
| manchmal schön bescheuerte Dinge entstanden. Wie der „Fächermann“ für den | |
| Hersteller Röthlisberger, der heute jeden Bad-Taste-Preis gewinnen würde | |
| und den Susi Berger für die Zeitschrift Annabelle 1979 ironisch neben einer | |
| Paar-im-Kornfeld-Idylle inszeniert hat. | |
| Knapp die Hälfte der Entwürfe von Susi und Ueli Berger ging in Serie; | |
| einiges war aber ja auch nie dazu gedacht. Nur eine neue Idee, so das Credo | |
| des Duos, rechtfertige einen neuen Entwurf. Neben Skizzen und ausführlichen | |
| Anekdoten zu jedem einzelnen Objekt zeigt das Buch auch einige Ansichten | |
| aus dem Berger’schen Zuhause. Darin: Mehr schlecht als recht gestapelte | |
| Schriften im „Kung-Fu“, der voll befüllte Fächermann, ein giftgrüner „… | |
| Chair“ steht mitten im Zimmer zwischen Krimskrams. Obwohl sie nicht | |
| unbedingt durchweg praktisch sind, kann man offenbar sehr gut mit ihnen | |
| wohnen. | |
| 10 Feb 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina J. Cichosch | |
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