# taz.de -- Journalismus in Bangladesch: Auf einem anderen Planeten | |
> Unter Journalisten in Bangladesch herrscht ein Klima der Angst. | |
> Regierungskritik wird erschwert – auch bei der als manipuliert geltenden | |
> Parlamentswahl. | |
Bild: Was nütz einem die Zeitung, wenn nichts Kritisches drinsteht? Leser in D… | |
Dhaka taz | Mosabber Hossain scrollt auf seinem Rechner durch die | |
Facebook-Timeline. Man kann nicht genau sagen, ob es die getönten Scheiben | |
des Büroturms in Dhaka oder der Smog draußen sind, der im Hintergrund | |
Bangladeschs Hauptstadt vergilbt aussehen lässt. | |
Der Journalist ist auf der Suche nach Berichten, dass am Vortag ein | |
Kollege, der unter anderem für die Tageszeitung Dhaka Tribune arbeitete, | |
festgenommen wurde. Er hatte berichtet, dass bei den [1][Wahlen am 30. | |
Dezember] in einem Bezirk mehr Stimmen abgegeben worden sind, als dort | |
Wähler leben. Mosabber muss eine Weile suchen, bis er auf Facebook dazu | |
Protest findet. Es ist still geworden in Bangladesch. | |
Premierministerin Sheikh Hasina scheint sich nicht darauf verlassen zu | |
wollen, dass der eindrucksvolle wirtschaftliche Aufschwung, den sie ihrem | |
Land beschert hat, ihr die Macht sichern wird und regiert stattdessen immer | |
autoritärer. Die Opposition ist so gut wie ausgeschaltet, Kritiker | |
verschwinden spurlos, Medien werden eingeschüchtert. Kritik an der | |
„Heiligen Dreifaltigkeit“, wie es unter Journalisten in Bangladesch heißt … | |
der Premierministerin, ihrem Sohn oder ihrem Vater, dem Gründer der Nation, | |
ist schwierig. Manche sprechen vom Polizeistaat. | |
Auch Mossaber ist frustriert. Er arbeitet für Prothom Alo. Die Zeitung ist | |
nach Google und YouTube die beliebteste Webseite des Landes und gilt als | |
eine der unabhängigsten Zeitungen. So unabhängig es in Bangladesch eben | |
noch geht. Journalisten sagen, sie zensieren bis zu zwei Drittel der | |
Informationen, die sie zu bestimmten Themen haben. Mosabber sagt, ein | |
Parlamentarier habe ihm Geld angeboten, um sein Schweigen zu erkaufen. Er | |
weiß: „Nicht alle sagen nein.“ | |
## „Aggressive“ Informationen | |
2014 hat der Reporter internationale Preise für eine Recherche zu | |
Korruption in der Telekommunikationsbranche gewonnen. „Heute würde sich | |
niemand mehr trauen, so eine Geschichte zu veröffentlichen“, sagt er mit | |
versteinerter Miene. | |
Und auch das Recherchieren ist gefährlicher geworden. Im September | |
verabschiedete das Parlament den Digital Security Act. Demnach riskiert 14 | |
Jahre Haft, wer mit vertraulichen Dokumenten erwischt wird, die in | |
Verbindung mit der Regierung stehen. „Wie sollen wir so investigativen | |
Journalismus machen?“, fragt Mosabber. | |
Doch es geht bei Weitem nicht nur um brisante Recherchen. Auch für | |
Informationen, die als „aggressiv“ oder „Angst schürend“ eingestuft we… | |
kann Journalisten Gefängnis drohen. Internationale Menschenrechtler und | |
Journalisten-Organisationen wie das Committee to Protect Journalists | |
bezeichnen das als einen Angriff auf Bangladeschs Pressefreiheit. | |
Bangladesch solle sich stattdessen auf seine demokratischen Werte | |
zurückbesinnen. | |
Bangladeschische Journalisten hoffen darauf schon lange nicht mehr. | |
Stattdessen herrscht ein Klima der Angst, die Stimmung ist schlecht. Wer | |
weiß, was nach der als manipuliert geltenden Wahl in den Redaktionsräumen | |
mancher Zeitung geredet wurde und was am Ende in der Zeitung stand, wähnte | |
sich auf einem anderen Planeten. Während Stimmen der Opposition so gut wie | |
unauffindbar waren, räumte man der Regierungslinie umso mehr Platz ein. | |
## Kaum noch Solidarität unter Journalisten | |
„Jetzt, wo Sheikh Hasina und die Awami League noch einmal an die Macht | |
gekommen sind, werden sie uns das Leben erst recht schwerer machen“, glaubt | |
Qadaruddin Shishir. Bei welchem Fernsehsender er arbeitet, darf er nicht | |
öffentlich sagen, wenn er offen reden will. Viele Geschichten gebe er | |
inzwischen an Journalisten und Blogger weiter, die im Ausland sitzen und | |
von dort aus frei berichten können. „Meine Frau sagt immer, gib deinen | |
Beruf auf und wir können hier ein glückliches Leben führen“, sagt Shishir. | |
Aber das komme nicht in Frage. Eher noch gehe er ins Exil. „Ich kann | |
Ungerechtigkeit nicht ausstehen“, sagt er und verzieht das Gesicht. | |
Der junge Fernsehjournalist gründete vor zwei Jahren gemeinsam mit einem | |
Kollegen BD FactCheck, eine Plattform, die Fake News enttarnt. Dort weist | |
er zum Beispiel auf Berichte über Umfragen hin, die Zustimmung zur | |
Regierung suggerieren. „Dabei gibt es diese Institute oft gar nicht“, sagt | |
er und muss lachen. Oft bleibt den Journalisten in Bangladesch nichts | |
anderes, als es mit Humor zu nehmen. Kritik in sozialen Medien wird dann | |
hinter sarkastischen Kommentaren oder Fragen versteckt. | |
Organisationen wie der Presserat oder der nationale Presseclub seien | |
parteiisch, so Shishir. Wenn sie nicht sowieso schon in der Hand von | |
Regierungstreuen seien, kümmerten sie sich mehr um die Fehde zwischen | |
Opposition und Regierung als um den Zustand der Pressefreiheit. Eine | |
erbitterte Rivalität, die in Bangladesch Tradition hat und der teilweise | |
auch die Solidarität unter Journalisten zum Opfer fällt. | |
## „Zu 200 Prozent“ | |
Viele hätten sich außerdem kaufen lassen: „Statt sich wie echte | |
Journalisten für Meinungsfreiheit einzusetzen, interessiert viele meiner | |
Kollegen nur ihr eigener Vorteil“, wettert der Journalist. Jüngst habe der | |
Informationsminister Reportern nichts weniger als Eigentumswohnungen | |
versprochen. „Es ist unfassbar, aber die meisten finden das großartig und | |
schämen sich nicht einmal dafür.“ | |
Mosabbers Kollege Shahed Muhammad Ali, ein alter Hase und leitender | |
Redakteur bei Prothom Alo, nimmt den Zustand der Pressefreiheit in | |
Bangladesch sportlich. „Wenn es Wellen gibt, dann lernst du eben zu | |
surfen“, sagt er. Er schätzt, dass seine Zeitung nur 70 Prozent, von dem, | |
was es zu schreiben gäbe, auch tatsächlich schreibt. „Wir passen auf, was | |
wir sagen und wie wir es sagen. Aber wir gehen nie so weit, dass wir unsere | |
Unabhängigkeit aufs Spiel setzen würden.“ Manche Dinge müsse man ja auch | |
nicht direkt ansprechen. „Statt zu sagen, dass die Wahlen weder frei noch | |
fair waren, zeigen wir es“, sagt Shahed. „Die Leser ziehen ihre eigenen | |
Schlüsse. Das haben wir ihnen in den vergangenen Jahren beigebracht.“ | |
Besonders hart sei es gewesen, als bei Prothom Alo vor ein paar Jahren | |
Dutzende wichtige Anzeigenkunden weggefallen sind, nachdem die Regierung | |
sie unter Druck gesetzt hatte. Die Zeitung rechnete mit Einbußen von bis zu | |
30 Prozent. Doch am Ende machten viele neue Anzeigenkunden den Ausfall der | |
Großen fast wett. | |
Sein Beruf mache ihm trotzdem noch Spaß, sagt Shahed. „Zu 200 Prozent“, | |
sagt er kämpferisch und grinst. Dann verschwindet er hinter seinem | |
Schreibtisch. „Weiter geht’s.“ | |
3 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Verena Hölzl | |
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