# taz.de -- Verdächtig hoher Sieg in Bangladesch: Fast alle Sitze – „wieso… | |
> Bangladeschs regierende Awami-Liga gewinnt die Parlamentswahl. Allerdings | |
> viel zu haushoch für ein politisch dermaßen gespaltenes Land. | |
Bild: Und wieder Premierministerin in Bangladesch: Sheikh Hasina | |
Dhaka taz | Irgendwann kichern manche der anwesenden Journalisten dann doch | |
ein bisschen. Die Zahlen, die Vertreter der Wahlkommission vorlesen, sind | |
den entscheidenden Tick zu hoch, um nicht skeptisch zu machen. Wahlkreis | |
für Wahlkreis geht an die Awami League. Am Ende gewinnt die | |
Regierungspartei Bangladeschs Parlamentswahl vom Sonntag mit 288 von 300 | |
Sitzen. | |
„Wieso nicht?“, fragte Premierministerin Sheik Hasina, die sich [1][zum | |
dritten Mal in Folge die Macht gesichert hat]. In ihrer Residenz in Dhaka | |
verweist die 71-Jährige am Montagabend auf den auch von unabhängigen | |
Beobachtern als eindrucksvoll betrachteten wirtschaftlichen Fortschritt, | |
den Bangladesch in ihrer zehnjährigen Amtszeit gemacht habe. „Die Bürger | |
haben ihr Urteil gefällt“, sagt sie. | |
Die [2][Wahlen in dem 160-Millionen-Einwohner-Land] gelten als eine der | |
größten demokratischen Abstimmungen der Welt. Allerdings bestehen Zweifel | |
daran, wie demokratisch die Wahlen tatsächlich waren. Mitglieder der | |
Opposition behaupten, von Unterstützern der Regierung aus den Lokalen | |
hinausgeworfen worden zu sein. Die taz stand in Dhaka vor verschlossenen | |
Wahllokalen und beobachtete Einschüchterung von Wählern. | |
Vor einer Station in den Gassen von Old Dkaha drängte sich am Sonntag eine | |
Traube Wähler. „Hier gibt’s nichts zu sehen. Wir haben gerade gewählt“, | |
sagte einer. „Was redet ihr da?“, schimpfte eine Frau und lief wütend | |
davon. „Unsere Stimmen sind abgegeben worden, bevor wir überhaupt hier | |
waren.“ | |
## Opposition lehnt Wahlergebnis ab | |
Aufgebracht waren teilweise auch Unterstützer der Regierung. „Jemand hat an | |
meiner Stelle für die Regierung gestimmt“, sagte eine fassungslose Wählerin | |
mit bebender Stimme vor dem Kabi Nazrul Islam College in Old Dhaka. „Dabei | |
hätte ich das sowieso getan.“ | |
Vor einer anderen Wahlstation im Süden von Dhaka drängten sich rund | |
zwanzig wartende Jungs. Wie alt er denn sei, fragte die taz einen von | |
ihnen, der sich beschämt grinsend wegdrehte. „Sag nix“, raunte ihm ein | |
anderer ebenfalls auffällig jung aussehender Wähler. Aus dem Hintergrund | |
rief jemand „20“, ein anderer „23“. | |
Viele Wähler erschienen gar nicht. „Ich weiß Sinnvolleres mit meinem freien | |
Tag anzufangen“, sagte ein junger Bangladescher. | |
Die Opposition hat das Wahlergebnis abgelehnt und fordert Neuwahlen. „Wir | |
haben damit gerechnet, dass die Wahlen nicht frei und fair sein werden. | |
Aber das Ausmaß, mit dem die Regierung dieses Mal manipuliert hat, ist | |
jenseits von allem, was wir uns vorstellen konnten“, sagte Nazrul Islam | |
Khan, Mitglied des ständigen Ausschusses der Oppositionspartei BNP | |
(Bangladesh Nationalist Party), die von Sheik Hasina als „Terroristen“ | |
bezeichnet wurde. Die Awami League und die BNP verbindet eine enge | |
persönliche Feindschaft, die Bangladeschs Politik seit Jahrzehnten prägt. | |
Am Wahltag kamen bei Ausschreitungen zwischen Anhängern beider Parteien 17 | |
Menschen ums Leben. | |
## Angst vor Repressionen | |
Medien in Bangladesch äußern Kritik an den Wahlen nur verhalten. | |
Journalisten sagen, dass sie aus Angst vor Repression bis zu 80 Prozent | |
ihrer Geschichten zensieren. Auf Anweisung der staatlichen | |
Telekommunikationsbehörde gab es zum Zeitpunkt der Wahlen im ganzen Land | |
kein mobiles Internet. Dabei ist sowieso fraglich, wie viel unerwünschte | |
Nachrichten verbreitet worden wären. Ein neues Telekommunikationsgesetz | |
sorgt dafür, dass Kritik in den sozialen Medien vor allem scherzhaft | |
geäußert wird. „Kann mir bitte jemand sagen, ob meine Stimme schon | |
abgegeben wurde? Sonst bleibe ich nämlich direkt im Bett“, postete ein | |
Jurastudent auf Facebook. | |
Während die Regierungsanhänger jetzt euphorisch sind, gibt die Opposition | |
sich desillusioniert. Doch überrascht ist sie nicht. Die Studentenproteste | |
im Sommer, die breite Unterstützung in der Gesamtbevölkerung erhielten, | |
galten noch als Zeichen einer steigenden Unzufriedenheit. Aber jetzt „ist | |
Bangladesch zu einem Polizeistaat geworden“, sagt Menschenrechtsaktivist | |
Shahidul Alam. | |
1 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Verena Hölzl | |
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