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# taz.de -- Neues Buch von Nick Bostrom: Würde in der Matrix
> Der Blick des Philosophen und Politikberaters Nick Bostrom in die Zukunft
> gleicht einer Science-Fiction. Mit beängstigenden Implikationen.
Bild: Wer Veränderungen der eigenen Biochemie ablehnt, ist selbst schuld? Die …
Nick Bostrom gilt als einer der großen Visionäre unserer Zeit. Er berät die
britische Regierung in Sachen Künstliche Intelligenz, der Tech-Riese Elon
Musk zitiert ihn regelmäßig, im Silicon Valley besitzen manche seiner Ideen
Kultstatus. Bostrom leitet das Future of Humanity Institute der
Universität in Oxford, das sich zum Ziel gesetzt hat, mit den Mitteln der
Mathematik und der analytischen Philosophie zu „verstehen, welche
Überlegungen bestimmen, was für die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel
steht.“
Neben Veröffentlichungen zu philosophischen Spezialthemen ist Bostrom einem
breiteren Publikum durch eine Reihe mathematisch [1][hochpräziser
Zukunftsszenarien bekannt geworden]. Im Netz finden sich hübsch animierte
Videos dazu. Da ist zum Beispiel das Büroklammerszenario, bei dem eine „zu
gut“ funktionierende KI den Untergang der gesamten Menschheit einläuten
könnte. Diskussionen zu seiner Neuformulierung der Frage: „Leben wir in
einer Simulation?“ ziehen im Netz Millionen von Zuschauern an.
Bostroms „Superintelligenz“ (2016) gilt als Standardwerk über die
potenziell disruptiven Folgen einer Explosion künstlicher Intelligenz. Eine
neue Sammlung seiner Essays wendet sich nun auch konkreten Fragen der
Bioethik zu. Sein „Plädoyer für eine posthumane Würde“ ist ein Aufruf f�…
mehr Offenheit in der Diskussion um gentechnische Veränderungen am
Menschen. Dafür, so Bostrom, sollten „keine strikteren Maßstäbe als für
andere menschliche Transformationen wie etwa Migration, Berufswechsel oder
religiöse Bekehrungen“ gelten.
Ob gezielte Verbesserungen unserer Gesundheit und körperlichen
Konstitution, die Steigerung unserer kognitiven oder emotiven Fähigkeiten:
für den bekennenden Transhumanisten hängt eine gelungene „Transformation“
allein vom Willen Einzelner ab.
Ausgehend von einer Reformulierung der Würde als „Qualität“, die auf der
alltagssprachlichen Unterscheidung zwischen würdevollem und -losem
Verhalten beruht, entwickelt Bostrom eine utilitaristische Ethik
individueller Lebensentscheidungen. Menschliche Würde also als Zuschreibung
statt als unveräußerliche Eigenschaft, wie es die humanistische Lehre
predigt. Eine provokante These, die ihm schnell den Vorwurf der
Menschenfeindlichkeit einbringen dürfte. Aber offen gesagt kein schlechter
Weg, um zu zeigen, dass eine conditio posthumana nicht zwangsläufig
unmoralisch sein muss.
## „Kreativ, originell, exzentrisch“
Weniger schlüssig beantwortet Bostrom dagegen die Frage, ab wann die
technische Möglichkeit einer medizinischen Behandlung ihr eine ethische
Notwendigkeit zukommen lässt. Denn es ließe sich einwenden, dass eine Lehre
vom richtigen Handeln nicht schlicht technologisch determiniert wird,
sondern auch von politisch-sozialen Faktoren.
So besaß die Heilung der Kranken in den westlichen Gesellschaften der
letzten 200 Jahre stets ein egalitäres Moment. Krankheit galt als
Negativabweichung einer klar definierten Norm. Medizinische Behandlung
hatte zum Ziel, gleiche Lebensbedingungen für alle herzustellen, was dem
humanistischen Menschenbild seiner Zeit entsprach und es im Umkehrschluss
weiterprägte.
Die Zukunft aber ist ungewiss. Gut möglich, dass verbessernde Eingriffe ins
menschliche System die Lücke zwischen Durchschnitt und ihrer – diesmal
positiven – Abweichung drastisch vergrößern, statt sie zu schließen.
Bostrom hält es nicht für nötig, diesbezüglich konkrete ethische Kategorien
einzuführen.
Dazu kommt, dass seine Beispiele körperlicher Mehrbefähigung: ein besseres
Gedächtnis, ein reicheres Liebesleben – in seiner Diktion, alles was uns
„kreativ, originell, exzentrisch“ sein lässt – nicht die Sprache der alt…
Normalisierungstendenzen sprechen, sondern eher die eines
Überbietungskampfs.
## Liberaler Selbstwiderspruch
Ohne es zu merken, stößt er damit an die Grenzen eines Menschenbilds, das
zwar einen autonomen Willen voraussetzt, sich aber gleichzeitig dazu
befähigt sieht, den Einzelnen seiner Würde zu berauben. Es ist dies Teil
eines größeren liberalen Selbstwiderspruchs, wie er im Werk so
unterschiedlicher Autoren wie Karl Popper, Francis Fukuyama und Yuval Noah
Harari verhandelt wird, der aber die meisten Vordenker des digitalen
Wandels in der Regel kalt lässt.
Bostroms unbedingt politisch zu nehmende Pointe jedenfalls ist eindeutig:
Wer Veränderungen der eigenen Biochemie ablehnt, ist zweifellos selbst
schuld und könnte in Zukunft als würdelos gelten. Zweifellos wäre es besser
für uns, Bostrom beließe es bei den Zukunftsszenarien.
27 Jan 2019
## LINKS
[1] /Kuenstliche-Intelligenz/!5321037
## AUTOREN
Frederic Jage-Bowler
## TAGS
Nick Bostrom
Menschenwürde
Moral
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Nick Bostrom
Cyborg
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