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# taz.de -- Die Wahrheit: Brennpunkt im Schnee
> Meteorologisch bedingte Sendungsformate in Endlosschleifen vermüllen
> unsere deutsche Fernsehlandschaft.
Bild: Relotius-Darsteller Matthias Schweighöfer übt die Kunst der Wiederbeleb…
Es schneit. Im Januar. In Bayern. Und da es im Januar in Bayern mehrere
Tage hintereinander schneit, gibt es auch jeden Tag eine
„Brennpunkt“-Sendung in der ARD.
Dort zeigt man uns Schnee. Die Lage ist dramatisch. Der Schnee ist weiß und
fällt vom Himmel. Da der Schnee gemeinerweise völlig unkontrolliert auf die
Straße fällt, muss man ihn wegmachen, damit man mit dem Auto fahren kann.
Wenn man das nicht gründlich genug schafft, wird die Straße gesperrt. Dann
kann darauf kein Auto fahren und die Leute müssen in Gottes Namen mal einen
Tag zu Hause bleiben. Alles Selbstverständlichkeiten, sollte man meinen,
für die eine Lebenserfahrung vom fünften Geburtstag an aufwärts genügt, um
ohne „Brennpunkt“ klarzukommen.
Der „Brennpunkt“ ist die Geheimwaffe des Senders gegen Sommer- und
Winterloch. Menschen mit Mützen stehen in verschneiter Landschaft vor
verschneiten Bäumen. Schau an, auch auf denen bleibt der Schnee einfach so
liegen. Hätte man nicht gedacht, was für ein Hexenwerk der Natur. „Viel
Schnee“, sagen die Leute, „huiuiui.“ Dann gehen sie wieder ins Haus zurü…
Des Weiteren sieht man Personen auf schneebedeckten Dächern herumhampeln
und den Schnee herunterschippen. Das ist vernünftig, denn die Dächer würden
sonst unter der Last zusammenbrechen, logisch. Also alles richtig gemacht,
alles ganz normal und nicht weiter der Rede wert. Der „Brennpunkt“ findet
das aber doch. Es regnet. „Brennpunkt“: Bürger, die den Schirm aufspannen.
Es hört auf zu regnen. „Brennpunkt“: Bürger, die den Schirm zuklappen. Die
Sonne scheint. „Brennpunkt“: Bürger, die die Sonnenbrille aufsetzen. Nichts
passiert. „Brennpunkt“: Mein Fahrrad ist umgefallen, und scheißen muss ich
auch.
In all seiner penetranten Redundanz weiß sich der „Brennpunkt“ in direkter
Rechtsnachfolge zur „Wochenschau“ im Dritten Reich. Da lief auch jeden Tag
dasselbe. Als nach dem Krieg das Fernsehen langsam Einzug in die
Privathaushalte hielt, brach dennoch eine Phase der relativen Vernunft an.
Wenn man mittags noch nichts oder nachts nichts mehr von Relevanz zu zeigen
hatte, sendete man das sogenannte Testbild.
Doch spätestens mit der Einführung des Privatfernsehens war Schluss mit der
vornehmen Zurückhaltung. Die Menschen ertrugen keine Stille mehr. Wenn nur
eine Sekunde lang keiner mehr schrie, lärmte oder seierte, wurden sie
unruhig und zu einer Gefahr für sich und andere.
Und nichts eignet sich für diese brüllend bunte Leere besser als der
„Brennpunkt“. Der „Brennpunkt“ ist „die Sendung mit der Maus“ für
Erwachsene, die schon das Original nicht verstanden haben. Das Dankbare am
Wetter für die Macher ist: Es gibt jeden Tag ein neues, und damit auch
einen neuen „Brennpunkt“: In Bayern hat es aufgehört zu schneien.
„Brennpunkt“: Der Schnee schmilzt. „Brennpunkt“: Es fängt wieder an, zu
schneien. Im Januar. In Bayern …
17 Jan 2019
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Schnee
Bayern
ARD
Claas Relotius
Youtube
Weihnachten
BILD
Stars
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