| # taz.de -- Dinge des Jahres 2018: Der Echo kann einpacken | |
| > 2018 war für den Echo das letzte Jahr. Weil Farid Bang und Kollegah ihn | |
| > für gerappten Antisemitismus erhielten, wurde er abgeschafft. | |
| Bild: Farid Bang und Kollegah mit ihren Echos | |
| Die Geschichte des Musikpreises Echo war von Anfang die Geschichte eines | |
| großen Missverständnisses. Als der Pianist Igor Levit am 16. April 2018 zur | |
| Post ging, war diese Geschichte beinahe beendet. Levit hatte seinen Echo | |
| mit dabei, eine Trophäe aus Bronze, Messing und Stahl, vollvernickelt, 45 | |
| Zentimeter hoch, 2,5 Kilo schwer. Er steckte ihn in ein Paket zum | |
| Selberfalten und schickte ihn zurück an den Bundesverband Musikindustrie, | |
| jenen Branchenverband, der den Preis seit 1992 verliehen hatte. | |
| Levit tat, was kurz zuvor der Musiker Klaus Voormann getan und womit das | |
| Notos Quartett angefangen hatte: [1][Sie gaben ihre Echos zurück], weil sie | |
| nichts mehr mit dem Preis zu tun haben wollten. Sie hielten es nicht aus, | |
| dass am Abend des 12. April 2018 die Musiker [2][Farid Bang und Kollegah | |
| für gerappten Antisemitismus einen Echo bekamen], den in der Kategorie | |
| Hip-Hop/Urban National für das Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“, in | |
| einem Song – nur ein Beispiel – die Zeile: „Mein Körper definierter als … | |
| Auschwitzinsassen“. | |
| Das sorgte während der Verleihung für Gemurre, Tote-Hosen-Mann Campino | |
| schimpfte, Peter Maffay verließ die Show. Der Protest schwoll an, nie hatte | |
| der Echo seinen windigen Charakter ungeschönter herausgestellt: Den eines | |
| Preises, der auf Verkaufszahlen basiert, nicht auf der künstlerischen | |
| Leistung. | |
| ## Seltener Künstlertyp, der sich politisch äußert | |
| Manchmal mögen Verkaufserfolg und Kunst zusammen fallen, die Regel ist das | |
| nicht. Man stelle sich nur mal vor, das derzeit bestverkaufte Sachbuch | |
| würde allein der Zahlen wegen einen Preis bekommen, die Verleihung im | |
| Fernsehen übertragen werden, wer da dann alles aufträte … nein, man stelle | |
| sich das lieber doch nicht vor. | |
| Igor Levit war schon vorher nicht nur einer, den FAZ-Kritikerin Eleonore | |
| Büning zum „Jahrhundertpianisten“ erkoren hatte, sondern auch Vertreter des | |
| seltenen Künstlertypus, der sich politisch äußert, Levit tut dies | |
| vornehmlich via Twitter – mit hoher Durchdringungskraft. | |
| „Antisemitischen Parolen eine solche Plattform und Auszeichnung zu geben | |
| ist unerträglich“, schrieb er in einem Statement, dahinter konnte niemand | |
| zurück, und es wurden dann immer mehr, die ihren Preis zurückgaben: Marius | |
| Müller-Westernhagen alle seine sieben Echos, darunter einen fürs | |
| Lebenswerk, Daniel Barenboim, die Berliner Staatskapelle, das | |
| West-Eastern-Divan-Orchester und einige mehr. Auch zogen sich ein | |
| Automobil- und ein Safthersteller als Sponsoren zurück. | |
| Am 25. April schaffte der Musikindustrieverband den Echo ab. Ein | |
| „großartiger Preis“ sei er gewesen und „zentrales Branchenevent“, nun … | |
| nicht mehr tragbar. Die beiden Rapper reisten auf Initiative des | |
| Internationalen Auschwitz Komitees an den Ort der monströsen Tat und legten | |
| Blumen nieder. | |
| Fraglich aber, was der Skandal bewirkt hat. Die | |
| Branchenpreisauszeichnungsmaschinerie wurde einmal grell ausgeleuchtet. | |
| Manche Künstler entrümpelten ihre Regale oder Abstellkammern, manche | |
| wollten, ernsthaft aufgeschreckt, etwas verändern. Ein Preis weniger. | |
| Und der Antisemitismus? Grassiert weiter. | |
| 31 Dec 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Felix Zimmermann | |
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| Klassische Musik | |
| Dinge des Jahres 2018 | |
| Chris Dercon | |
| Pianist | |
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