| # taz.de -- Klimagipfel in Kattowitz: Weltrettung geht alle an | |
| > Die Konferenz von Kattowitz endet: Ab 2024 gelten weltweit gleiche | |
| > Klimaschutz-Standards. Die großen Verschmutzer bewegen sich kaum. | |
| Bild: Daumen Hoch: TeilnehmerInnen des Klimagipfels freuen sich über den Besch… | |
| Kattowitz taz | Zumindest in Kattowitz wurde am späten Samstagabend die | |
| Erderwärmung gestoppt: Als der Präsident der 24. Klimakonferenz, Michal | |
| Kurtyka, um 21.53 Uhr den Hammer fallen ließ, begann es vor der Halle | |
| kräftig zu schneien. Dann erhoben sich die Delegierten zum Applaus: Gerade | |
| hatten sie das 133-seitige „Regelbuch“ verabschiedet, mit dem ab 2024 alle | |
| Staaten der Welt nach den gleichen Mindestregeln verbindlich über ihre | |
| Anstrengungen zum Klimaschutz berichten müssen. | |
| Die Konferenz war mit einem Erfolg zu Ende gegangen. Das hatte lange nicht | |
| so ausgesehen. Erst war dem Präsidenten Kurtyka von vielen Seiten schwache | |
| Verhandlungsführung vorgehalten worden. Dann hatte sich am letzten Tag noch | |
| einmal gezeigt, wie absurd diese Treffen sein können: Wegen Einsprüchen aus | |
| Brasilien und der Türkei war die Tagung praktisch einen ganzen Tag | |
| blockiert – bis dann alles einfach ins nächste Jahr vertagt wurde, wenn die | |
| Klimakonferenz in Chile stattfindet. | |
| Dann aber feierten alle das Ergebnis. Kurtyka erklärte den Delegierten, sie | |
| „könnten stolz sein auf das Regelbuch, das sie in den drei Jahren seit dem | |
| Pariser Abkommen erreicht haben.“ Bisher galt die Transparenz nur für die | |
| Länder des „Kyoto-Protokolls“, die nur noch 15 Prozent der weltweiten | |
| Emissionen ausmachen. „Zum ersten Mal lässt sich beim Klimaschutz nicht nur | |
| die halbe, sondern die ganze Welt in die Karten schauen“, sagte eine | |
| erleichterte Bundesumweltministerin Svenja Schulze. „Wir senden das Signal, | |
| dass wir beim Klimaschutz nicht stehenbleiben dürfen, sondern gemeinsam | |
| immer besser werden müssen.“ | |
| „Mein Wunsch zu Weihnachten war ein Regelbuch, das habe ich bekommen“, | |
| sagte Schulze. Das „Regelbuch“ ist selbst nach Meinung von Umweltschützern | |
| gut gelungen. „Diese gemeinsamen Regeln sind sehr wichtig“, sagte Jennifer | |
| Morgan, Chefin von Greenpeace international. „Wer hätte vor fünfJahren | |
| geglaubt, dass sich China, die USA oder Brasilien an die gleichen Regeln | |
| halten müssen. Jetzt können wir bald sehen, wer es ernst meint und wer | |
| nicht.“ Sie kritisierte allerdings Europa und Deutschland, weil sie nicht | |
| mehr Anstrengung beim Klimaschutz zeigen. | |
| ## Stets große Worte | |
| Das „Regelbuch“ legt detailliert fest, in welchen Bereichen die Staaten | |
| alle zwei Jahre welche Treibhausgase nach welchen Methoden anzeigen müssen. | |
| Eng definierte Ausnahmen gibt es nur für „Länder, die es im Licht ihrer | |
| Möglichkeiten brauchen“ – also die ärmsten Staaten. Damit können sich | |
| aufstrebende Schwellenländer wie China oder Indien, deren Emissionen schon | |
| lange die alten Industriestaaten überflügelt haben, nicht mehr aus der | |
| Verantwortung stehlen. | |
| Rechenschaft über ihre Fortschritte müssen die Staaten alle fünf Jahre bei | |
| einer „globalen Bestandsaufnahme“ liefern. In Kattowitz gab es dafür mit | |
| mäßigem Erfolg einen Testlauf, genannt „Talanoa-Dialog“, wo MinisterInnen, | |
| Unternehmen und ForscherInnen ihre Erfahrungen austauschten. In Zukunft | |
| soll dabei auch über die „Schäden und Verluste“ gesprochen werden, die | |
| Entwicklungsländer seit langem erleiden. Den verwundbaren Staaten ist | |
| dieses Thema sehr wichtig, wie sie mehrfach lautstark in Kattowitz klar | |
| machten. | |
| Echte Zusagen oder mehr Geld dafür gab es aber nicht. Die Industrieländer | |
| wiederholten nur ihre Zusage, dass ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden Dollar | |
| mobilisiert werden sollen. Und sie starteten die Neuauffüllung des „Grünen | |
| Klimafonds“, in den Deutschland seinen Beitrag auf 1,5 Milliarden für vier | |
| Jahre verdoppelte. Die reichen Länder sollen in Zukunft besser darüber | |
| berichten, wie das Geld zusammenkommen soll. Und vor allem wollen die | |
| Staaten mehr darüber reden, wie die Billionen in umweltfreundliche Projekte | |
| umgeleitet werden können, die heute noch in Gas, Öl und Kohle fließen. | |
| Die Industriestaaten sind zufrieden, die armen Länder haben außer starken | |
| Regeln wenig bekommen. Beim Thema „mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz“ haben | |
| sich die großen Verschmutzer kaum bewegt. So formierte sich zwar unter | |
| Führung der EU wieder die „Koalition der hohen Ambition“ von 107 Staaten, | |
| darunter viele Entwicklungsländer, um „für das 1,5-Grad-Ziel zu kämpfen“, | |
| wie es in zwei Veranstaltungen hieß. Aber daraus folgt erst einmal nicht | |
| viel. Bisher haben nur sehr wenige Länder angekündigt, ihre Klimapläne bis | |
| 2020 zu verschärfen. In der EU würde das die Kommission gern tun, die | |
| Länder lassen sie aber nicht. Und Deutschland ist ein schlechtes Vorbild, | |
| wie man ein ehrgeiziges Ziel setzt, es dann aber mit 32 statt 40 Prozent | |
| deutlich verfehlt. | |
| ## Ehrgeiz versus Routine | |
| UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat für nächsten September die | |
| Staatschefs zu einem Klimagipfel nach New York eingeladen, um mehr Ehrgeiz | |
| beim Klimaschutz zu zeigen. „Dabei habe ich fünf Prioritäten“, erklärte … | |
| „Ehrgeiz, Ehrgeiz, Ehrgeiz, Ehrgeiz und Ehrgeiz.“ Am Beginn des Treffens | |
| hatte Guterres gemahnt: „Wir sind nicht auf dem richtigen Weg“. Auch Alden | |
| Meyers vom Klimanetzwerk CAN begrüßte in Kattowitz das „Regelbuch“, warnte | |
| aber vor zu vielen warmen Worten. „Jetzt brauchen wir aber echte Aktionen | |
| beim Klimaschutz, mit echtem Geld und echtem Ehrgeiz.“ | |
| Auf der Konferenz hatten die 196 Staaten davon wenig gezeigt. Sie | |
| registrierten einen [1][alarmierenden Bericht des UN-Klimarats IPCC zum | |
| 1,5-Grad-Ziel nur mit Routine.] Wolle die Welt diese Grenze einhalten, | |
| müsse schnell und radikal gehandelt werden, die Emissionen bis 2030 | |
| praktisch halbiert werden. Doch der Report wurde auf der Konferenz | |
| stiefmütterlich behandelt: Zur Halbzeit verhinderte eine Koalition aus den | |
| Ölländern USA, Saudi Arabien, Russland und Kuwait, dass die Konferenz den | |
| Bericht „willkommen hieß“. Auch in der Schlusserklärung wird den Forschern | |
| nur für ihre Arbeit gedankt. | |
| Freuen können sich die großen Verschmutzer dagegen über ein neues | |
| „Kattowitz-Kommission für Strukturwandel.“ Die Arbeitsgruppe soll | |
| untersuchen, wie der Ausstieg aus den fossilen Energien Regionen und Jobs | |
| beeinträchtigt. Hier könnten die Kohle- und Ölländer davor warnen, es mit | |
| dem Klimaschutz zu ernst zu meinen. | |
| 16 Dec 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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