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# taz.de -- Allheilmittel für Böden und Klima?: Pflanzenkohle als Retter
> Der Weltklimarat sieht die Pyrolyse von Pflanzen zu Kohle als
> aussichtsreiche Technologie, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen.
Bild: Pflanzenkohle ist ein exzellenter CO2-Binder und erhöht gleichzeitig die…
Berlin taz | Wenn die Erderhitzung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll,
müssen in diesem Jahrhundert mehrere hundert Gigatonnen des Treibhausgases
CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Das sei machbar, aber extrem
ehrgeizig – so die Botschaft des jüngsten [1][Berichts des Weltklimarats
IPCC].
Doch wie beseitigt man solche gigantischen Mengen CO2? Die im IPCC
zusammengeschlossenen WissenschaftlerInnen führen dafür verschiedene
Techniken auf, etwa Aufforstungen, Renaturierung von Wäldern und
Landgebieten, Verbrennung von Biomasse in industriellen Prozessen mit
anschließender Abscheidung und Speicherung ihres dabei entstehenden CO2
(BECCS) – und die Erhöhung des Kohlenstoffgehalts in Böden.
Durch Letzteres entstünden „Co-benefits“ wie „erhöhte Biodiversität,
Bodenfruchtbarkeit und lokale Ernährungssicherheit“, lobt der IPCC. Und
verweist auf zwei neue wissenschaftliche Studien, die die Geisenheimer
Ökologin Claudia Kammann, der Potsdamer Klimaforscher Wolfgang Lucht mit
seiner Kollegin Constanze Werner sowie Hans-Peter Schmidt vom Schweizer
Ithaka-Institut und anderen erstellt haben.
Das Ithaka-Institut experimentiert schon seit einiger Zeit mit
Pflanzenkohle – auf seinem Forschungsweinberg im Schweizer Wallis und in
Waldgärten in Nepal, Bangladesch, Kuba und anderswo. Pflanzenkohle wird
gewonnen, indem Biomasse – Holz, Zweige, Erntereste, Reisspelzen und vieles
mehr – bei hohen Temperaturen verkohlt wird. Bei diesem Prozess, Pyrolyse
genannt, wird der darin enthaltene Kohlenstoff in eine Form umgewandelt,
die für viele Jahrhunderte in Böden und Baumaterialien gespeichert werden
kann.
Damit wird verhindert, dass das CO2, das sonst beim Verrotten pflanzlichen
Materials freigesetzt wird, in die Atmosphäre gelangt. Eins der
Pyrolyseprodukte ist hochporöse Pflanzenkohle. Ein Kilogramm davon bindet
den Kohlenstoff aus drei Kilogramm CO2. Im Erdreich wird daraus „Terra
Preta“, eine jahrhundertelang stabile Schwarzerde, mit der Indigene einst
ihre Waldgärten am Amazonas fruchtbar machten.
In den beiden Studien geht es um das Potenzial von Pflanzenkohle als
Klimaretter. Sie kann nicht nur dem Humusverlust entgegenwirken, indem sie
Kohlenstoff in den Boden zurückbringt. Die erste Studie von 2017 zeigt,
dass sie auch Methan und Lachgas entscheidend reduzieren kann, die 25-
beziehungsweise 300-mal so klimaschädlich sind wie CO2. Lachgas wird unter
anderem frei, wenn überdüngte Böden durch schwere Traktoren verdichtet
werden. Pflanzenkohle aber verbessert die Bodenqualität und verringert
Lachgasemissionen.
In Reisfeldern kann Pflanzenkohle doppelt segensreich wirken, nämlich
Methan reduzieren und Ernten erhöhen. Und als Zusatz im Tierfutter wirkt
sie ebenfalls doppelt: Sie verbessert die Gesundheit der Tiere und
reduziert deren Methan-Emissionen. Übrigens kennen auch Menschen den
Heileffekt reiner Kohle bei Darmerkrankungen.
Würde das Futter des globalen Tierbestandes ein Prozent Pflanzenkohle
enthalten, könnte das laut Studie 1,2 Prozent der Treibhausgase
kompensieren. Zu den noch weitaus größeren klimapositiven Effekten der
Pflanzenkohle im Boden gibt es im Text leider keine Mengenabschätzungen.
## „PyCCS“ ist auch in kleinem Maßstab anwendbar
Die zweite Studie untersucht das Klimapotenzial sämtlicher
Pyrolyseprodukte. Neben Pflanzenkohle entstehen dabei biologische Öle und
Gase. Diese können nicht nur für Baumaterial oder Bioplastik verwendet,
sondern auch unterirdisch gespeichert werden, etwa in früheren Erdöllagern.
Größter Vorteil dieses als PyCCS bezeichneten Verfahrens („Pyrogenic carbon
capture and storage“) ist, dass es auch im kleinen Maßstab anwendbar und
viel ökologischer ist als die weitgehend unerprobte Abscheidung und
Lagerung von CO2 (CCS) und die industrielle Biomasse-Verwertung (BECCS).
Auf diese Weise könnte PyCCS tatsächlich einen großen Anteil des
überschüssigen CO2 aus der Atmosphäre kompensieren.
Mitautorin Constanze Werner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
hält PyCCS insgesamt für eine „vielversprechende Methode“. Pflanzenkohle
habe in der Klimaforschung bislang noch nicht die Berücksichtigung
gefunden, die sie verdiene, aber das werde sich wohl bald ändern – wenn die
dafür nötige Biomasse nachhaltig angebaut werde. Zudem sei sie „eine der
wenigen Techniken, die man auch schon kurzfristig anwenden kann“.
6 Dec 2018
## LINKS
[1] https://www.de-ipcc.de/256.php
## AUTOREN
Ute Scheub
## TAGS
Erderwärmung
CO2
Schwerpunkt Klimawandel
Brasilien
Forschungsprogramm
Schwerpunkt Klimawandel
Kohleausstieg
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