# taz.de -- Gewalteskalation im Westjordanland: Bushaltestellen mit Panzerglas | |
> Vor zwei Tagen erschossen israelische Soldaten zwei Palästinenser im | |
> autonomen Ramallah. Einer von ihnen hatte eine Hochschwangere getötet. | |
Bild: Vermummter Palästinenser mit Steinschleuder bei Ramallah | |
„Rache, Rache – Al-Kassam-Brigaden“ rufen einige tausend Demonstranten in | |
Ramallah nach dem Tod zweier ihrer Helden. Ashraf Naalwa und Saleh | |
Barghouti sind bei der Verfolgungsjagd am Donnerstag von israelischen | |
Soldaten erschossen worden. Naalwa tötete im Oktober zwei Israelis, | |
Barghouti schoss am Sonntag auf eine hochschwangere Frau. Ihr Baby musste | |
per Kaiserschnitt geholt werden und starb drei Tage später. | |
„Das palästinensische Volk ist bereit, sich zu opfern für unser Ziel: die | |
Befreiung von der Besatzung“, frohlockt Hassan Jussuf, Hamas-Mitbegründer | |
und einer der führenden Köpfe der islamistischen Bewegung im | |
Westjordanland. [1][Für die Hamas] ist die neue Serie von Attentaten, | |
Razzien und Demonstrationen eine gute Nachricht. [2][Der Widerstand geht | |
weiter], wenn nicht in Gaza, wo seit vier Wochen der Waffenstillstand hält, | |
dann doch im Westjordanland. Sogar die Fatah, die hier das Sagen hat, | |
würdigt die Kämpfer der gegnerischen Partei. „Ich bete für die Seelen der | |
gerechten Märtyrer“, twitterte Regierungschef Rami Hamdallah. | |
Das Volk zürnt, und die Fatah kümmert sich wenig um eine Beruhigung, | |
obschon die Polizei der Palästinensischen Autonomiebehörde zur Kooperation | |
mit Israels Militär verpflichtet ist. „Dem palästinensischen Volk wird | |
brutales Leid von der faschistischen barbarischen Regierung Netanjahus | |
zugefügt“, erklärte Fatah-Funktionär Kadura Fares in Ramallah die | |
Aufregung, die radikale Siedler zusätzlich anfachten. Plakate an einer | |
Kreuzung im nördlichen Westjordanland fordern dazu auf, | |
[3][Palästinenserpräsident Mahmud Abbas], „den Finanzier des Terrors“, zu | |
töten. | |
Ramallah ist A-Zone, autonomes palästinensisches Gebiet. Trotzdem sperrte | |
die Armee die Zufahrt zur Stadt ab. Seit Tagen schon ziehen israelische | |
Soldaten durch die Straßen. „Am helllichten Tag sind sie hier“, schimpft | |
eine Passantin keine hundert Meter von der Mukataa, dem Sitz von Präsident | |
Abbas, entfernt, was sie als „Demütigung“ empfindet und als „Verletzung … | |
Abkommen“. | |
## Jeder sieht sich im Recht | |
Die Soldaten drangen in die Räume einer Nachrichtenagentur ein, | |
durchsuchten das Hauptquartier des palästinensischen Olympischen Komitees | |
und statteten auch dem Büro von Hassan Jussuf einen Besuch ab. „Nur die | |
Überwachungskameras“ hätten sie mitgenommen, berichtet eine Mitarbeiterin. | |
Die Attentate, so kommentiert Jussuf, seien Folge der Razzien und | |
Menschenrechtsverletzungen. „Was erwarten sie (die Israelis)?“ Natürlich | |
habe die Besatzung „Konsequenzen“. Erst wenn Palästina befreit sei, „wird | |
kein Blut mehr fließen“. | |
Den israelischen Demonstranten, die sich am Donnerstagabend vor dem | |
Regierungssitz in Jerusalem versammelten, schwebt anderes vor. „Jüdisches | |
Blut ist nicht wertlos“, riefen die Siedler, die dem Protestaufruf der | |
jüdischen Ortsverwaltungen im Westjordanland gefolgt waren. Die richtige | |
Antwort auf den neuen Terror sei, neue Siedlungen zu genehmigen, wild | |
errichtete rückwirkend zu legalisieren, mehr Straßensperren und ein | |
härteres Vorgehen gegen die Hamas auch mit gezielten Hinrichtungen der | |
Rädelsführer. | |
„Vielleicht sollte man die Bushaltestellen mit Panzerglas versehen“, | |
schlägt Haim Silberstein vor, der Großvater des getöteten Babys. Seine | |
Tochter hatte an der Hauptstraße, die ihre Siedlung mit Jerusalem | |
verbindet, auf eine Mitfahrgelegenheit gewartet, als Barghouti auf sie | |
schoss. „Auf keinen Fall dürfen wir Schwäche zeigen“, meint Silberstein. | |
Benjamin Netanjahu versprach, die Familienhäuser der Terroristen „binnen 48 | |
Stunden“ niederreißen zu lassen. Außerdem will er den [4][Siedlungsbau] | |
noch stärker vorantreiben. | |
14 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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