# taz.de -- Lokale Berichterstattung: Was von der „Zeit“ übrig bleibt | |
> Der Hamburg-Teil der „Zeit“ erscheint nach knapp fünf Jahren nur noch | |
> monatlich statt wöchentlich. Die Redaktion begründet das mit ihrem | |
> Aktualitätsproblem. | |
Bild: Wenn weniger mehr ist: Die „Zeit Hamburg“ war 2014 als wöchentliche … | |
HAMBURG taz | Die Fähigkeit, unschöne Nachrichten als die allerbesten zu | |
verkaufen, haben Medienhäuser in den vergangenen Jahren zur Perfektion | |
entwickelt. Ob Redakteure entlassen oder ganze Redaktionsstandorte | |
aufgegeben werden – oft geht das mit dem Versprechen einher, das jeweilige | |
Medienprodukt werde mit weniger Leuten „noch besser“. | |
Das Team, das die im April 2014 erstmals erschienene Hamburg-Beilage der | |
Wochenzeitung Die Zeit produziert, wird glücklicherweise nicht kleiner, | |
vielmehr werden dort 2019 „so viele Journalisten arbeiten wie noch nie“, | |
wie die Ressortleiter Kilian Trotier und Marc Widmann in der letzten | |
Ausgabe vor Weihnachten mitteilten. Aber das Motto „Weniger ist mehr“ wird | |
auch dort gerade wortreich zelebriert. | |
Obwohl der Hamburg-Teil ab 2019 in gedruckter Form nicht mehr jeden | |
Donnerstag erscheint, sondern nur noch am letzten Donnerstag im Monat, | |
stellen die Autoren heraus, dass die Beilage künftig „so dick“ sein werde | |
„wie noch nie“ – „mit einem Umfang von 20 bis 24 Seiten“. Man kann ab… | |
auch anders rechnen: Statt monatlich 32 Seiten bis 40 Seiten (der | |
wöchentliche Teil hatte acht) gibt es ab Januar wesentlich weniger. | |
## Redaktion will „tiefe Recherchen liefern“ | |
Künftig will die Redaktion „zuallererst tiefe Recherchen liefern“. Man | |
werde „so viel Zeit für die Recherche haben wie nie zuvor“. Ob eine | |
monatliche Erscheinungsweise ideal ist, um „tiefe Recherchen“ unters Volk | |
zu bringen, ist allerdings eine andere Frage, denn manchmal sind Recherchen | |
ja eine verderbliche Ware. Trotier und Widmann schreiben, sie hätten „über | |
die Jahre gemerkt, dass uns der wöchentliche Rhythmus vor eine | |
Herausforderung stellt: Es war nicht immer leicht, so aktuell zu sein, wie | |
Sie es von uns erwarten. Viele Ereignisse konnten wir nicht | |
berücksichtigen, weil unsere Ausgabe schon am Dienstagnachmittag in Druck | |
ging. Am schmerzlichsten wurde uns das beim Tod von Helmut Schmidt bewusst. | |
Er starb an einem Dienstag“. | |
Nun wird niemand den Schmerz kleinreden wollen, den der Tod des | |
Zeit-Herausgebers und Hausgotts Schmidt bei den Hamburg-Redakteuren | |
ausgelöst hat, aber die angesprochene „Herausforderung“ wird ja künftig | |
nicht kleiner. Die implizite These, dass es ausgerechnet dann, wenn man | |
monatlich erscheint, leichter wird, „so aktuell zu sein, wie Sie es von uns | |
erwarten“, ist zumindest überraschend. Angesichts der rasanten | |
Geschwindigkeit im Nachrichten- und Informationsgeschäft hinken Monatstitel | |
immer hinterher, wenn sie zu sehr im Blick haben, was während der | |
Produktionszeit einer Ausgabe gerade aktuell war. | |
## Es ist bedauerlich | |
Dass der monatliche Hamburg-Teil der Zeit künftig feinen Journalismus | |
bieten wird, ist überhaupt nicht auszuschließen. Aber angesichts der | |
Unterversorgung mit regionalem Qualitätsjournalismus in Hamburg – die | |
Morgenpost ächzt unter dem Personalabbau, das Abendblatt ist unter Funke so | |
trutschig wie unter Springer, und die Springer-Presse tut, was die | |
Springer-Presse tun muss –, ist es bedauerlich, dass sich der Zeit-Verlag | |
nicht in der Lage sieht, seine gedruckte Präsenz in der bisherigen Form | |
aufrecht zu erhalten. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es der Zeit-Gruppe | |
insgesamt nicht schlecht geht: In den vergangenen beiden Geschäftsjahren | |
meldete das Unternehmen jeweils Umsatzsteigerungen. | |
Ausgebaut wird bei der Zeit Hamburg künftig die regionale | |
Online-Berichterstattung, die man Mitte 2017 aus Spargründen eingedampft | |
hatte. Aufwerten wollen die Macher auch den werktäglichen | |
Zeit-Hamburg-Newsletter Elbvertiefung, den derzeit 73.000 Menschen | |
abonniert haben. Sämtliche Redakteure, die für die gedruckte | |
Wochenzeitungsbeilage schreiben, schreiben künftig auch für den | |
Newsletter. | |
## Ergänzung fürs Stammprodukt | |
Dass sich solche frühmorgendlichen Briefe aus Redaktionen derzeit großer | |
Popularität erfreuen, ist unbestritten. Sie dienen aber vor allem als | |
Ergänzung fürs Stammprodukt. Ein aufgepimpter täglicher Brief an die | |
Zeit-Community in Hamburg und Umgebung – das taugt jedenfalls nicht als | |
Teil-Ersatz für die reduzierte Erscheinungsfrequenz einer gedruckten | |
Beilage. | |
27 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
René Martens | |
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