# taz.de -- Kolumne Nachbarn: Das Fenster einer Geflüchteten | |
> Ins Syrien wartet ein Foto meiner Berliner Küche auf mich. Wann werde ich | |
> es dort sehen können? Wie lange wird es auf mich warten? | |
Bild: Die Diskrepanz zwischen Reich und Arm ist in Damaskus hoch | |
An der Wand in meiner Küche hängen rechts neben dem Fenster drei kleine | |
alte Bilder, die ich damals in Damaskus gemalt habe. Links vom Fenster im | |
Regal steht die gerade erschienene Gesamtausgabe meiner Kurzgeschichten, | |
die sich dort von der langen Reise aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, | |
wo sie erschienen ist, nach Berlin, erholt. | |
Links neben der Gesamtausgabe liegt ein Kunstmagazin, das ich von einem | |
Berliner geschenkt bekam, den ich häufig auf meinen Spaziergängen am | |
Landwehrkanal treffe. Er trinkt viel Alkohol und spielt Tischtennis. Seit | |
er zufällig herausfand, dass ich bildende Künstlerin bin, schenkt er mir | |
bei jeder Begegnung eine Zeitschrift über Kunst. | |
Auf einer Zeitung liegen García Márquez’ Roman „Hundert Jahre Einsamkeit�… | |
und der Roman „Jubras Kaschemme“ des syrischen Schriftstellers Nabil | |
Moulhem. | |
Moulhems Roman spielt im Damaskus vor und während des Krieges. Die | |
Handlungsorte sind die Gassen der Altstadt, die Armen- und die | |
Reichenviertel. Moulhem zeigt die Diskrepanz zwischen Reich und Arm und die | |
Beziehungen zwischen ihnen auf. | |
Neben beiden Büchern steht eine Kerze mit dem Schriftzug „Freiheit in | |
vielen Sprachen“; jedes Mal, wenn ich die Kerze anzünde, brennt eine | |
Sprache ab. | |
Neben der Kerze befinden sich drei Holzfiguren, die ich bei der Flucht aus | |
Damaskus mitgenommen habe. Und links neben allem stehen drei Ikea-Regale. | |
Oben auf dem Regal stehen drei Pflanzen und fünf Flaschen unterschiedlicher | |
Größen und Farben. Eine Stufe tiefer stehen zwei Souvenirs und eine von dem | |
in Deutschland lebenden syrischen Künstler Boutros Almaari bemalte | |
Keramikschale. | |
Neben der Schale: eine kleine weiße Blumenvase und eine Halskette, die ich | |
vor circa vier Monaten auf dem Heimweg vom Krankenhaus in einem Laden in | |
der Berliner Dieffenbachstraße erstand und die ich als Entlassungsgeschenk | |
eines Unbekannten deklarierte. | |
Ganz unten im Regal steht ein Kaktus in einem kleinen Tontopf einer | |
Freundin aus Damaskus. Und daneben ein Körbchen aus Stroh, von dem ich | |
nicht mehr weiß, woher ich es habe. | |
All diese Gegenstände fotografierte ich und stellte sie auf Facebook. Einen | |
Tag später schickte mir meine Freundin aus dem syrischen Tartous, wo sie | |
immer noch lebt, ein Foto von der Wanddekoration ihrer Bar. | |
Dort hängt als Bild das Foto, das ich auf Facebook gepostet hatte. Darunter | |
hatte sie geschrieben: „Das Fenster einer Geflüchteten wartet auf ihre | |
Rückkehr.“ | |
Aus dem Arabischen von Mustafa Al-Slaiman | |
10 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Kefah Ali Deeb | |
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