# taz.de -- Krakaus Kampf gegen Abgase: Erst sind die Öfen weg, dann die Autos | |
> Über Krakau, der zweitgrößten Stadt Polens, hängt eine Smogschicht. Ein | |
> Verein hat die Luft verbessert. Mit Holz und Kohle wird kaum noch | |
> geheizt. | |
Bild: Dank Ofenreform zu sauberer Luft, zumindest ein bisschen: Krakau versinkt… | |
Krakau taz | „Heute ist Krakau besonders belastet“, sagt die | |
Radiosprecherin am Sonntagmorgen. „Auch in zahlreichen Städten | |
Oberschlesiens ist die Luft zum Schneiden dick. Darunter ist Kattowitz“ – | |
dort, wo die Klimakonferenz stattfindet. Sie macht eine kurze Pause, als | |
ringe sie mit sich, ob sie den Kommentar, der ihr auf der Zunge liegt, sich | |
vielleicht besser verkneifen solle. Doch sie gibt sich einen Ruck: „Die | |
Regierung kannte das Risiko, [1][als sie ausgerechnet Kattowitz], eine der | |
schmutzigsten Städte im oberschlesischen Kohlerevier, zum Tagungsort | |
bestimmte.“ | |
Auch über Krakau, der zweitgrößten Stadt Polens, hängt eine dicke graue | |
Smogschicht. Die Luft ist seltsam klebrig, riecht nach kaltem Lagerfeuer | |
und verbrannten Plastikfolien. Aus manch einem Schornstein quillt schwarzer | |
oder quittengelber stinkender Rauch. „Das sollte schon verboten sein!“, | |
empört sich Magdalena Kozlowska vom „Krakauer Smogalarm“. „Aber 2019 ist… | |
so weit: dann wird niemand in unserer Stadt mehr Abfall, Lumpen oder | |
Kohleschlamm im heimischen Öfen mehr verbrennen dürfen.“ Denn der Rauch | |
macht krank, unter den Emissionen ist Benzo[a]pyren am gefährlichsten. Er | |
steht im Verdacht, Krebs zu erregen. | |
Dabei gilt Krakau längst als Vorreiter der Luftreinehaltepolitik. Das ist | |
das große Verdienst des kleinen Umweltvereins „Krakauer Smogalarm“. | |
Gegründet hatten ihn 2012 fünf Studenten und Studentinnen, die sich | |
vornahmen, nicht mehr nur über die schlechte Luft in Krakau zu schimpfen, | |
sondern aktiv etwas dagegen zu tun. | |
## Mit Bücherwissen zur grünen Revolution | |
„Damals wurden Bürgerbefragungen zum Thema Luftqualität in der Woiwodschaft | |
Kleinpolen durchgeführt“, erklärt Kozlowska in einer Krakauer | |
Altbauwohnung, die als Büro dient. „Es ging um ein EU-Programm, aber für | |
die meisten Leute war das viel zu abstrakt.“ | |
Die Gruppe begann Gesetze und Verordnungen zu lesen; Fachliteratur zum | |
Thema Luftbelastung durch Feinstaub, Stickstoffoxide und Ozon. Dann | |
forderten sie, dass in Krakau der traditionelle Hausbrand mit Holz und | |
Kohle verschwinden solle. Denn er war hauptverantwortlich für den Smog in | |
der Stadt. | |
„Wir haben dann eine Informationskampagne gestartet“, so die 31-jährige | |
Historikerin. „Schließlich schickten wir eine Petition an den Stadtrat und | |
organisierten eine Pressekonferenz.“ Es habe durchaus schon Expertisen und | |
konkrete Daten zur Schadstoffbelastung der Luft gegeben, nur seien | |
beispielsweise die täglichen Messdaten auf einer schwer zu findenden Seite | |
des Umwelt-Inspektorats veröffentlicht worden. Der Verein bereitete die | |
Daten auf ihrer Homepage neu auf und erklärte sie verständlich. | |
Der Krakauer Stadtrat war zunächst von den Aktivitäten des kleinen Vereins | |
wenig angetan, doch als sich immer mehr Krakauer dem Protest gegen den Smog | |
anschlossen, übernahm Stadtpräsident Jacek Majchrowski die Forderungen des | |
Krakauer Smogalarms. Schon 2013 legte er ein mehrjähriges Millionenprogramm | |
zum Austausch der alten Öfen auf. Doch um ein Verbot der im Volksmund | |
„Stinker“ genannten Herd- und Kachelöfen zu erreichen, musste der Verein | |
eine juristische Odyssee absolvieren. | |
## Tausche Ofen gegen Zuschuss | |
Zwar verabschiedete das Woiwodschafts-Parlament von Kleinpolen ein Verbot, | |
doch wenig später erklärte das Oberste Verwaltungsgericht die Verordnung | |
für ungültig. Geändert werden musste zunächst das Umweltgesetz auf | |
Staatsebene. Die Abgeordneten in Warschau mussten überzeugt werden und der | |
Umweltminister. Das dauerte. | |
In der Zwischenzeit bot die Stadt Krakau ihren Bürgern bereits den | |
Austausch der alten Öfen auf freiwilliger Basis an: im ersten Jahr würde | |
die Stadt die Kosten zu 100 Prozent übernehmen, im zweiten zu 80 Prozent, | |
im dritten zu 60 Prozent. Ärmere Krakauer könnten in Zukunft auch einen | |
Heizzuschuss zu ihrer neuen Gasheizung bekommen. | |
„Inzwischen sind alle rechtlichen Hürden genommen. Im nächsten Jahr wird | |
das Verbot rechtskräftig“, ist Kozlowska erleichtert. Die meisten Krakauer | |
hätten ihre Öfen bereits auf Gas umgestellt.“ Die junge Frau deutet auf | |
eine Broschüre mit Smog-Fotos aus ganz Polen. „Inzwischen haben sich in 9 | |
von insgesamt 16 Woiwodschaften Smog-Alarm-Vereine nach unserem Vorbild | |
gegründet.“ | |
Kozlowska dreht die Broschüre um und deutet auf eine Europakarte mit einem | |
dunkelroten Polen in der Mitte: „Da sollte doch eigentlich bei allen | |
Politikern eine rote Warnlampe aufleuchten: 36 der 50 meistbelasteten | |
Städte Europas liegen in Polen. „Von jedem Verein wird zumindest einer von | |
uns [2][nach Kattowitz zum Klimagipfel fahren]. Dort wollen wir besprechen, | |
wie wir die Autoabgase reduzieren können. Das ist unser nächstes Ziel.“ | |
6 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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