# taz.de -- Kommentar Brexit-Rücktritte: Kurz vorm Kollaps | |
> Theresa Mays Kabinett fliegt ihr nach und nach um die Ohren. Das liegt | |
> auch an ihrer widersprüchlichen Inside-Out-Politik in Sachen Brexit. | |
Bild: Wer steht noch hinter May? Bei ihrem Statement am Mittwochabend jedenfall… | |
Ist es der Durchbruch – oder eine Totgeburt? Der Brexit-Deal, den die EU | |
und die britische Regierung ausgehandelt haben, wirbelt die britische | |
Politik so kräftig durcheinander, dass an diesem Donnerstagvormittag völlig | |
unklar ist, was am Ende des Tages noch davon übrig sein wird. | |
Zwar hat das britische Kabinett nach einer Mammutsitzung am Mittwoch dem | |
kontroversen 585-Seiten-Dokument zugestimmt. Aber Donnerstagfrüh hat der | |
für seine Umsetzung zuständige Brexitminister Dominic Raab [1][sein Amt | |
niedergelegt], weil er es nicht mitträgt – und er ist nicht der einzige. | |
Die Auswirkungen dieser politischen Erschütterung dürften erheblich sein. | |
Schon zum zweiten Mal in vier Monaten tritt ein Brexitminister zurück, | |
sobald die britische Premierministerin einen Brexit-Plan durchs Kabinett | |
drückt. Und anders als sein glückloser Vorgänger David Davis gilt Dominic | |
Raab als einer der klügsten und umsichtigsten Köpfe der britischen Politik. | |
„Durchgewunken“, wie manche deutsche Medien berichten, wurde der Deal von | |
Theresa Mays Kabinett ohnehin nicht. Es gab am Mittwochabend eine lange, | |
kontroverse und Berichten zufolge zeitweise [2][hitzige Diskussion]. Raab | |
war ein Wortführer der Kritiker. Nun hat er die logische Konsequenz | |
gezogen: May braucht einen Brexit-Minister, der hinter dem Deal steht, | |
nicht einen, der ihn eigentlich ablehnt. | |
## Die Grenze zu Irland darf nicht alles bestimmen | |
Das Problem dürfte sein, dass in der britischen Politik kaum jemand | |
wirklich hinter dem Deal steht. Die Idee, Großbritannien in einer Zollunion | |
mit der EU zu belassen, aus der London nicht mehr austreten darf, ist | |
rational nicht zu verteidigen: das Land verlöre durch einen solchen Brexit | |
mehr Souveränität, als es gewänne. | |
Grund für dieses absurde Konstrukt ist die [3][Sorge um die Grenze zur | |
Republik Irland] – dieses Problem ist real, aber man muss es für sich lösen | |
und ihm nicht sämtliche andere Aspekte der britischen Beziehungen zu Europa | |
in einer Weise unterordnen, die gar keinen Sinn ergibt. | |
Theresa May rechtfertigt sich mit der Hoffnung, dass es dazu nie kommt, | |
weil sie mit der EU sowieso ein Freihandelsabkommen aushandeln will. Aber | |
abgesehen davon, dass man sich nach den bisherigen Erfahrungen durchaus | |
Sorgen um den möglichen Inhalt eines von May ausgehandelten | |
Freihandelsabkommens machen darf, wiegt ein vages Versprechen für die | |
Zukunft nicht ein reales Desaster in der Gegenwart auf. Wer ein | |
rechtskräftiges Abkommen in der Hoffnung unterschreibt, kontroverse | |
Paragraphen davon nie anwenden zu müssen, sollte davon lieber gleich die | |
Finger lassen. | |
Das einzige, was May noch Loyalität in ihrer konservativen Partei | |
verschafft, ist die Angst vor einem Zusammenbruch der britischen Regierung | |
und erneuten vorgezogenen Neuwahlen. Aber das ist kein Grund für einen | |
widersprüchlichen Inside-Out-Brexit, der dazu noch den eigenen Laden | |
auseinanderfliegen lässt. | |
15 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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