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# taz.de -- Zeitungssterben in den USA: Miss Brown verkauft News
> In Pittsburgh gibt es kaum noch lokale Politikberichte. AmyJo Brown will
> das ändern und hat ein Start-up gegründet.
Bild: AmyJo Brown ist Journalistin und Unternehmerin
Pittsburgh taz | Es gibt keine Krise, sondern nur Angst vor Veränderung,
glaubt AmyJo Brown. Die Reporterin und Unternehmerin aus Pittsburgh hat die
Mission, „das Lokalnachrichten-Problem zu lösen“, wie sie sagt. Dazu hat
sie ein Start-up gegründet.
Der Westen Pennsylvanias ist journalistisch ein Notfallpatient. [1][Mehrere
Lokalzeitungen haben in den letzten Jahren geschlossen], die zwei großen
Tageszeitungen in Pittsburgh haben viel Personal entlassen und ihre
Einzugsgebiete verkleinert. Eine umfassende Berichterstattung über die
Lokalpolitik findet nicht mehr statt. Um dem entgegenzuwirken, zahlen
örtliche Unternehmen in Stiftungen ein, die neue Konzepte fördern. AmyJo
Brown hingegen glaubt, dass Lokaljournalismus kein Fall für Charity ist,
sondern ein Geschäft, das sich tragen kann.
„Als die Digitalisierung kam, hatten die Verlage keine Ahnung, wie sie
damit umgehen sollten“, sagt Brown. Sie kommt selbst aus der Region, vor
sieben Jahren ist sie nach Pittsburgh zurückgekehrt. Bis dahin hatte sie
als Reporterin und später als Beraterin für Lokalredaktionen gearbeitet.
Aus ihrer Sicht haben die traditionellen Zeitungen es versäumt, den Wandel
vorzubereiten. „Die Verlagsleute waren nie gezwungen, sich im Wettbewerb zu
beweisen.“ Lokale Zeitungen finanzierten sich neben Abos über Anzeigen
örtlicher Unternehmen, die Preise bestimmten sie quasi allein. Das Internet
beendete das.
Inzwischen können Zeitungen in vielen Teilen der USA ihre politische
Kontrollfunktion nicht mehr wahrnehmen. Die Konsequenzen sind schwer zu
erforschen, Wissenschaftler der Uni Princeton haben es 2009 versucht. Die
Forscher erhoben politische Beteiligung in der Stadt Cincinnati im
Bundesstaat Ohio um den Zeitpunkt herum, als dort eine von zwei
Lokalzeitungen dichtmachte. [2][Das Ergebnis]: Die Wahlbeteiligung nahm ab,
genau wie die Anzahl derer, die kandidierten. Politiker*innen blieben
länger im Amt. Die Gefahr: Das Interesse für Politik sinkt, immer mehr
werden passiv.
## Weniger Zeitungen, weniger Wähler_innen
Das könnte auch in Pittsburgh so kommen. Zwar gibt es noch zwei Zeitungen,
aber beide schreiben hohe zweistellige Millionenverluste. Die Post Gazette
wird von einem Mischkonzern mitgeschleift, der so seine Steuerlast drückt.
Die Tribune-Review konzentriert sich auf schnelle Texte ohne nennenswerten
Rechercheaufwand. Viele umliegende Städte sehen keine Reporter*innen mehr.
AmyJo Brown dagegen nimmt an, dass es in Pittsburgh eine zahlende
Zielgruppe für politische Recherche geben muss. Brown stellt ein
datenjournalistisches Team zusammen, das Akten aus den politischen Gremien
und Behörden der Stadt auswertet und relevante Geschichten daraus
destilliert. Die Geschäftsidee: NGOs, Unternehmen, Anwaltskanzleien, sie
alle müssen möglichst gut über die Politik Bescheid wissen – und sind
bereit, dafür zu zahlen. An die nötigen Dokumente zu kommen ist nicht
schwer. „Die Akten, die wir brauchen, sind alle frei zugänglich“, sagt
Brown. „Aber es sind so viele, das können nicht mal die
Spitzenberater*innen alles durchblättern.“
Browns Firma entwickelt interaktive Formate, mit denen sich komplexe
Zusammenhänge leicht nachvollziehen lassen. Das erste dieser Tools ist fast
fertig und soll zeigen, wer in Pittsburgh an wen gespendet hat. Und zwar in
den letzten zehn Jahren. Die Abonent*innen müssen für dieses Angebot
bezahlen, weiterführende Recherchen sollen aber auch kostenlos für alle
zugänglich sein.
So will Brown auf Dauer ein Team von neun Journalist*innen unterhalten
können, unabhängig von Anzeigen oder Spenden. Wenn das klappt, wäre es
eines der ersten lokaljournalistischen Projekte in den USA, das sich mit
dem trockenen, politischen [3][„Accountability“-Journalismus] selbst
finanziert. Das muss sich noch zeigen. Aber AmyJo Brown ist sicher, dass es
Lösungen gibt, wenn Journalist*innen endlich lernen, auch unternehmerisch
zu denken.
23 Nov 2018
## LINKS
[1] /Zeitungssterben-in-den-USA/!5543395
[2] http://wws.princeton.edu/news-and-events/news/item/schulhofer-wohl-qa-how-n…
[3] /Zeitungssterben-in-den-USA/!5547157
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
USA
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