# taz.de -- Tierquälerei unter staatlicher Aufsicht: Amtstierärzte sahen tate… | |
> Nach den Tierschutz-Skandalen in niedersächsischen Schlachthöfen kündigt | |
> die Regierung schärfere Kontrollen an und fordert Videoüberwachung. | |
Bild: Schwer erträglich: Bilder aus einem Schlachthof in Oldenburg | |
BREMEN taz | Einen „Neustart in den Schlachthöfen“ versprach am Dienstag | |
Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) dem Niedersächsischen | |
Landtag. Konkret kündigte sie Initiativen an, um die amtlichen | |
Tierschutzkontrollen auf Schlachthöfen zu verbessern. Bislang gebe es | |
seitens der Amtstierärzte bundesweit nur stichprobenhafte Prüfungen bei der | |
Betäubung der Tiere. Die jüngsten Vorfälle in [1][Bad Iburg] und | |
[2][Oldenburg] hätten gezeigt, „dass dies nicht ausreicht“. Von | |
Einzelfällen könne nicht mehr die Rede sein, so die CDU-Politikerin, die | |
sich nun „mit Nachdruck“ für eine vollständige Videoüberwachung der | |
Schlachthöfe stark machen will. Ferner will das Ministerium die Kontrolle | |
durch die zuständigen Kommunen „fachaufsichtlich überprüfen“. | |
Dass dies notwendig ist, zeigt der jüngst bekannt gewordene Fall aus | |
Oldenburg: Gleich drei Veterinäre der Stadt waren dabei, als Rinder in dem | |
Schlachthof der Firma „Standard-Fleisch“ in Oldenburg gequält und bei | |
vollem Bewusstsein getötet wurden. Das musste ein Sprecher der Stadt | |
mittlerweile einräumen. | |
Die MitarbeiterInnen würden jetzt umgehend befragt. Ob ihnen konkrete | |
Verstöße gegen das Tierschutzrecht vorzuwerfen sind, ist nach Auffassung | |
der Stadt durch das Filmmaterial „noch nicht zweifelsfrei zu klären“. Das | |
Deutsche Tierschutzbüro sieht das anders: Es erstattete bereits | |
Strafanzeige gegen die VeterinärInnen, teilte die Staatsanwaltschaft | |
Oldenburg auf Anfrage der Nachrichtenagentur DPA mit. Nach Angaben der | |
TierschützerInnen waren sie „ganz offensichtlich in den Skandal verwickelt“ | |
– sie seien „nicht eingeschritten“, als Tiere getreten oder mit | |
Elektroschockern malträtiert wurden, oder hätten sogar „selbst Hand | |
angelegt“, um ein Rind, das unzureichend betäubt war, abzustechen. | |
## Tierschützer begrüßen „überfällige“ Stillegung | |
Das Deutsche Tierschutzbüro hatte [3][mit versteckter Kamera] im September | |
und Oktober insgesamt [4][600 Stunden Videomaterial] zusammengetragen. Der | |
Schlachthof war daraufhin am Montag von seinem Betreiber vorübergehend | |
stillgelegt worden – um „bauliche Maßnahmen, Kontrollprozesse und | |
Möglichkeiten für Mitarbeiterqualifikationen“ zu prüfen, wie es heißt. Das | |
Deutsche Tierschutzbüro begrüßte die „längst überfälligen“ Stilllegun… | |
forderte, dass der Schlachthof „nie wieder“ in Betrieb gehen dürfe. Zudem | |
müssten alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. | |
Mehrere große Einzelhandelsketten wie Edeka, Aldi und Lidl hatten | |
angesichts der Vorfälle bereits die Zusammenarbeit mit dem Schlachthof | |
beendet. Auch das an dem Schlachthof beteiligte Fleischunternehmen | |
Goldschmaus aus [5][Garrel] (Kreis Cloppenburg) entzog dem | |
Schlachthofbetreiber in Oldenburg vorerst den Auftrag und stoppte „bis auf | |
Weiteres“ die Zusammenarbeit. Die Firma hatte die Vorwürfe zwar im | |
Grundsatz eingeräumt, aber vor allem einzelne WerksvertragsarbeiterInnen | |
für die Missstände verantwortlich gemacht. | |
Im Niedersächsischen Landtag indes beklagten am Dienstag RednerInnen | |
eklatante Systemfehler. Die FDP forderte eine „anständige Bezahlung“ der | |
MitarbeiterInnen in den Schlachthöfen, und die CDU äußerte sich „sehr | |
kritisch“ über die dort seit Langem übliche Leih- und Akkordarbeit. Die SPD | |
wiederum hat sich „sehr geärgert“, als die Schuld für die Vorfälle auf d… | |
WerksvertragsarbeiterInnen geschoben wurde, und will nun über Alternativen | |
zu den bisher üblichen Schlachtverfahren nachdenken. | |
Umstritten ist die von der regierenden CDU vehement eingeforderte | |
Videoüberwachung. Das sei „eine Scheinlösung“, schimpfte die oppositionel… | |
FDP, auch die mitregierende SPD sieht darin „kein Allheilmittel“. Und die | |
Grünen fragen: „Was nützt die Videoüberwachung, wenn das keiner anguckt?“ | |
Ihre Abgeordnete Miriam Staudte will lieber den Kommunen die Kontrolle über | |
Schlachthöfe entziehen – die örtlichen VeterinärInnen würden immer wieder | |
„zurückgepfiffen“, weil die Städte und Gemeinden um Jobs und | |
Gewerbesteuereinnahmen fürchteten, vermutet Staudte. | |
## Hilft Videoüberwachung? | |
Welch enge Grenzen einer Videoüberwachung gesetzt sind, analysierte der | |
wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages. Hier kollidiert der im | |
[6][Grundgesetz] verankerte Tierschutz mit dem europarechtlich geregelten | |
Datenschutz. Eine „vollumfängliche Kameraüberwachung“ in Schlachthöfen s… | |
deshalb „nicht zulässig“, so die Schlussfolgerung der | |
ParlamentsjuristInnen. Erlaubt sei der Einsatz von Kameras nur, wenn keine | |
Personen erfasst würden. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts | |
zufolge greift eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz „in schwerwiegender | |
Weise“ in das Persönlichkeitsrecht ein. | |
Zudem gibt es eine 2009 erlassene [7][EU-Verordnung], die einer nationalen | |
Regelung zur Kamerapflicht in Schlachthöfen ebenso entgegensteht wie einer | |
mehr als nur repräsentativen Betäubungskontrolle. Ob Deutschland mit | |
Hinweis auf „neuere wissenschaftliche Erkenntnisse“ überhaupt strengere | |
Vorschriften erlassen darf, ließen die JuristInnen des Bundestages offen. | |
13 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] /!5549138/ | |
[2] /Archiv-Suche/!5545252&s=Simone+Schnase/ | |
[3] https://www.tierschutzbuero.de/realitaet-schlachthof/ | |
[4] /Archiv-Suche/!5545252&s=schnase/ | |
[5] /Archiv-Suche/!5489543&s=garrel/ | |
[6] https://dejure.org/gesetze/GG/20a.html | |
[7] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32009R1099 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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weggesehen haben. |