# taz.de -- Mosse-Lecture an Humboldt Uni Berlin: Wer über Populismus reden wi… | |
> Angesichts der autoritären Revolte: Christoph Möllers und Philip Manow im | |
> Streit um Populismus als Problemsymptom. | |
Bild: Christoph Möllers denkt, die Krisenbehauptungen könnten auch eine self-… | |
Zurzeit konkurrieren zwei Ansätze um Plausibilität: Der erste sagt: Es gibt | |
einen rechten Populismus und wir müssen ihm einen linken entgegensetzen. | |
Der zweite sagt: Es gibt einen rechten und linken Populismus und beide sind | |
Problemsymptom. Ersterer ist die Forderung der [1][Politikwissenschaftlerin | |
Chantal Mouffe], die wie die Pressesprecherin von Sahra Wagenknecht klingt. | |
Doch um sie geht es nicht, sondern um Populismus als Problemsymptom. | |
Populismus als Problemsymptom zu behaupten kann bedeuten, eine Position der | |
Mitte einzunehmen oder Populismus als politische Form abzulehnen. Aber | |
keine Problematisierung ohne weitere Problematisierungen; und so kann man, | |
wie Christoph Möllers, auch die Frage stellen, ob die Feststellung eines | |
Krisensymptoms nicht selbst bereits eine politische Intervention ist. | |
Dabei geht es keineswegs um akademische Gedankenspiele, sondern um die | |
Frage, wie wir Populismus und die globale autoritäre Revolte verstehen und | |
erklären können. [2][Christoph Möllers], eloquenter Verfassungsrechtler mit | |
Top-Karriere, Träger des Leibniz-Preises 2016, politisch zwischen | |
Sozialdemokratie und Grünen verankert und als potenzieller | |
Verfassungsrichter gehandelt, hielt dazu am Donnerstagabend unter dem Titel | |
„Die autoritäre Revolte“ die Mosse-Lecture an der Berliner Humboldt-Uni. | |
Ihm antwortete, so wie es die Dramaturgie der Mosse-Lectures vorsieht, ein | |
anderer Wissenschaftler: Philip Manow, Politikwissenschaften an der Uni | |
Bremen, am Montag erscheint sein Buch „Die politische Ökonomie des | |
Populismus“ (Suhrkamp). | |
## Das Überschießende vermeiden | |
Man ahnt es schon, Politische Ökonomie trifft Rechtsphilosphie – eine | |
Konstellation, die die Beteiligten in Erklärungszwang bringt. Möllers | |
stellte die durchaus provokative Frage, ob sozialwissenschaftliche | |
Erklärungsversuche einer politischen Auseinandersetzung um die Zukunft | |
liberaler Demokratien eher im Wege stehen, als sie weiterzubringen. Eine | |
Frage, die nach dem Auftakt für einen Clash der Disziplinen klingt, aber es | |
ging sehr freundschaftlich zu, vielleicht auch, weil, wie Manow betonte, | |
das Einhalten der Formen in heutigen Zeiten durchaus ein Zeichen ist, „wir | |
Bürgerlichen“, nun ja. | |
Rationalisieren, Selbstprüfung, das politisch Überschießende vermeiden, | |
darum geht es Möllers: Die Sozialwissenschaften nähmen die antiliberale | |
politische Mobilisierung nicht beim Wort, sondern pflegten sie durch etwas | |
Anderes zu erklären. Dann, wenn man etwa den Erfolg der AfD mit sozialer | |
Ungleichheit erklärt. Tatsächlich hat ja 2017 eine Studie, an der wiederum | |
Philip Manow federführend beteiligt war, herausgefunden, dass AfD-Wähler | |
gar keine Fortschrittsverlierer sind, heißt: Die AfD-Wähler wählen rechts, | |
weil sie einfach rechts sind. | |
Dennoch: Manow insistiert an diesem Abend und auch sonst im Sinne der | |
Politischen Ökonomie darauf, dass, wer über Populismus reden will, aber | |
nicht über Kapitalismus, nur bei Identitätspolitik landet – wo dann | |
fröhlich Stigmatisierungen ausgetauscht werden. Doch man trifft sich nicht | |
einmal in der Populismusdefinition. Für Möllers ist lediglich populistisch, | |
wer das System sprengen will. Manow hingegen versteht auch Syriza und | |
Podemos als populistisches Problemsyndrom. | |
Möllers weiß durchaus Manows Methode zu schätzen, immerhin vermeide sie | |
einen Exotismus, der nur dunkle Mächte am Werk sehen könne, aber dennoch: | |
Mit sozioökonomischen Interessen zu argumentieren heiße, sich zu wundern, | |
dass die Leute gegen ihre eigenen Interessen wählen. Manow entgegnet die | |
Frage, wie man ohne Politökonomie die Repräsentationslücken erklären könne. | |
– Die NPD war einfach zu schmuddelig. | |
Könnte man die Perspektive nicht umkehren? Die Erklärungslast werde immer | |
der Krise liberaler Institutionen auferlegt und nicht etwa ihrem bisherigen | |
Erfolg, so Möllers. Bei einem Durchschnittsalter von 19 Jahren für | |
Verfassungen ist es vielleicht bemerkenswert, dass wir noch immer in der | |
Nachkriegsverfassung leben. Doch was heißt das schon? | |
9 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Chantal-Mouffe-ueber-Demokratie/!5538435 | |
[2] /Populismus-Debatte-bei-Bundespraesident/!5505481 | |
## AUTOREN | |
Tania Martini | |
## TAGS | |
Populismus | |
Autoritarismus | |
Populismus | |
Populismus | |
Heiko Maas | |
Populismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sachbuch zur Krise der Demokratie: Die populistische Versuchung | |
Wie bekämpft man autoritären Populismus? Armin Schäfer und Michael Zürn | |
wollen im Buch „Die demokratische Regression“ Antworten darauf geben. | |
Populismus aus Sicht eines Politologen: „Es geht nicht um alte weiße Männer… | |
Die Globalisierung stärkt im Süden der EU Linkspopulisten, im Norden | |
Rechtspopulisten. Der Politikwissenschaftler Philip Manow erklärt, warum. | |
Außenminister leger gekleidet: #Maasanzug | |
Im Freizeitlook trat der Außenminister vor die Presse – und erntete Häme | |
und Spott. Zu Unrecht: Endlich hat mal einer die Uniform abgelegt. | |
Chantal Mouffe über Demokratie: „Populismus kann progressiv sein“ | |
Kann es einen guten linken Populismus geben? Der populären | |
Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe zufolge schon. Den Konsens der | |
Mitte lehnt sie ab. |