# taz.de -- Der „Blaue Engel“ wird 40: Avantgarde im Gütesiegel-Dschungel | |
> Das älteste Gütezeichen der Welt weist Verbrauchern den Weg zu | |
> umweltfreundlichen Waren. Doch nicht jedes Produkt ist unbedenklich. | |
Bild: Umweltfreundlich, weil aus 100 Prozent Altpapier: das besiegelt der Blaue… | |
Berlin taz | Saurer Regen, Waldsterben oder Giftstoffe im Waschpulver. Das | |
waren in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die großen Themen. In | |
der Politik spielte der Schutz von Mensch und Natur noch eine | |
untergeordnete Rolle. Es gab zwar erste Umweltministerien, doch viel zu | |
sagen hatten deren Ressortleiter nicht. Einen Erfolg konnten sie aber am | |
25. Oktober 1978 feiern. An diesem Tag wurde das erste Umweltzeichen der | |
Welt vorgestellt, der [1][„Blaue Engel“]. Am Donnerstag feiert | |
Bundesumweltministerin Svenja Schulze das 40-jährige Jubiläum des Siegels | |
im blauen Kreis. | |
Der Aufdruck zeigt Verbrauchern, ob ein Produkt im Vergleich zu ähnlichen | |
Angeboten möglichst umweltverträglich hergestellt wird. „Ein Papierprodukt | |
aus 100 % Altpapier spart den gesamten Rohstoff für die Neupapierproduktion | |
ein, ein emissionsarmer Lack enthält sehr viel weniger Lösemittel und | |
andere Schadstoffe, eine wassersparende Armatur spart eine Menge Wasser“, | |
erklären die Herausgeber, unter anderem das Bundesumweltministerium. | |
Rund 12.000 Produkte tragen das Label derzeit. 1.600 Unternehmen schmücken | |
sich damit. Einer Umfrage der Organisation zufolge kennen neun von zehn | |
Verbraucher das Umweltzeichen. 40 Prozent der Konsumenten orientieren ihre | |
Kaufentscheidung daran. | |
## Es gibt auch Kritik | |
Hinter dem Siegel stehen neben dem Bundesumweltministerium das | |
Umweltbundesamt, die Jury Umweltzeichen und die Vergabestelle RAL GmbH. In | |
der Jury sind von den Verbraucherverbänden über die Wirtschaft bis hin zu | |
den Kirchen nahezu alle gesellschaftlichen Interessengruppen vertreten. Die | |
Vergabestelle wiederum kümmert sich um die Anhörung von Experten zu den | |
jeweiligen Produktgruppen. | |
„Der Blaue Engel bietet all denen Menschen Orientierung, die bewusst | |
einkaufen und die darauf achten, dass sie langlebige, energieeffiziente, | |
gesundheitsschonende Produkte erwerben“, lobt Bundeskanzlerin Angela Merkel | |
das Siegel. Sie fordert auch von den Verbrauchern, beim Einkauf | |
Verantwortung für den Umweltschutz zu übernehmen. | |
Bei allem [2][Erfolg, der dem Gütezeichen zugesprochen wird], gibt es auch | |
Kritik. „Der Blaue Engel bescheinigt keineswegs die völlige | |
Unbedenklichkeit eines Produkts“, stellt das Umweltportal Utopia.de fest. | |
Er sage lediglich aus, dass es im Vergleich zu Konkurrenzangeboten besser | |
abschneide. So erwecke der Engel zum Beispiel bei Elektrogeräten den | |
Eindruck von Umweltfreundlichkeit. Das seien die Geräte aber gar nicht. | |
Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) sieht Schwächen. So | |
würden die Produkte nur alle fünf Jahre auf ihre Inhaltsstoffe hin | |
überprüft, sagt vzbv-Nachhaltigkeitsexpertin Kathrin Kraus, „es finden | |
derzeit keine unabhängigen Stichproben statt.“ | |
Für viele Hersteller ist das Siegel jedoch ein Wettbewerbsvorteil. Und es | |
hilft bei Aufträgen der öffentlichen Hand. Die Einkäufer der Verwaltungen | |
dürfen bei Vergaben den Blauen Engel zu einem Kriterium machen. Es wird von | |
den Verbrauchern trotz der großen Anzahl verschiedener Gütezeichen im | |
Handel als Umweltzeichen erkannt. Rund 1.000 Siegel gibt es mittlerweile, | |
von der Bioware bis hin zum fairen Handel. Für die Umweltsiegel gibt es | |
jedoch keine einheitlichen Kriterien. Der vzbv fordert daher | |
Mindeststandard. „Wir sehen die Notwendigkeit, im Siegel-Dschungel | |
aufzuräumen“, sagt Krause. | |
## Die Industrie wehrt sich häufig | |
Der Blaue Engel soll nun weiterentwickelt werden. Die Bedürfnisse von | |
Familien und die Ausdehnung auf weitere Dienstleistungen stehen auf dem | |
Programm. Denn das Signet ist unter jüngeren Leuten nicht mehr sehr | |
bekannt. Ein Grund: Drei Viertel der zertifizierten Produkte gehören nicht | |
zum alltäglichen Einkauf, sondern sind eher im Bau- oder Elektromarkt zu | |
finden. Das soll sich ändern. „Wir haben empfohlen, besonders junge | |
Menschen in der Phase der Haushaltsgründung und junge Eltern anzusprechen“, | |
sagt Barbara Birzle-Harder vom Institut für sozial-ölologische Forschung | |
(SOP). So könne der Engel an die nächste Generation herangeführt werden. | |
Das Umweltbewusstsein hat der Blaue Engel bei den Verbrauchern über die | |
Jahrzehnte durchaus geweckt. Kanzlerin Merkel sieht aber auch eine | |
politische Verantwortung für umweltverträgliche Produkte. Gleichwohl könne | |
der Staat nicht immer mit Geboten und Verboten arbeiten, sagt die | |
Regierungschefin in ihrem letzten Video-Podcast. | |
Genau das ist aber eines der größten Probleme beim Umweltschutz, wie der | |
Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte zeigt. Wenn es um das ganz große | |
Geschäft geht, prallen die Interessen von Wirtschaft und Gesellschaft oft | |
aufeinander. Häufig wehrt sich die Industrie gegen Auflagen für eine | |
nachhaltigere Wirtschaft. Das Beispiel Auto illustriert das nur zu | |
deutlich. | |
25 Oct 2018 | |
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## AUTOREN | |
Wolfgang Mulke | |
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