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# taz.de -- Frankreichs neuer Innenminister: Macron holt sich einen Draufgänger
> Frankreichs Präsident Emmanuel Macron holt mit Christophe Castaner einen
> Weggefährten ins Kabinett. Die Personaldebatten belasten die Regierung.
Bild: Selfmademan mit großer Schnauze und politischem Talent: Christophe Casta…
Paris taz | Dass [1][Christophe Castaner einmal Innenminister Frankreichs]
wird, hätte er selbst wohl für sehr unwahrscheinlich gehalten.
Unwahrscheinlich aber nicht für unmöglich. Denn wenn es etwas gibt, worin
sich Castaner von vielen französischen PolitikerInnen unterscheidet, dann
ist es seine Fähigkeit zielgerichtet und erbarmungslos mit sich selbst auf
ein Ziel zuzuarbeiten. Heute mit 52 Jahren, einem gepflegten drei-Tage-Bart
und gut sitzenden Anzügen scheint Castaner mehr denn je seinem idealen Ich
zu entsprechen: ein self-made man mit großer Schnauze aber echtem
politischen Talent.
Ursprünglich sah nämlich nichts in seinem Leben nach einer politischen
Karriere aus. In einer Kleinstadt im Süden Frankreichs als Sohn eines
ehemaligen Militärbeamten und einer Hausfrau geboren, verlässt er
17-jährig, frustriert, rebellisch und in ständigem Streit mit seinem Vater
das Elternhaus. Zwei Jahre lang verdient er sich in Spielclubs in Marseille
seinen Lebensunterhalt mit Pokern. Ein Spiel, das ihn gelehrt habe „ruhig
Blut“ zu wahren – wie er heute angibt.
Er sei der Versuchung des „leichten Geldes“ erlegen, ist seine Erklärung.
Das Bild eines „kéké“, eines Draufgängers, hängt ihm immer noch an, auch
wenn sein neuer offizieller Spitzname nun „Casta“ ist. Kurz, knackig und
wie Castaner sich selbst definiert: effizient. Seine Pokerkarriere beendete
er dann aber doch nach zwei Jahren, holte mit 20 sein Abitur als
sogenannter „candidat libre“ nach, also mit Vorbereitung auf eigene Faust,
und tritt in die sozialdemokratische Parti socialiste ein.
## Steile Karriere für Casta
Während seines Studiums des internationalen Rechts engagiert er sich in der
Gewerkschaft der Studenten UNEF und findet Gefallen. Er wird Anhänger des
sozialistischen Politikers Michel Rocard, der einen liberaleren Strom der
Linken Ende der 70er populär machte. Castaners sozialliberale Ausrichtung
kommt also nicht von irgendwo, sie stammt aus den Beginnen seines
politischen Engagements. Er wird Bürgermeister einer Kleinstadt,
Regionalpolitiker und schließlich Abgeordneter im französischen Parlament.
Ende 2015 tritt Castaner schließlich als Spitzenkandidat der Sozialisten
zur Regionalwahl in der sehr rechts ausgerichteten Region
Provence-Alpes-Côte d’Azur an. Er zieht seine Kandidatur zurück, um den
Einzug des Front National in den Regionalrat zu blockieren. Seine Partei
dankt es ihm nur wenig. Enttäuscht tritt Castaner daraufhin Emmanuel
Macrons Bewegung „En Marche“ bei.
Er wird zum „Mann auf dem Terrain“ und wandert im Sommer 2016 knapp
dreihundert Kilometer zu Fuß in seinem Wahlbereich auf der Suche nach
Wählern, die bereit waren ihn aufzunehmen und mit ihm über ihre Sorgen zu
sprechen. Er will eben auch „ganz normal“ sein, erklärt er. Seitdem ist er
einer der engsten und treuesten politischen Mitarbeiter des Präsidenten.
Dieser machte ihn 2017 erst zum Regierungssprecher, dann zum Staatssekretär
und Vorsitzenden seiner Partei.
## Rücktritte belasten Macron
Castaner sagte artig Danke, auch wenn er – das weiß ganz Frankreich –
eigentlich auf Höheres schielte. Er musste sich nur noch ein wenig gedulden
bis das prestigeträchtige Amt des Innenministers frei wurde.
[2][Ex-Innenminister Gérard Collomb war der dritte Minister], der sich in
den letzten anderthalb Monaten von Emmanuel Macron abwandte. Der beliebte
Umweltminister Nicolas Hulot gab Ende August seinen Rücktritt bekannt,
wenig später folgte Sportministerin Laura Fessel, die ihren Posten „aus
persönlichen Gründen“ abgab. Diese Rücktritte treffen Präsident Emmanuel
Macron in einer schwierigen Phase.
Seine Umfragewerte sind seit der [3][Affäre um seinen ehemaligen
Leibwächter Alexandre Benalla], der auf einem Protest-Marsch am 1. Mai auf
zwei Demonstranten einprügelte, deutlich gesunken. Der französische
Präsident kämpft außerdem schon seit längerer Zeit mit dem Vorwurf ein
„Präsident der Reichen“ zu sein. Um sein Bild in der Öffentlichkeit zu
verbessern und seiner Regierung neuen Elan zu geben, nahmen Präsident
Emmanuel Macron und sein Ministerpräsident Edouard Philippe deshalb gleich
noch weitere Neubesetzungen vor.
Castaners freigewordene Stelle als Staatssekretär und Minister für die
Belange des Parlaments, geht an den Politiker Marc Fesneau der liberalen
Partei Mouvement Démocrate. Eine Wahl, mit der Macron die politische Mitte
ansprechen will, aus der ein großer Teil seiner Wählerschaft kommt.
Außerdem holte sich Macron „Expertenprofile“ aus der freien Wirtschaft als
Berater von Ministern in die Regierung.
Damit hält Macron zwar nicht, was er im Wahlkampf versprach: den
Regierungsapparat zu verkleinern. Er zeigt allerdings, dass er „anpacken“
will und den langwierigen Verwaltungsapparat umgehen möchte. Ob ihm das den
erhofften Meinungsumschwung bringt und seine Beliebtheit steigen lässt,
bleibt abzuwarten. Auf den sozialen Netzwerken kreisen jedenfalls schon die
ersten Karikaturen: Emmanuel Macron als Lucky Luke und Christophe Castaner
als treuer Hund Rantanplan. Vom allmächtigen, egozentrischem Präsidenten
wegzukommen, wird wohl noch etwas dauern.
17 Oct 2018
## LINKS
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## AUTOREN
Klara Fröhlich
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