# taz.de -- Reaktionen nach dem Tory-Parteitag: Es gibt mehr zu tun als Brexit | |
> Folgen auf die vielversprechenden Worte von Premierministerin May auch | |
> Taten? Nach dem Parteitag gehen die Meinungen auseinander. | |
Bild: Hat sich's gelohnt ihr zuzuhören? | |
LONDON taz | Während [1][Theresa May ihre Rede hält], befindet sich Shaheen | |
Mahmood vom Conservative Muslim Forum bereits auf dem Heimweg. „Es geht mir | |
nicht um die großen Reden. Die kann ich später im Internet sehen“, sagt der | |
Leiter des Verbandes der Muslime bei den britischen Konservativen. Er ist | |
fast jedes Jahr auf dem Parteitag. Er erzählt von einem Treffen über | |
Christen im Mittleren Osten, einem Seminar über Artificial Intellligence | |
und einem anderen über die Geschichte der Konservativen Partei. | |
Zum Brexit hat sein Verband keine Meinung. Aber er selbst ging auf eine | |
Werbeveranstaltung für ein zweites Brexit-Referendum mit Exministerin | |
Justine Greening und Justiz-Staatssekretär Philip Lee – und die war so | |
voll, dass er auf dem Boden saß. „Die nächsten sechs Monate werden | |
intensiv“, glaubt er, warnt aber: „Wer behauptet, dass die Partei gespalten | |
sei, sollte wissen, dass alle Parlamentarier einzeln darüber entscheiden | |
müssen.“ | |
Alan Dean aus Cannock Chase, nördlich von Birmingham, schaut sich Mays Rede | |
ebenfalls nicht an, sondern geht lieber fischen. Mays Brexit-Kurs, die auf | |
einen mit der EU ausgehandelten Austritt setzt, findet er falsch. „Wir | |
wählten dafür, die EU zu verlassen, und nicht für irgendwelche | |
Verhandlungen.“ Dean ist ehemaliges Ukip-Mitglied, trat aber vor zwei | |
Monaten aus, weil die Partei ex-Mitglieder der rechtsradikalen „English | |
Defence League“ von Tommy Robinson aufnahm. | |
Ein anderer Ex-Ukip-Aktivist, Eddie Powell im südenglischen Maidstone, | |
jetzt parteiloser Gemeinderat, sieht die Konservativen als unendlich | |
zerstritten. „Ich mochte auf dem Parteitag insbesondere, was Boris Johnson | |
sagte, weil hinter seiner Meinung wahre Überzeugung stand“, erzählt er. Bei | |
Theresa May sei er sich nicht so sicher. „Es sieht eher so aus, als ob sie | |
die richtigen Soundbites aufgegabelt hätte.“ | |
## Der Brexit überlagert praktische Politik | |
Für politisch Interessierte in Themenbereichen jenseits des Brexit | |
offenbart der Parteitag einen Kontrast zwischen vagen Reden, wie jener von | |
Boris Johnsons, und pragmatischer Politik. Andrew Neilson, Kampagnenchef | |
der „Howard League“, die für Reformen im Strafvollzug eintritt, berichtet | |
von produktiven Gesprächen auf dem Parteitag mit dem zuständigen | |
Staatssekretär Rory Stewart. | |
„Es war aber klar, dass er sich trotz Interesse in den nächsten Monaten | |
wegen Brexit nicht in der Lage sieht, legislative Veränderungen | |
durchzubringen.“, berichtet Neilson. „Worum es dem Minister ging, war die | |
Frage, was er jetzt mit den ihm zur Verfügung stellenden Mitteln tun | |
könne.“ | |
Trotzdem war seine Veranstaltung gut besucht und Leute waren an der Debatte | |
interessiert, so Neilson. Er hatte sogar das Gefühl, dass man ihm bei den | |
Konservativen mehr Beachtung schenkte als seinem Kollegen eine Woche vorher | |
auf dem Kongress der Labour-Opposition. | |
## Hoffen auf Impulse im Wohnungsbau | |
Positive Versprechen sieht Tasha Brade von „Justice for Grenfell“, eine der | |
Hauptlobbygruppen für die Opfer und Betroffenen der Grenfell-Katastrophe. | |
Wohnungsminister James Brokenshire verkündete, dass brennbares Baumaterial | |
verboten werden soll. Doch auch Brade ist besorgt, dass es aufgrund des | |
Brexit bei Worten bleibt. | |
Adam Langleben aus dem Vorstand der jüdischen Arbeiterbewegung ist | |
beeindruckt von Mays Ankündigung, dass Kommunen künftig unbegrenzte | |
staatliche Darlehen für den sozialen Wohnungsbau in Anspruch nehmen können. | |
„Diese mutige Maßnahme könnte in Großbritannien und gerade in London viel | |
verändern“, glaubt er. Aber der Streit zwischen May und Johnson? „Hund | |
beißt Hund“, sagt er dazu. | |
Eine verpasste Chance bescheinigt der Premierministerin die Juristin | |
Jacqueline McKenzie, Anwältin einiger karibischer Migrant*Innnen der | |
sogenanntenn „Windrush-Generation“ aus der Zeit zwischen 1940 und 1971, | |
welche später in Theresa Mays Amtszeit als Innenministerin widerrechtlich | |
ihre Bürgerrechte verloren oder gar abgeschoben wurden. McKenzie zeigt sich | |
vom Parteitag vollkommen enttäuscht. | |
„Das war doch eine Gelegenheit, konkrete Maßnahmen auch gegenüber der | |
Windrush Generation anzukündigen, oder zumindest zu sagen, was die | |
Regierung bisher alles getan hat – gerade weil May in ihrer Rede | |
rassistische und frauenfeindliche Bedrohung der ersten schwarzen | |
Abgeordneten des Unterhaus, Diane Abbott, ansprach.“ | |
Mays Hinweise auf die vielen in der Partei hochgekommenen Vertreter | |
ethnischer Minderheiten und Personen aus schwierigen sozialen Umständen | |
empfindet McKenzie als beleidigend. „Es ist doch gerade diese Partei, die | |
Dienstleistungen für sozial Schwächere gestrichen hat.“ | |
3 Oct 2018 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
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