# taz.de -- Kommentar Mays Parteitagsauftritt: Neue Stärke, alte Schwächen | |
> Beim Parteitag der britischen Konservativen zeigte sich Theresa May | |
> souverän. Wie sie in Brüssel punkten will, bleibt aber rätselhaft. | |
Bild: Ihr geht es nicht nur um Europa, sondern auch um britische Innenpolitik: … | |
Sie tanzte zu Abbas „Dancing Queen“ auf die Bühne, [1][sie hielt eine | |
souveräne Rede], sie strahlte Zuversicht aus: Alles, was zuletzt der | |
britischen Premierministerin abhandengekommen zu sein schien, war bei | |
Theresa Mays Auftritt zum Abschluss des Jahresparteitags der regierenden | |
Tories plötzlich wieder da. Es ist, als zöge Großbritanniens glücklose | |
Regierungschefin geradezu Stärke aus dem Gegenwind, der ihr in Brüssel und | |
innerhalb des eigenen Lagers ins Gesicht bläst. Diese Premierministerin | |
wird das Land so schnell nicht los – es sei denn, die Parlamentarier in | |
Westminster nähmen dafür den eigenen politischen Untergang in Kauf. | |
Das bedeutet natürlich nicht, dass die tiefen Gräben in der britischen | |
Politik in Bezug auf den Brexit plötzlich zugeschüttet wären. Dass Theresa | |
May ihr Brexit-Konzept jetzt ein Freihandelsabkommen nennt, womit bisher | |
ihre Gegner ihre eigenen Konzepte bezeichnet hatten, verwirrt mehr, als es | |
erhellt. Wie die Britin jetzt in Brüssel punkten will, bleibt rätselhaft. | |
Außer sie nutzt ihre neue Stärke in der eigenen Partei dafür, neue | |
Zugeständnisse an die Europäische Union zu machen – in der irrigen | |
Hoffnung, dass das nicht auffällt. | |
Aber wer behauptet, die Briten wären vor lauter Brexit plötzlich alle | |
verrückt geworden und könnten Probleme nur noch schaffen, aber nicht lösen, | |
der dürfte durch diesen Parteitag der Konservativen ebenso wie durch | |
[2][den Labour-Parteitag in der Vorwoche] eines Besseren belehrt worden | |
sein. Was die Menschen bewegt, ist nicht Europa, sondern die britische | |
Innenpolitik, von der Rolle des Staates in der Wirtschaft bis zur | |
Wohnungskrise. Die linke Opposition sprüht vor Ideen, manche merkwürdig, | |
aber alle diskussionswürdig. Die konservative Regierung, voller | |
ungeduldiger junger Minister, dürfte mit dem von May verkündeten Ende der | |
Sparpolitik auch ein Ende der eigenen Ideenlosigkeit einläuten. | |
Europa könnte davon lernen. Es gibt Gründe dafür, dass in Großbritannien | |
entgegen dem Anschein populistische Strömungen eine Randerscheinung der | |
Politik bleiben und dass es das so ziemlich letzte westeuropäische Land mit | |
einem soliden Zweiparteiensystem ist. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass | |
Wahlen etwas ändern können, stabilisieren sich Politik und Gesellschaft. | |
Gerade auch deswegen ist das Gerede von einem zweiten Brexit-Referendum, | |
das das erste rückgängig macht, so fahrlässig. | |
Besser wäre es, den Brexit dafür zu nutzen, überfällige Veränderungen in | |
Großbritannien endlich anzugehen. May und Corbyn haben jedenfalls bewiesen, | |
dass sie dazu bereitstehen. | |
4 Oct 2018 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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