# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Werders Mut tut gut | |
> Und schon wieder gewonnen, diesmal auswärts und souverän mit 2:0 auf | |
> Schalke. Was ist das Geheimnis des grün-weißen Erfolgs? | |
Bild: Wird schon werdern: Trainer Florian Kohfeldt | |
Der meist gehörte Satz in Bremen [1][lautete schon vor dem ersten Anpfiff]: | |
„Ich habe so einen Bock auf diese Saison!“ Fünf Siege und ein paar | |
überzeugende Auftritte später ist auch dem Rest der Republik klar, dass mit | |
dem SV Werder Bremen wieder zu rechnen ist. Nach dem überzeugenden 2:0-Sieg | |
bei Champions-League-Teilnehmer Schalke 04 haben sich die Grün-Weißen | |
vorerst in der Spitzengruppe festgesetzt. | |
Der Moment, der bislang am deutlichsten den Unterschied zum SV Werder der | |
Vorjahre aufzeigte, ereignete sich vor drei Wochen während der bislang | |
einzigen Niederlage. Werder lag nach einer guten Stunde mit 0:1 beim VfB | |
Stuttgart zurück. | |
Obwohl die Mannschaft nach einem frühen Platzverweis nur noch zu zehnt | |
spielte, entschied sich Trainer Florian Kohfeldt dafür, mit Claudio Pizarro | |
und Martin Harnik für Philipp Bargfrede und Ludwig Augustinsson zwei | |
Offensiv- für zwei Defensivspieler einzuwechseln. „Wir wollen hier | |
gewinnen“, lautete die kühne Botschaft. Die Bremer dominierten die | |
Schlussphase und verloren unglücklich mit 1:2. | |
„Mut“ ist die zentrale Vokabel in der Werder-Sprache, seit Kohfeldt vor | |
einem Jahr den Cheftrainerposten übernahm. Mutig war schon die Entscheidung | |
von Aufsichtsratschef Marco Bode und Sportvorstand Frank Baumann, das | |
Trainertalent Kohfeldt gegen viel Skepsis aus der U23-Mannschaft ins | |
Profiteam zu befördern. | |
Kohfeldt überraschte die Bundesliga damit, seine Mannschaft nicht wie sonst | |
im Abstiegskampf destruktiven Ergebnisfußball, sondern kreativ und offensiv | |
spielen zu lassen. Die Quadratur des Kreises gelang: spielerischer | |
Fortschritt bei gleichzeitiger Rettung in gesicherte Tabellenregionen. | |
## Stabiler Rückhalt im Tor | |
Werder versucht mit seinem neuen Stil einen dritten Weg zwischen | |
Ballbesitz- und Umschaltfußball zu entwickeln, der sich an einem variablen | |
Kombinationsfußball orientiert, wie ihn [2][die WM-Lieblinge Belgien und | |
Frankreich] zelebrieren. Mit großer Konsequenz suchen sportliche Leitung | |
und Scouting-Abteilung seit letztem Winter das Personal für diesen Stil | |
zusammen. | |
Gefragt sind Individualisten mit Drang zum Tor, wie sie das einförmige | |
Nachwuchssystem in Deutschland kaum noch hervorbringt. Milot Rashika, | |
Martin Harnik, und Yuya Osako sind in der Lage, mit ihren Läufen und | |
Dribblings Löcher in enge Abwehrverbünde zu reißen, Davy Klaassen und Nuri | |
Sahin können sie richtig in Szene setzen. | |
Dazu machte Kohfeldt den Spieler mit dem größten Eigensinn zum Kapitän: Max | |
Kruse. Die Botschaft: Action statt Berechenbarkeit. Der verschärfte | |
Konkurrenzkampf im Mittelfeld führte bei den Eigengewächsen Philipp | |
Bargfrede und Maximilian Eggestein, dem Doppeltorschützen gegen Schalke 04, | |
noch einmal zu einer Leistungssteigerung. Mit dem vor Kurzem international | |
völlig unbekannten Jiri Pavlenka, den Baumann in Tschechien aufspürte, hat | |
Werder wieder einen stabilen Rückhalt im Tor. | |
Als Sahnehäubchen auf die mutigen Entscheidungen holten Baumann und | |
Kohfeldt ohne Angst vor Autoritätsverlust noch zwei Legenden in ihren | |
jeweiligen Wirkungskreis zurück. Extrainer Thomas Schaaf arbeitet jetzt als | |
technischer Direktor an der Trainerausbildung mit, der mittlerweile | |
40-jährige Rekordtorschütze Claudio Pizarro ist Edeljoker und Mentor der | |
jungen Stürmer. | |
Werder zeigt im Moment, wie wichtig es gerade für Clubs mit begrenzten | |
finanziellen Mitteln ist, einen klaren Plan und überzeugend agierende | |
Führungskräfte zu haben. Ohne diese beiden Zutaten wären weder die | |
Schwergewichte Klaassen und Sahin an die Weser gewechselt, noch gäbe es | |
diese prickelnde Aufbruchstimmung. Oder wie es der Schriftsteller Moritz | |
Rinke sagte: „Das wirklich Wichtigste ist ja, dass Werder – Achtung | |
grün-weiße Metapher – auch vom Kopf her gut riecht“. | |
21 Oct 2018 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Lorenzen | |
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