# taz.de -- Berliner Wochenrückblick II: Grüne viel zu zaghaft | |
> Dass die Staatsanwaltschaft wegen Sitzblockaden gegen Abgeordnete | |
> ermittelt, ist ein fatales Signal – und erforderte deutlicheren Protest | |
> der betroffenen Parteien. | |
Bild: Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) traute sich 2010… | |
Im Jahr 2010 war Wolfgang Thierse Bundestagsvizepräsident, Wolfgang | |
Wieland Bundestagsabgeordneter der Grünen, Günter Piening Berlins | |
Integrationsbeauftragter, Matthias Köhne SPD-Bürgermeister von Pankow, | |
Benedikt Lux saß schon damals für die Grünen im Abgeordnetenhaus. Und alle | |
zusammen saßen auf der Straße. Am 1. Mai nämlich, als 700 NPD-Anhänger | |
durch Prenzlauer Berg ziehen wollten, aber nicht konnten, weil fast zehnmal | |
so viele Gegendemonstranten die Route blockierten – darunter auch die fünf | |
Politiker. | |
Das Nachspiel: Schaum vorm Mund bei CDU und Polizeigewerkschaft, ein neuer | |
Spitzname für den Bundestagsvizepräsidenten, der sich fortan | |
„Blockierse-Thierse“ nennen durfte. Anfänglich ermittelte die | |
Staatsanwaltschaft, doch die Verfahren wurden eingestellt, ohne dass auch | |
nur die Immunität der Abgeordneten aufgehoben werden musste. | |
Für den zumindest halbwegs bewegungsorientierten Teil von Linken, Grünen | |
und bisweilen auch der SPD gehört es spätestens seit diesem Ereignis zum | |
guten Ton, sich bei antifaschistischen Gegenprotesten blicken zu lassen. | |
Dass die reine Beteiligung an einer Sitzblockade ein Strafverfahren nach | |
sich zieht, ist ohnehin äußerst selten, meist wird sie nicht einmal als | |
Ordnungswidrigkeit geahndet. | |
Oder muss man schreiben: wurde? In dieser Woche wurde bekannt, dass gegen | |
zwei Bundes- und vier Landtagsabgeordnete von Grünen und Linken ermittelt | |
wird, weil ihnen eine Beteiligung an den Blockaden des rechten | |
„Frauenmarschs“ in Kreuzberg letzten Februar vorgeworfen wird. | |
## Erfolg für die Rechten | |
Ein Paradigmenwechsel und ein fatales Signal in Zeiten, in denen | |
antifaschistischer Protest so notwendig wie lange nicht mehr scheint. Und | |
ein Erfolg für die Rechten, denen die breite gesellschaftliche Akzeptanz | |
von Sitzblockaden gegen rechtsextreme Aufmärsche ein Dorn im Auge ist. | |
Wolfgang Thierse verteidigte seine Beteiligung an der Blockade damals mit | |
den Worten, er als Bundestagsvizepräsident habe die gleichen | |
staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten wie alle anderen auch. Ein guter | |
Satz und eine klare Haltung, von der sich die Grünen heute eine Scheibe | |
abschneiden könnten. Sie äußerten sich in dieser Woche auffallend zaghaft | |
zu den Vorwürfen. Dass man der Justiz als Politiker nicht reinreden will, | |
ist nachvollziehbar und richtig. | |
Trotzdem: Genau jetzt wäre der Zeitpunkt, das Mittel der Sitzblockade | |
offensiv und politisch zu verteidigen und zu seiner eigenen Teilnahme zu | |
stehen, anstatt diese verdruckst als reine Beobachtung herunterzuspielen. | |
Das wäre politisch geboten – und dem eigenen Ansehen muss es, siehe | |
Wolfgang Thierse, auch nicht schaden. | |
13 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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