# taz.de -- Extrem rechtes Theater in Sachsen: Inszenierung der „Volksgemeins… | |
> „Widerstandsbewusstsein“ wecken: In Bischofswerda spielte eine rechte | |
> Laiengruppe Wilhelm Tell vor großem Publikum und mit Szenezulauf. | |
Bild: Tino Streif (links), Neonazi aus Jamel und mit Kind Stefan Köster, NPD-C… | |
Die Bühne liegt idyllisch mitten im Wald nahe Bischofswerda. Auf der | |
Naturbühne in Sachsen führte am vergangenen Freitag und Samstag die | |
„Laienspielgruppe ‚Friedrich Schiller‘“ das Stück „Wilhelm Tell“ �… | |
„klassisch inszeniert“ – auf. Ein voller Erfolg, es wurden rund 800 Karten | |
verkauft. | |
Nicht bloß aus der Region waren Zuschauer gekommen, auch aus anderen | |
Bundesländern, sowie der Schweiz und Österreich. Denn auf der Bühne standen | |
in selbstgemachten mittelalterlichen Kostümen „Jugendliche und | |
Junggebliebene“ aus rechten Strukturen, um das Drama vom Widerstand eines | |
unterdrückten Volkes gegen eine Willkürherrschaft aufzuführen. | |
Auf der Eintrittskarte zu der Aufführung der Laiengruppe um Baldur | |
Borchardt dürfte so auch nicht zufällig der in extrem rechten Kreisen sehr | |
beliebte „Rütli-Schwur“ als Zitat stehen: „Wir wollen sein ein einzig Vo… | |
von Brüdern. Wir wollen frei sein wie die Väter waren. Wir wollen trauen | |
auf den höchsten Gott“. Im Begleitheft zu der Inszenierung wird betont: | |
„Mit dieser Aufführung wird ein wichtiger Beitrag für das Kulturschaffen in | |
Deutschland geleistet. Möge der Schillersche Freiheitsgedanke als edles und | |
hohes Ziel uns Deutschen in der heutigen Zeit wieder bewusst sein!“. | |
Zu den Gästen an den beiden Tagen gehörten auch Stadträte der Stadt | |
Bischofswerda. Viele Besucher aber kamen aus rechten Strukturen und | |
Organisationen. Sie wollten teilweise Familienmitglieder oder Bekannte live | |
erleben. Mit ihren Kindern reisten sie an, entluden Kleinbusse, bauten | |
Zelte auf einer kleinen Lichtung auf. | |
## Rechtes Familientreffen | |
Der ehemalige Bundesführer der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen | |
Jugend“ (HDJ), Sebastian Räbiger, reiste mit dem NPD-Mann aus Lübtheen, | |
Torgej Klingebiel, samt Familien an. Der NSU-Verteidiger Wolfram Nahrath | |
kam mit Angehörigen aus Berlin. Stefan Köster, NPD-Landesvorsitzender in | |
Mecklenburg-Vorpommern war mit Familie und rechten Bewohnern aus Jamel | |
gekommen. Der ehemalige NPD-Ordnungsleiter Frank Klawitter, auch in der HDJ | |
aktiv, reiste mit großer Gruppe an. Seine Kinder besuchen die Lager des | |
Sturmvogel. Ehemalige Mitglieder der HDJ aus Bayern begrüßten fröhlich | |
Bekannte. Anhänger der „Identitären Bewegung“ waren ebenso vertreten wie | |
Kandidaten der AfD aus Mecklenburg und Sachsen. | |
Über 80 Darsteller, der jüngste neun und der älteste 61 Jahre alt, wirkten | |
aus allen deutschsprachigen Ländern bei der Inszenierung mit, heißt es im | |
Begleitheft. Auffallend: wie bei Theaterheften sonst üblich, wird hier kein | |
einziger Schauspieler mit Rolle und Namen vorgestellt. Zudem zeigen Fotos | |
von den Proben nie ein Gesicht. Stattdessen sind die Rücken der Darsteller | |
zu sehen oder ein Gruppenbild, das von einer solchen Entfernung aufgenommen | |
wurde, dass die Personen darauf nicht erkennbar sind. | |
Aus dem Familien- Freundes- und Bekanntenkreis will Borchardt die | |
Mitstreiter für die hobbymäßige Inszenierung gewonnen haben. Noch vier Tage | |
danach schwärmt Fabian Rimbach von der Aufführung auf der Waldbühne. Der | |
Familienvater ist der Vorsitzende der „Schlesische Jugend Bundesgruppe e.V. | |
– Jugendorganisation der heimatvertriebenen Deutschen“. Am Samstag sah er | |
mit seiner Frau das Stück. „Die ersten Proben haben bei uns stattgefunden, | |
wir haben auch die Versorgung gemacht“, sagt Rimbach weiter, „da wollten | |
wir mit unserem Besuch auch etwas zurückgeben“. | |
Die letzten Proben vor der Aufführung fanden aber nicht in dem Landgasthof | |
im thüringischen Marlishausen statt. In der Region hätte die Laiengruppe | |
keine Bühne gefunden, so Rimbach. Sie musste nach Sachsen ausweichen, und | |
da wäre ihr Landgasthof einfach zu weit weg gewesen. Und Rimbach weiß auch, | |
rechts wären diese hoch engagierten Leute nicht. „Mir ist da kein Symbol | |
oder irgendetwas aufgefallen“, sagt er. | |
## Deutsches Brauchtum und deutsche Bildung | |
2011 trennte sich die „Landsmannschaft Schlesien“ von ihrem Jugendverband, | |
da er rechtsextremistisch unterwandert war. Im aktuellen | |
Verfassungsschutzbericht Thüringens findet Rimbachs Landgasthof Erwähnung. | |
Die Raumwahl für die Proben dürfte kein Zufall gewesen sein. In diesem | |
Milieu der völkischen Familien kennt man sich, ist vernetzt und unterstützt | |
sich. Vermeintlich deutsches Brauchtum und Bildung werden gepflegt. | |
Die Wahl des Stückes von Schiller überrascht wenig. Die Figur Wilhelm Tell | |
greift die Szene immer wieder auf: Der Holocaust-Leugner Bernhard Schaub | |
behauptete auf der Holocaust-Leugner-Konferenz in Teheran 2006: „Die | |
Freiheitshelden Arminius und Wilhelm Tell sind nicht tot. In den besten | |
Männern und Frauen aller Nationen leben sie weiter.“ | |
Jürgen Elsässer, Chefredakteur der weit rechten Zeitschrift Compact“ | |
betonte in der „Sonder-Ausgabe Nr. 9“ mit dem Titel „Zensur in der BRD“: | |
„Damals waren es die Dynastien des Adels wie die Windsors, Habsburger und | |
Romanows, heute sind es die Dynastien des Geldes, die Rockefellers und Co. | |
Das Volk blutet, heute wie damals. Aber es kämpft. Wir kennen seine Helden | |
aus den Geschichtsbüchern: Das waren etwa Robin Hood, Klaus Störtebeker, | |
Thomas Müntzer und Wilhelm Tell. Die waren weder links noch rechts, das gab | |
es damals nicht. Sie waren einfach für das Volk: für uns da unten, gegen | |
die da oben“. | |
Das Event Bischofswerda offenbart nicht bloß die starke Vernetzung der | |
Milieus über parteipolitische Grenzen hinweg. Karten konnten über die | |
Website der Laienspielgruppe bezogen werden, regional bot ein einziger | |
Laden in Bautzen sie an. Das Inhaberehepaar organisierte Demonstrationen | |
von „Wir sind Deutschland – Bautzen“. Diese Verzahnung spiegelt die tief | |
liegenden Kontakte wider, die mithilfe von kulturellen Projekten gepflegt | |
werden. Eine Dimension, die oft nicht wahrgenommen wird, auch weil sie kaum | |
nach außen sichtbar ist. | |
## Nichts aufgefallen | |
„Die Laienspielgruppe war mir vorher nicht bekannt“, sagt Uwe Hänchen. Er | |
ist der Ansprechpartner für die Waldbühne in Bischofswerda und schließt die | |
Verträge ab. „Der Name des Vertragspartners war mir auch nicht als | |
einschlägig bekannt“, sagt Hänchen weiter. In der rechten Szene kenne er | |
sich nicht so aus, sagt er. Er könne nicht ausschließen, dass da eventuell | |
Rechte mit auf der Bühne gestanden hätten. „Mich überraschte aber schon, | |
dass die Zuschauer aus dem gesamten Bundesgebiet und auch aus Österreich | |
und der Schweiz kamen“. Auf der Bühne sei ihm aber nichts besonderes | |
aufgefallen. | |
Während die extrem rechte Szene [1][in Chemnitz] und [2][Köthen] zum | |
Widerstand auf der Straße aufruft, ließ Baldur Borchardt, der Veranstalter | |
des Theaterstücks, Nachfragen der taz unbeantwortet. | |
14 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
andrea Röpke | |
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