# taz.de -- Podcast „Passierte Tomaten“: Kritik ist kostenloser Unterricht | |
> Radikal oder verständnisvoll? Über feministische Strategien lässt sich | |
> streiten. Dabei braucht es beides – und den Mut, Fehler zu machen. | |
Bild: Feministischer Streit braucht Wohlwohllen und Radikalität gleichzeitig | |
Wie geht feministischer Streit? Eine Anleitung dafür gibt es nicht. | |
Trotzdem scheinen wir uns – auch innerhalb der Bewegung – immer wieder | |
uneinig darüber zu sein, wie viel Radikalität oder Wohlwollen der | |
gemeinsamen Sache zuträglich ist. | |
Die Auseinandersetzung ist so alt, wie soziale und gesellschaftliche | |
Bewegungen selbst. Bei den Suffragetten, die seit Beginn des 19. | |
Jahrhunderts für das Wahlrecht der Frauen in Großbritannien kämpften, gab | |
es einen militanten Flügel, der lange nicht von allen Aktivist*innen | |
gut geheißen wurde. Heute streiten wir uns weniger um den Nutzen physischer | |
Gewalt sondern mehr um die Art und Weise, wie feministische Kämpfe | |
ausgetragen und Anliegen kommuniziert werden. | |
Ein Problem dieses Konflikts ist, dass er immer auch ausschließend wirken | |
kann. Wer mehr oder weniger öffentlich eine Haltung einnimmt, wird schnell | |
zur Zielscheibe. Die meisten Menschen sind geübter darin, andere zu | |
kritisieren, als eigene Ideen einer mitunter harten Diskussion auszusetzen. | |
Aus Angst angegriffen zu werden oder Fehler zu machen, bleiben viele – auch | |
in feministischen Debatten – lieber still. | |
„Wir nehmen Forderungen von anderen auseinander, kommen aber unserer | |
eigenen Verantwortung nicht nach“, meint Autorin und Aktivistin Kübra | |
Gümüşay, „dabei ist Kritik kostenloser Unterricht“. Auch Sookee, Rapperin | |
und queer-feministische Aktivistin, sieht ein Problem darin, wie wir | |
miteinander streiten: „Es gibt so eine Geilheit darauf, Fehler an anderen | |
zu entdecken. Das Gefühl kenne ich. Aber jemand anderen an die Wand zu | |
reden hilft nur meinem Ego und nicht der Sache an sich“. | |
Müssen wir deswegen immer verständnisvoll und sensibel zu denen sein, die | |
ungeübt mit Feminismus oder gesellschaftlicher Vielfalt sind? Natürlich | |
nicht, finden beide Gesprächspartnerinnen, denn Menschen haben | |
unterschiedliche Grenzen und Ressourcen. „Es braucht Leute, die mit Rechten | |
reden“, sagt Gümüşay, „aber das sollten auf keinen Fall alle machen. Es | |
braucht eine gesunde Balance. Dass alle alles abdecken, ist einfach zu viel | |
verlangt“. | |
Wie sehen also Strategien für eine feministische Bewegung im Jetzt und in | |
der Zukunft aus? Vermutlich vielfältig, mutig und fehlerhaft. Ein | |
(verbaler) Tomatenwurf mag manchmal nötig sein – doch auch im Kleinen und | |
Stillen lässt sich etwas bewegen. Wichtig ist, dass jede*r Verantwortung | |
übernimmt. „Nicht, weil es jemand vorschreibt, sondern weil es ein | |
Bedürfnis danach gibt“, sagt Sookee. | |
*** | |
Vom 9. bis zum 14. September 2018 veröffentlichen wir täglich ein neues | |
Podcast-Gespräch zu feministischen Streitthemen auf [1][taz.de] und unseren | |
Kanälen bei Spotify und iTunes. Diesmal sprechen wir über wohlwollende und | |
destruktive Kritik, mühsame Grabenkämpfe und wie sich das Übernehmen | |
gesellschaftlicher Verantwortung positiv konnotieren lässt. Alle Gespräche | |
erschienen zum Jahrestag des Tomatenwurfs am 13. September gedruckt in der | |
taz. Mit diesem Spezial launchen wir außerdem auf taz.de einen | |
[2][Schwerpunkt zu feministischen Themen]. Schließlich steht die taz seit | |
40 Jahren für kontinuierliche feministische Berichterstattung. | |
14 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Lin Hierse | |
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