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# taz.de -- Entscheidung zur Fußball-EM 2024: Ohne Geschrei und laute Töne
> Ausrichterkandidat Türkei gibt sich vor Vergabe der Fußball-EM 2024
> optimistisch. Auch weil sich Staatspräsident Erdoğan zurückgehalten hat.
Bild: Deutsch-türkische Begegnung bei der EM-Quali 2010 im Berliner Olympiasta…
Berlin taz | Wenn am Donnerstagnachmittag in Nyon die Entscheidung fällt,
wer das Rennen um die Ausrichtung der Fußball-EM 2024 macht, wird einer der
Protagonisten fehlen. Der sonst bei jeder Brückeneröffnung von Kayseri bis
Kosovo Reden schwingende türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wird dann
im Flugzeug nach Deutschland sitzen.
Schon während der Bewerbungskampagne hatte sich Erdoğan auffällig
zurückgenommen: keine reißerischen Anschuldigungen, kein Aufwiegeln der
Massen, die EM-Bewerbung war schlicht nie Thema. Dies könnte eine Maßgabe
der PR-Agentur „Vero Communications“ gewesen sein, die schon einige
internationale Turniervergaben erfolgreich lobbyiert hat. Zuletzt verhalf
die Firma Katar zur WM-Ausrichtung 2022.
Auch im eigenen Land wurde eine Debatte um die türkische EM-Bewerbung
vermieden. Einzig die englischsprachige Regierungspostille Daily Sabah
schrieb nach Protesten einiger Fans gegen die DFB-Bewerbung am vergangenen
Wochenende: „Sogar die deutschen Fans wollen nicht die EM in Deutschland.“
Zuvor waren im Zuge der [1][Özil-Affäre] vor allem die Rassismusvorwürfe
gegen DFB-Präsident Reinhard Grindel von Politikern und Medien aufgenommen
worden.
Vor allem die wenigen noch verbliebenen oppositionellen Medien
kommentierten den jüngst veröffentlichten Evaluationsbericht der Uefa. In
der linken Tageszeitung Evrensel ging der Kolumnist Mithat Fabian Sözmen
auf den dort monierten fehlenden Schutz der Menschenrechte ein.
Aber, so Sözmen, das müsse kein Nachteil sein: Die Uefa würde, wie auch
die Fifa und das IOC, meist die eigenen Interessen über
Demokratiebestrebungen der Ausrichterländer stellen. Vielmehr stelle der
Bericht einen großen Pluspunkt der türkischen Bewerbung heraus: die
bedingungslose Unterstützung aller steuerlichen und rechtlichen Forderungen
der Uefa durch den Präsidenten.
## Nur vier Fußballstadien
Der türkische Verbandspräsident Yıldırım Demirören lobt vor allem die
umfassenden Investitionen in Infrastruktur und Stadien. Aber genau in
dieser Frage hat der Bericht Kritik an der Türkei geübt. Für Spiele ab dem
Viertelfinale seien nur vier Stadien im Nordwesten des Landes geeignet,
zudem gebe es außerhalb Istanbuls und Antalyas nur begrenzte
Hotelkapazitäten.
Das größte Fragezeichen steht jedoch hinter dem Transportwesen. Die Türkei
plant Investitionen im Umfang von 17 Milliarden Euro in das bisher kaum
ausgebaute Streckennetz für Schnellzüge. Ein Großteil davon soll erst in
den kommenden Jahren fließen, was ein Hindernis für die Pläne bedeuten
könnte. Infrastrukturprojekte in dieser Größenordnung werden meist an Joint
Ventures mit ausländischen Bauunternehmen vergeben, die Garantien in
Fremdwährungen ausgestellt bekommen. Durch den kürzlich [2][rapiden Verfall
der eigenen Währung] verteuern sich Bauprojekte nun um ein Vielfaches.
Inwiefern die Krise in der Türkei in die Entscheidung der Uefa-Delegierten
einfließt, ist schwer abzuschätzen. Der Evaluationsbericht erwähnt
lediglich, dass die „aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen die geplanten
öffentlichen Investitionen unter Druck setzen könnten“. Eine andere Frage
ist, ob bei einer von extremen Preisanstiegen und wachsenden
Arbeitslosigkeit gebeutelten Bevölkerung die Freude über ein Großturnier im
eigenen Land überwiegt, oder doch eher der Frust über die
verschwenderischen Ausgaben.
Bei seinem Deutschlandbesuch in der vergangenen Woche versuchte
Finanzminister Berat Albayrak Vorbehalte wegzuwischen: Die Wirtschaft der
Türkei sei stabil, die Stadien bereit. Und brachte damit das Mantra der
türkischen Bewerbung auf den Punkt: Beton statt Bedenken.
Am Ende könnte dies vielleicht den Nerv der Entscheidungsträger treffen.
Uefa-Präsident Aleksander Čeferin ließ zuletzt durchblicken, dass man sich
nur ungern zu politischen Themen äußere. Die 17 Mitglieder des
Exekutivkomitees treffen überdies ihre Entscheidung unabhängig vom
Evaluationsbericht nach besten Wissen und Gewissen – was auch immer das
bedeuten mag.
Ein Gewinner steht indes schon fest: Wenn Präsident Erdoğan am
Donnerstagabend in Berlin landet, kann er sich entweder über einen der
größten Prestigeerfolge seiner Regierungszeit freuen, oder mit einer
Gratulation an den DFB den aktuellen Annäherungskurs an die deutsche
Regierung untermauern.
26 Sep 2018
## LINKS
[1] /Der-Fall-Mesut-Oezil/!5526301
[2] /Zinserhoehung-in-der-Tuerkei/!5533537
## AUTOREN
Dénes Jäger
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