| # taz.de -- Wildschweinjagd in Niedersachsen: In die Falle gegangen | |
| > In Niedersachsen sollen Wildschweine mit Fallen gejagt werden, um die | |
| > Afrikanische Schweinepest fern zu halten. Tierschützer kritisieren das. | |
| Bild: Stehen in Niedersachsen auf der Abschussliste: Wildschweine | |
| Hannover taz | Niedersachsen bereitet sich auf die Afrikanische | |
| Schweinepest vor. Nicht erst seitdem es Belgien erwischt hat, ist die Angst | |
| vor der Seuche groß, die nicht nur Wild-, sondern auch Hausschweine treffen | |
| kann und die Tiere innerhalb von 48 Stunden sterben lässt. | |
| „Wir haben es nun mit einer handfesten Bedrohung vor der Haustür zu tun“, | |
| warnt die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast | |
| (CDU). „Prävention hat die höchste Priorität.“ Die große Koalition setzt | |
| dabei auf die frühzeitige Tötung von Wildschweinen – die Art, wie die Tiere | |
| erschossen werden sollen, kritisieren jedoch nicht nur Tierschützer. Auch | |
| die Jäger selbst erwarten Nachbesserungen bei den geplanten Änderungen des | |
| Jagdgesetzes. | |
| Der Entwurf sieht nämlich den Einsatz von Fallen für Wildschweine vor. | |
| Dieter Ruhnke, der Vorsitzende des Deutschen Tierschutzbundes in | |
| Niedersachsen, zeigt ein Video einer solchen Falle. Über einer Futterstelle | |
| hängt ein großer Drahtkäfig. Darunter hat sich eine Wildschweinrotte | |
| versammelt, die Frischlinge fressen neben ihren Elterntieren. | |
| Plötzlich kracht der Käfig herunter und die Tiere stieben auseinander. Es | |
| wirkt, als sei eines der Jungtiere unter dem Rand des Gitters eingeklemmt. | |
| Was dann passiert sein muss, ist nicht mehr auf dem Video zu sehen. Die | |
| gefangenen Tiere werden in der Regel eines nach dem anderen erschossen. | |
| ## Das Land will auch Elterntiere töten lassen | |
| Eine andere Methode sind die sogenannten Sauenfänge, also Käfige am Boden. | |
| Dort legen die Jäger für die Wildschweine immer wieder Futter aus, bis | |
| diese mit der ganzen Rotte in den Käfig gehen. Dann schließt sich die | |
| Klappe und den Schweinen blüht das gleiche Ende. | |
| Das Land will die Wildschweinpopulation signifikant reduzieren, um zu | |
| verhindern, dass die Seuche ausbricht. Dafür sollen die Fallen her und auch | |
| das Verbot, Elterntiere zu töten, von denen Frischlinge abhängig sind, soll | |
| aufgeweicht werden. Dies soll nicht nur erlaubt werden, wenn das Virus | |
| nachgewiesen ist, sondern auch zur Prävention. | |
| „Ein Jäger darf dann alles abschießen, was ihm vor die Flinte läuft, ohne | |
| dass er zur Rechenschaft gezogen werden kann“, kritisiert Ruhnke. Er lehnt | |
| die Regelung ebenso ab wie den präventiven Einsatz von Fallen. All das | |
| diene nur dem Schutz der Fleischwirtschaft. | |
| In der Begründung des Gesetzentwurfs befürchtet die große Koalition | |
| wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe, sollte die Seuche ausbrechen. | |
| Denn wenn ein Tier in einem Betrieb infiziert ist, müssen alle geschlachtet | |
| und der Betrieb muss für mindestens 40 Tage gesperrt werden, um die weitere | |
| Ausbreitung zu verhindern. | |
| Sollte es tatsächlich zum Ausbruch kommen, bewertet Ruhnke die Maßnahmen | |
| für Wildschweine jedoch anders. Das gilt für die Fallen und auch den | |
| Abschuss von Elterntieren: „Um im Ausbruchsfall infizierte Schweine | |
| einzufangen und schnellstmöglich von ihrem Leiden zu erlösen, müssten wir | |
| das hinnehmen. Aber nur dann“, sagt Ruhnke. | |
| Helmut Dammann-Tamke ist nicht nur CDU-Landtagsabgeordneter, sondern auch | |
| der Präsident der Landesjägerschaft. Auch er lehnt Massenfallen ab. Für die | |
| Jäger sei es eine psychische Belastung, die Tiere in den Fallen zu töten. | |
| „Diese intelligente Tierart verspürt instinktiv, was jetzt passiert.“ | |
| Einzeltierfänge könne er sich hingegen schon vorstellen, um im Falle eines | |
| Ausbruchs die infizierten Wildschweine zu fangen – gerade in der Nähe | |
| bebauter Gebiete, in denen nicht wirkungsvoll gejagt werden könne. Er gehe | |
| davon aus, dass das Gesetz noch nachgebessert und der Teil mit der | |
| Prävention gestrichen werde, sagt Dammann-Tamke. In der heutigen Sitzung | |
| des Agrarausschusses wird die geplante Gesetzesänderung diskutiert und | |
| Experten werden angehört. | |
| Das Landwirtschaftsministerium scheint jedoch bisher an seinem Entwurf | |
| festzuhalten. „Nicht nur im Ausbruchsfall, sondern bereits präventiv können | |
| die Fallen, insbesondere in urbanen Randbereichen ein wichtiges Mittel der | |
| Reduktion sein“, antwortet das Ministerium auf Anfrage der taz. Die Fallen | |
| seien eine „verhältnismäßig ruhige Jagdmethode“. Ein Berufsjäger solle | |
| andere Jäger darin schulen. | |
| Um mehr Tierschutz zu gewährleisten, wenn in solch einem Käfig ein Tier | |
| nach dem anderen erschossen wird, setzt das Ministerium darauf, | |
| Schalldämpfer zu erlauben: „Je leiser dieses geschehen kann, desto ruhiger | |
| verhalten sich auch die Tiere in der Falle. Damit sinkt das | |
| Verletzungsrisiko.“ | |
| Die grüne Landtagsabgeordnete Miriam Staudte befürwortet zwar grundsätzlich | |
| den Einsatz von Schalldämpfern bei der Jagd, weil damit auch das Gehör von | |
| Jagdhunden geschützt werde, hält es aber als Tierschutzargument für die | |
| Massenfallen für ungeeignet. „Es bricht immer Panik aus, wenn die ganze | |
| Rotte gefangen wird“, sagt sie. | |
| Der Fall Belgien habe zudem gezeigt, dass das Virus eben nicht | |
| hauptsächlich von Wildschwein zu Wildschwein übertragen werde, sondern über | |
| den Menschen und seine Transportmittel (siehe Kasten). Die Seuche hat sich | |
| bisher vor allem in Osteuropa verbreitet, nun aber Deutschland | |
| übersprungen. Belgische Behörden haben bisher fünf Fälle gemeldet. Zwei | |
| Kadaver von Wildschweinen wurden nur 60 Kilometer von der deutschen Grenze | |
| entfernt gefunden. | |
| ## Hygiene statt Massaker | |
| „Man müsste den Schwerpunkt auf die Hygiene in der Produktionskette legen“, | |
| sagt Staudte. Mit der Jagd allein sei der wachsenden Wildschweinpopulation | |
| in einem Bundesland, in dem die Tiere so viel Futter und Deckung in den | |
| Maisfeldern fänden, ohnehin nicht beizukommen. Die Jäger im Land schießen | |
| jährlich etwa 55.000 Wildschweine und halten damit den Bestand nur etwa | |
| konstant. | |
| Das Landwirtschaftsministerium versucht bereits seit dem vergangenen | |
| Sommer, Schweinehalter, Jäger und Viehtransporteure für die Seuche zu | |
| sensibilisieren. Auf Autobahnraststätten gibt es verschlossene Mülleimer, | |
| damit die Wildschweine keine infizierte Wurst stibitzen können und sich das | |
| Virus weiter ausbreitet. | |
| Und kürzlich hat das Ministerium in einer Tierseuchenübung ausprobiert, wie | |
| gut die Zusammenarbeit der Behörden und Jäger im Falle eines Ausbruchs | |
| klappt. „Niedersachsen hat sich in den vergangenen Monaten intensiv auf | |
| dieses Szenario vorbereitet“, sagt Ministerin Otte-Kinast. | |
| Ruhnke vom Deutschen Tierschutzbund bezweifelt dennoch, dass die Strategie, | |
| schon vor dem Ausbruch möglichst viele Wildschweine zu töten, die richtige | |
| ist. „Der Abschuss bringt überhaupt nichts“, sagt er. Wenn ein Revier frei | |
| werde, weil eine Rotte getötet worden sei, werde es von einer anderen | |
| besetzt. Die Wildschweine wanderten also, vermehrten sich in dem neuen | |
| Gebiet und die Seuche könne sich noch besser geografisch ausbreiten. | |
| Stattdessen solle man sich fragen, „wie der Virus in hermetisch | |
| abgeriegelte Schweineställe gelangen kann“, sagt Ruhnke. „Bestimmt nicht | |
| durch eine Wildschweinrotte.“ | |
| 18 Sep 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Andrea Maestro | |
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