# taz.de -- Vorstandsnachwahl der Bremer Grünen: Koopmann aus der Kiste | |
> Bei der Nachwahl des Landesvorstandssprechers der Bremer Grünen hat | |
> Hermann Kuhn überraschend Konkurrenz bekommen: Ingo Koopmann tritt gegen | |
> ihn an. | |
Bild: Grüner Scharfrichter: Ingo Koopmann | |
Bremen taz | Mit Ingo Koopmann hatte keiner gerechnet. Zwar ist der | |
53-jährige Diplom-Ingenieur und Gastwirt – die Wurstkneipe, die er in der | |
Martinistraße betrieben hatte, trug den eingängigen und markengeschützten | |
Namen Scharfrichter – seit 1989 Parteimitglied bei Bündnis 90/Die Grünen, | |
aber in seinen Bremer Jahren sozusagen eher nicht praktizierend. Und dass | |
er als Kandidat für den Posten des Landesvorstandssprechers in Frage kommen | |
könnte, den die Mitglieder am Freitag nach Ralph Saxes Rücktritt neu wählen | |
müssen, wäre folglich auch niemandem eingefallen. | |
Außer eben: ihm selbst. „Als Hermann Kuhn gleich nach Ralph Saxes Rückzug | |
seine Kandidatur erklärt hat“, sagt Koopmann, „dachte ich: Das kann's doch | |
nicht sein“. Die Partei lebe auch davon, dass sie sich erneuere, sagt | |
Koopmann der taz. | |
Es gehe nicht um das Alter – aber Kuhn präge die Partei in Bremen schon | |
seit mehr als 20 Jahren mit und „diese Generation hat auch ein Stück weit | |
abgewirtschaftet“. Da habe er also angefangen nachzudenken, sich mit seiner | |
Frau besprochen und schließlich entschieden, anzutreten: „Die Leute haben | |
ein Verlangen nach Wechsel“, sagt Koopmann. Darin sieht er seine Chance, | |
auch wenn er weiß: „Ich bin Außenseiter.“ | |
Klar, so ein Überraschungsbewerber wird im Vorstand nicht für ausgelassenen | |
Jubel sorgen: Mit Kuhn weiß jeder, woran er ist, im Guten wie im | |
Schlechten. Koopmann, der wie Kai aus der Kiste auftaucht, hat zwar | |
Hochschul- und Kommunalpolitik bis Mitte der 1990er-Jahre gemacht – aber | |
eben nicht in Bremen, sondern in Berlin im AStA der Technischen | |
Fachhochschule und dann in Kreuzberg bei den Grünen (GAL). | |
## Keine Zugeständnisse an Rechte | |
Die kloppten sich damals erbittert um die Frage, wo das | |
Alternativkulturzentrum Tempodrom seinen neuen Standort bekommen sollte. | |
Nicht auf unserem Hundekackrasen!, das stand für eine Mehrheit in Ehren | |
ergrauter GALlier fest, kein Quadratzentimeter Park vom Anhalter-Bahnhof – | |
wo das Tempodrom heute steht – für einen Bühnenbau, hieß die Devise. | |
Sein Versuch, fürs Kulturzelt zu werben, und dabei ökologische Kriterien | |
der Ansiedlung auszuhandeln, beförderte Koopmann umgehend ins Abseits: | |
Bezirksvorstand geht schließlich auch ohne Abweichler. Seine Vorstellung | |
vom Amt eines Parteivorstandssprechers ist die eines Scharniers zwischen | |
Stadtbevölkerung und Mitgliedern: „Bremen braucht günstigen Wohnraum, | |
Bremen muss Geld in die Bildung stecken: Dafür müssen wir kämpfen“, sagt | |
er. „Wir müssen uns daran orientieren, was die Stadt will und unsere | |
Politik daran ausrichten.“ Natürlich „ohne deshalb Zugeständnisse an Rech… | |
zu machen“. | |
Warum er jetzt wieder nach vorne drängt? „Ich habe festgestellt, dass ich | |
viel zu lange keine Politik mehr gemacht habe“, sagt er. Die deprimierende | |
Wiederkehr von Ausländerhass und rechter Stimmungspolitik empfindet er als | |
Aufforderung „erst recht Politik zu machen“, dass er mittlerweile ein Kind | |
hat, sieht er als Verpflichtung, sich zu engagieren. „Wir laufen Gefahr, | |
das zu erleben, was es 1933 gab: Das möchte ich meinem Kind nicht | |
hinterlassen.“ Denn klar habe es immer Rechtsradikale gegeben, aber „das | |
ist extremer geworden, das zeigen uns die Wahlergebnisse“. | |
## Nur bis Herbst 2019 | |
Nie zuvor habe es eine rechte Partei geschafft, sich in der Bundesrepublik | |
so gut zu organisieren und im Parlament so festzusetzen. Koopmanns | |
Lagebewertung: „Das ist jetzt ganz sicher kein Moment, in dem wir eine | |
Übergangslösung brauchen“, sagt er mit Blick auf seinen Konkurrenten Kuhn. | |
Tatsächlich hatte der 73-Jährige angekündigt, nur fürs Interim bis zur | |
regulären Neuwahl im Herbst 2019 zur Verfügung zu stehen. „Kommendes Jahr | |
wird turbulent“, stellt Koopmann dagegen. „Auch nach der Wahl müssen wir | |
als Partei erkennbar bleiben.“ Nein, der will schon etwas mehr als bloß ein | |
Zählkandidat sein. | |
Die Landesmitgliederversammlung der Grünen ist schwer prognostizierbar: | |
Jedes Parteimitglied kann kommen und mitstimmen, die Zahl der Neueintritte | |
ist hoch, die Stimmung angesichts rasant gestiegener Umfragewerte geradezu | |
euphorisch – also unberechenbar. | |
## Das Erbe von Helga Trüpel | |
Auch steht am Freitag neben der Vorstandsnachwahl noch die Entscheidung | |
darüber an, wer versuchen darf, das Erbe der grünen EU-Politikerin Helga | |
Trüpel anzutreten: Henrike Müller, europapolitische Sprecherin der Fraktion | |
und ehrenamtliche Geschäftsführerin der Bremer Europa Union würde sich | |
gerne in der Bundesdelegiertenkonferenz um einen aussichtsreichen | |
Listenplatz bewerben, aber auch Bürgerschaftsnachrücker Nima Pirooznia | |
tritt an sowie der Elektrotechniker Keerthi Kulanayagam, der nach eigener | |
Darstellung „seit 18 Jahren für Gerechtigkeit“ kämpft: Manchmal kann eine | |
aussichtsarme Kandidatur die Chancen erhöhen, bei der nächsten Bewerbung | |
besser abzuschneiden. | |
In der Frage, ob er zur Bürgerschaftswahl im Mai 2019 antreten will, hält | |
Koopmann sich bedeckt: Dazu könne er noch nichts sagen. | |
13 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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