# taz.de -- Frauenfußball und die Finanzen: Aufstiegsträume für null Euro | |
> Union will Spitzenfußball, auch bei den Frauen. Die spielen in der | |
> Regionalliga – und der Verein gönnt ihnen nicht mal eine BVG-Karte. | |
Bild: Viel Rundes im Eckigen. Und eckig geht es im Fußball oft zu | |
Kürzlich haben die Unionerinnen gegen RB Leipzig beim Saisonauftakt in der | |
Regionalliga Nordost im Spitzenspiel mit 2:1 gewonnen. „Wir wollen wieder | |
oben mitspielen“, sagt Trainer Falko Grothe. „Alles andere wäre nach der | |
Meisterschaft Unsinn. Wenn es am Ende wieder dafür reicht, wäre das | |
großartig.“ | |
Union Berlin ist im Berliner Raum zuallererst ein heller Lichtblick. Erst- | |
und Zweitligafußball der Frauen gibt es in der Hauptstadt nicht mehr, | |
außerdem wenig Spitzenförderung. | |
Aber Union. Schon zu DDR-Zeiten hatte Union Berlin eine Damenmannschaft, | |
seit 1990 gibt es eine Frauenabteilung. Die Unioner Frauen spielen seit | |
Jahren in der Regionalliga Nordost. Manchmal mit einem kurzen Ausflug in | |
die zweite Liga, vergangene Saison sind sie als Meister auf dem Weg dorthin | |
in der Relegation gescheitert. Das Team bewegt sich in Sichtweite von Klubs | |
wie dem FC Viktoria 89, Stern 1900 und Blau-Weiß Hohen Neuendorf. Bei | |
Unions finanziellen und strukturellen Mitteln spielt man damit eigentlich | |
weit unter Wert. Wo will Union also hin mit seinen Frauen, auf lange Sicht? | |
## Hochklassige Perspektive | |
Falko Grothe, der junge Trainer, hat einiges vor. „Nach dem Absturz von | |
Lübars gibt es im Berliner Frauenfußball kein Team mehr, das Frauen eine | |
hochklassige sportliche Perspektive bietet“, sagt er. Union solle in die | |
Lücke stoßen. „Wir wollen ein gefestigter Standort für Frauenfußball in d… | |
zweiten Liga werden.“ | |
Bei Geschäftsführer Lutz Munack klingt die Antwort etwas anders. „Die 1. | |
Frauenmannschaft von Union hat das Ziel, in der Regionalliga erfolgreich | |
Fußball zu spielen“, schreibt er auf Anfrage. Das sei öfters mit einem | |
Aufstieg einhergegangen, mit der neuen eingleisigen zweiten Liga werde | |
dieser schwerer. „Er bleibt aber das sportliche Ziel, jedoch ohne | |
zeitlichen Druck.“ | |
Es geht der Vereinsführung also offenbar weitgehend darum, den Status quo | |
zu behalten. Und Union zahlt seinen Frauen nichts. Keinen Cent, nicht mal | |
eine BVG-Karte. Selbst Klubs wie Hohen Neuendorf bezahlen die Frauen. | |
## Eine Frage der Motivation | |
„Intern wird Geld gefordert“, sagt einer, der sich im Berliner | |
Frauenfußball gut auskennt. „Aber Fußball ist sehr diszipliniert, man gibt | |
nicht viele Widerworte.“ Vor den Relegationsspielen zur zweiten Liga sei | |
die Stimmung im Team gespalten gewesen. „Wenn sie es geschafft hätten, | |
wären sie wohl auseinandergebrochen. Ein Teil der Spielerinnen hätte | |
gesagt: Das tu ich mir nicht noch mal an, so viel Aufwand ohne Geld.“ Falko | |
Grothe kommentiert: „Das habe ich nicht so wahrgenommen. Der Reiseaufwand | |
war ein wesentlich größeres Thema. Ich glaube nicht, dass die Motivation | |
meiner Spielerinnen von 100 oder 200 Euro abhängt.“ | |
Motivation und Wertschätzung aber sind zweierlei. | |
Auch sonst macht Union nicht auf alle den Eindruck höchster Wertschätzung | |
für seine Frauen. So soll es bei einer gemeinsamen Auswärtsfahrt mit einem | |
Nachwuchsteam der Jungs einen Vorfall gegeben haben, wo die ein Essen | |
bekamen, die Frauen nicht. Zwei Quellen schildern das. Trainer Grothe sagt, | |
an so einen Vorfall könne er sich nicht erinnern. „Grundsätzlich werden | |
unsere Frauen bei Heim- und Auswärtsspielen versorgt.“ Am genannten Tag | |
habe es nach seiner Recherche ein Nudelgericht gegeben. Die Quellen | |
schildern das anders: Pizza und Brötchen für die Jungs, für die Frauen | |
nichts. | |
Grothe ist grundsätzlich mit der Entwicklung sehr zufrieden, er lobt vor | |
allem die gesteigerte Wertschätzung der Frauen bei Union. Eine BVG-Karte | |
aber fände auch er gut. Zur Geldfrage sagt er: „Wir sind für die | |
Regionalliga infrastrukturell sehr gut aufgestellt. Natürlich wünsche ich | |
mir, dass wir den Aufwand unserer Spielerinnen auch finanziell würdigen | |
könnten. Schließlich ist es als Trainer mein Anliegen, dass sie unter den | |
bestmöglichen Bedingungen hier Fußball spielen, und an Verbesserungen wird | |
immer gearbeitet.“ | |
Das Problem sei, dass Frauenteams im Fußball zu wenig Öffentlichkeit | |
gegeben wird und es zu wenige Sponsoren gibt, die sich in dem Bereich | |
langfristig engagieren. „Ich denke aber auch, dass wir als Verein hier | |
gerade in Berlin noch viel mehr erreichen können.“ Grothe schaut | |
optimistisch nach vorne. | |
Andere wählen die Aktion, etwa Dieter Timme bei Hohen Neuendorf. Der | |
Ex-Coach unterstützte seine Zweitligaspielerinnen vergangene Saison nach | |
eigener Aussage bei einem Streik gegen ständig verspätete oder nicht | |
gezahlte Gehälter. Kurz darauf wurde er entlassen. „Vielleicht war der | |
Streik ein Grund“, sagt er heute. | |
Das Thema ist heikel, auch für Trainer. Timme spricht offen über die | |
häufige Ausbeutung im Frauenfußball. „Der Aufwand und Ertrag steht bei den | |
Frauen in keinem Verhältnis. Im Hintergrund klagen viele Trainer, aber nach | |
außen ist Geld ein Tabuthema.“ | |
## Viel Geld vom Senat | |
Die Situation ist bei Hohen Neuendorf gewiss anders als bei Union. Dort | |
sind die Frauen das Aushängeschild, bei Union ein Anhängsel, das Geld | |
bringt die Männerabteilung. Gleichzeitig profitiert der Verein aber | |
durchaus: Das neue Unioner Nachwuchsleistungszentrum nämlich wird großzügig | |
mit 8,8 Millionen Euro vom Senat bezuschusst, auch wegen des | |
Mädchenfußballs. In den Senatspapieren heißt es: „Mit der Entwicklung des | |
NLZ würden sich die Bedingungen für eine systematische Förderung des | |
Mädchenfußballs in Berlin deutlich verbessern.“ | |
Es tut sich durchaus was in der Unioner Frauenabteilung. Geschäftsführer | |
Munack nennt etwa die Kooperation mit der Flatow-Oberschule, wo ab diesem | |
Jahr wieder Unioner Spielerinnen eingeschult werden. „Unser Ziel ist es, | |
die Nachwuchsförderung im Mädchenbereich auszubauen.“ Gehalt gehört aber | |
offenbar nicht dazu. „Es ist derzeit nicht geplant, die Frauenmannschaft in | |
eine Profimannschaft umzuwandeln“, schreibt er. „Auf eine Karriere als | |
Profispielerin arbeiten die wenigsten von ihnen hin. Würden wir unsere | |
Frauenmannschaft professionalisieren, würde das für viele Spielerinnen das | |
Ende ihrer Spielerkarriere bei Union bedeuten.“ | |
Es ist die beliebte Taktik: Etwas zu verneinen, was gar nicht gefragt ist. | |
Es geht um ein paar hundert Euro, nicht um Profitum. So drängt sich vor | |
allem der Eindruck auf, dass Union bei den Frauen gar nicht bezahlen will. | |
Und Profis wollen durchaus einige werden. Die U-Nationalspielerinnen Dina | |
und Katja Orschmann sind schon gegangen, die Torhüterin Sarah Hornschuch | |
wechselte zum Erstligisten Jena, Pauline Wimmer zu Bayer Leverkusen, und | |
Gwendolyn Mummert zunächst in die USA. Auf der Vereinsseite wird sie | |
zitiert: „Ich möchte im Fußball so weit wie möglich kommen und mich zu | |
einer professionellen Spielerin entwickeln.“ Bei Union ist das eher nicht | |
zu machen. Wichtig für den Berliner Frauenfußball sind die Unionerinnen | |
trotzdem. Aber längst nicht so, wie sie sein könnten. | |
6 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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