# taz.de -- Deutsch-türkische Beziehungen: Ungewohnte Töne aus Ankara | |
> Nazivergleiche dominierten letztes Jahr türkische Medien. Dass | |
> Deutschland nun als Partner beschworen wird, liegt nicht nur an der | |
> Wirtschaftskrise. | |
Bild: „Weiblicher Hitler“, titelte die regierungsnahe Zeitung Güneş am 17… | |
„Danke für die Unterstützung von deutscher Seite“, lautet eine der | |
Schlagzeilen auf der Titelseite der Milliyet, einer der größten Zeitungen | |
des Landes, am 14. August. Die ehemals liberale Zeitung glänzt seit ihrem | |
Verkauf an das regierungsnahe Unternehmen Demirören in diesem Jahr mit | |
durchweg unkritischer Berichterstattung. | |
Aber das sind dann doch ziemlich verblüffende Aussagen: Berat Albayrak, | |
Finanzminister und Schwiegersohn des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat | |
in dem Artikel nur warme Worte für Deutschland übrig. „Politiker, die | |
wohlwollend handeln und die Kraft der Diplomatie schätzen, werden das | |
Vertrauen beider Länder stärken.“ Andere Blätter wie die | |
linksnationalistische Aydinlik titeln am gleichen Tag Schlagzeilen wie „An | |
unserer Seite gegen die USA“ und zeigen dabei ein Bild von Angela Merkel. | |
Die Bundeskanzlerin und Wirtschaftsminister Peter Altmaier, aber auch | |
SPD-Politiker wie Andrea Nahles hatten sich in den Tagen zuvor für eine | |
Unterstützung der türkischen Wirtschaft ausgesprochen. Die deftige Krise | |
zwischen der Türkei und Deutschland im vergangenen Jahr scheint sich – wenn | |
es nach den regierungsnahen Blätter geht – in Luft aufgelöst zu haben. | |
Das Tauwetter zwischen den beiden Ländern machte sich bereits zaghaft | |
Anfang des Jahres mit dem Besuch des Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu im | |
Privathaus seines damaligen Amtskollegen Sigmar Gabriel mit einer | |
Teezeremonie bemerkbar. Regierungsnahe türkische Zeitungen begrüßten die | |
Geste als [1][„unvergesslichen Moment“] und „höfliches Benehmen“. Im | |
Februar kam überraschend der Welt-Korrespondent Deniz Yücel frei. Je | |
schlechter die Beziehungen mit den USA wurden, die derzeit wohl einen | |
Tiefpunkt erreicht haben, desto mehr versucht die türkische Regierung die | |
Beziehungen zu Deutschland wieder aufzuwärmen. | |
## Teeservice und Flüchtlingsdeals | |
Zuletzt hatte Angela Merkel Anfang 2016 solch eine positive türkische | |
Berichterstattung, als sie wiederholt die Türkei besuchte, um den | |
Flüchtlingsdeal abzuschließen. Während dieser Phase berichteten die | |
regierungsnahen türkischen Zeitungen und Fernsehkanäle über die gute | |
Beziehung zwischen dem damaligen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu und | |
Kanzlerin Angela Merkel. Kriegsgegner, Migrationsexperten und demokratische | |
sowie oppositionelle Kreise in der Türkei bezeichneten den | |
zustandegekommenen Konsens hingegen als „Deal auf dem Rücken der | |
Geflüchteten“. | |
Die gute Beziehung hielt aber nicht lange an. Schon im Juni 2016, nur | |
wenige Monate später also, war das Verhältnis wieder angeschlagen. Der | |
Grund für das Zerwürfnis war die Anerkennung des Genozids an den Armeniern | |
im Bundestag. Am Tag darauf brachte das regierungsnahe Blatt Star ein | |
großes Foto von Angela Merkel mit Hitlerbart auf der Titelseite. Cem | |
Özdemir, der den Antrag in den Bundestag einbrachte, wurde als | |
„verräterischer PKK- und Armenier-Freund“ bezeichnet. In der Unterzeile | |
wurde Erdoğan zitiert: „Das wird sich schwerwiegend auf unsere Beziehung | |
auswirken.“ | |
Nach dem Putschversuch am 15. Juli 2016 verschärfte die Forderung der | |
Türkei, die nach Deutschland geflüchteten Militäroffiziere auszuliefern, | |
die Krise zwischen den beiden Ländern. Die regierungsnahe Zeitung Takvim | |
titelte in Anspielung auf die in der Türkei als „FETÖ“ bezeichnete | |
Gülen-Bewegung „FETÖNAZI“. | |
In Nazi-Uniform druckte die regierungsnahe Zeitung Güneş am 17. März 2017 | |
in einer Fotomontage Angela Merkel und titelte: [2][„Die hässliche Tante“]. | |
Deutschland unterstütze die Terrororganisation PKK, um die Türkei zu | |
schwächen, hieß es hier. Die Begründung für diese These liefert die Zeitung | |
gleich mit: „Deutschland erträgt unseren Aufstieg nicht. Sie haben ein | |
Problem mit dem dritten Flughafen, den wir bauen.“ | |
## Deutschland sei schuld | |
Der Kanon der regierungsnahen Medien lautete im vergangenen Jahr durchweg, | |
dass der Grund für die Krise von Deutschland ausgegangen sei. | |
Die Zeitung Akşam entwarf am 13. Januar 2018 aus der Verbindung eines | |
deutschen und türkischen Worts diese Schlagzeile: „Dummkopf Koalisyonu“. So | |
wollte man die Leser in dem Artikel glauben machen, dass sich der | |
Bundestag, der monatelang keine Koalition bilden konnte, gegen die Türkei | |
verbündet habe. | |
Etwas unerwartet beschritt die Türkei aber auch mit den USA einen | |
Stolperpfad. Die Inhaftierung des amerikanischen Pastors Andrew Craig | |
Brunson führte schließlich zu sogar zu Wirtschaftssanktionen durch die USA | |
– ein Katalysator für die türkische Währungskrise. Erdogan präsentierte | |
einen haarsträubenden Rettungsplan. „Wir haben keinen Dollar, dafür Allah.�… | |
Viele Zeitungen übernahmen diesen Lösungsvorschlag und füllten ihre Seiten | |
mit dieser Zeile. | |
Jubelten regierungsnahe Zeitungen noch bei der Wahl von Donald Trump und | |
glaubten mit Titeln wie „Uns geht es so gut wie noch nie“, die | |
türkisch-amerikanische Partnerschaft könne nichts gefährden, so sind auf | |
den Titelblättern Loblieder auf die USA dieser Tage kaum noch zu lesen. | |
Stattdessen liest man wieder zarte Nachrichten über eine erneute | |
deutsch-türkische Annäherung. | |
Wie lange das so bleibt, ist schwer zu sagen. Eine vorgezogene Wahl oder | |
eine Entspannung im Verhältnis zu den USA könnte alles auf den Kopf | |
stellen. Angela Merkel könnte jederzeit wieder die „hässliche Tante“ | |
werden. | |
Aus dem Türkischen Elisabeth Kimmerle und Canset Içpınar | |
25 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.takvim.com.tr/guncel/2018/01/08/caylak-sigmar | |
[2] https://www.haberler.com/gunes-gazetesi/2017-03-17/ | |
## AUTOREN | |
Erk Acarer | |
Ebru Tasdemir | |
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