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# taz.de -- Machtwechsel in Australien: Scott Morrison wird neuer Premier
> Konservative stürzen den eigenen Regierungschef. Überraschung: Nachfolger
> wird der bisherige Schatzkanzler Morrison.
Bild: Scott Morrison hatte schon mehrere Kabinettsposten inne; er steht für ei…
Canberra taz | Malcolm Turnbull hatte selbst in dieser schwarzen Stunde
sein charakteristisches Lächeln im Gesicht, als er am Freitagnachmittag vor
den Medien seine eigene politische Totenrede hielt. Es sei „eine
herausfordernde Zeit als Premierminister gewesen“, meinte er, und listete
die vielen Ziele auf, die er in seinen drei Jahren als Regierungschef
erreicht habe.
„Herausfordernd“ ist wohl das Understatement des Jahres. Die letzten Monate
und vor allem die letzten Tage waren für den 63-Jährigen die härtesten
seines Lebens gewesen. Eine kleine Gruppe ultrakonservativer
Parteimitglieder unter Führung seines Vorgängers Tony Abbott hatte ihn
unterminiert, seit Monaten, direkt und indirekt. Turnbull hatte Abbott 2015
selbst weggeputscht. Seither schwelte es.
Der Konflikt eskalierte am vergangenen Dienstag, als der Abbott-Vertraute
Peter Dutton in einer parteiinternen Abstimmung überraschend viele Stimmen
erhielt. Am Freitag dann war „High Noon“, wie die Medien es nannten.
Nochmals eine Abstimmung. Doch statt den konservativen ehemaligen
Innenminister und Abbott-Schützling Dutton wählte die Partei überraschend
den bisherigen Schatzkanzler Scott Morrison.
Dass am Freitagnachmittag ein kollektives Aufatmen durch die Reihen
progressiver Australier ging, muss nicht erstaunen. Peter Dutton, ein
Hardliner in jeder Beziehung, hätte das Land dramatisch in Richtung rechts
gerückt, sagen Kommentatoren.
## Die große Überraschung
Eine Richtung, die dann offenbar einigen Parteimitgliedern zu riskant war.
Obwohl der 50-jährige Morrison alles andere ist als ein Progressiver. Als
ehemaliger Immigrationsminister hatte er eine besonders brutale Phase der
Rücksendung und Behandlung von Bootsflüchtlingen eingeleitet. Auch
wirtschaftlich ist der streng gläubige Anhänger einer evangelischen
Freikirche konservativ. Weniger Regierung, weniger Staat. Mehr Freiheit für
den einzelnen. Weniger Hilfe für Bedürftige. Selbstverantwortung.
Beobachter hielten sich am Freitag mit Prognosen zurück, wie eine
Morrison-Regierung aussehen wird. Zu groß war die Überraschung über seine
Wahl. Der Australier kommt aus dem Marketing. Er gilt als einer der
Architekten der weltweit als Großerfolg anerkannten Kampagne „100%Pure“ der
neuseeländischen Tourismusbehörden. Später machte er sich als Chef der
australischen Tourismus-Marketingbehörde Tourism Australia einen Namen.
2007 wurde er ins Parlament gewählt. Er profilierte sich als Spendensammler
für die konservative Partei im australischen Bundesstaat New South Wales.
2015 wurde er von Turnbull zum Schatzkanzler ernannt. Morrison gilt als
fiskalkonservativ und als enthusiastischer Verfechter von Steuersenkungen.
Sein höchstes Ziel, die Unternehmenssteuer von den gegenwärtigen 27,5
Prozent auch für größere Firmen zu senken, scheiterte zu Beginn dieser
Woche an der Weigerung des Oberhauses, in dem die Regierungskoalition keine
Mehrheit hat.
## Umstrittene Klimapolitik
Beobachter fürchteten am Freitag, Scott Morrison könnte trotz seiner
vorwiegend konservativen Ideologie für jenen Mann noch zu progressiv sein,
der die größte Krise in der jüngeren australischen Politikgeschichte
orchestriert hatte: Tony Abbott. „Sein einziges Ziel im Leben ist, wieder
an die Macht zu kommen. Und wie wir gesehen haben, wird er alles tun um es
zu erreichen“, so John Hewson, in den neunziger Jahren Parteivorsitzender
und damals Chef von Tony Abbott.
An Potenzial für zukünftige Konflikte fehlt es nicht. Das Krisenthema
Nummer 1 ist der Klimawandel. Der neue Premier dürfte sich davor hüten, die
notorisch klimaskeptischen Abbott-Konservativen mit zu revolutionären
Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen zu reizen. Denn genau so hatte auch
Turnbulls Untergang begonnen. Dieser warf schließlich sukzessive seine
einst hohen Klima-Prinzipien über den Haufen.
Zuletzt vor ein paar Tagen. Über ein neues Gesetz hätte der Ausstoß von
Treibhausgasen in Australien um 26 Prozent unter den Wert von 2005 gesenkt
werden sollen. Doch dieses von Kritikern als schwach und ungenügend
bezeichnete Ziel war dem klimaskeptischen, eng mit der Kohleindustrie
verbundenen konservativen Flügel der Partei zuviel. Die Gruppe forderte
einen Fokus auf die Senkung der Strompreise, nicht auf eine Eindämmung der
Emissionen. Turnbull lenkte ein und strich das Klimaziel.
24 Aug 2018
## AUTOREN
Urs Wälterlin
## TAGS
Australien
Malcolm Turnbull
Australien
Australien
Schwerpunkt Klimawandel
Australien
Plastik
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