# taz.de -- Folgen der türkischen Wirtschaftskrise: Investieren für Erdoğan? | |
> Viele deutsch-türkische Unternehmen machen wegen der Lira-Krise gute | |
> Geschäfte. Rentenbezieher dagegen erleiden herbe Verluste. | |
Bild: Ihr Wert fiel dramatisch: Türkische Lira | |
Der rapide Verfall der türkischen Lira hat zum Teil gravierende | |
Auswirkungen auf BerlinerInnen und Berliner. Dies gelte etwa für | |
MigrantInnen, die aus der Türkei eine Zusatzrente in Lira empfangen, | |
erklärte Safter Çınar vom Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB) am | |
Mittwoch auf taz-Anfrage. „Diese Rente hat sich mehr als halbiert.“ Zahlen, | |
wie viele türkeistämmige BerlinerInnen das betrifft, gebe es zwar nicht, | |
sagte er. „Aber gerade in der ersten Generation trifft das sicher eine | |
Menge Menschen.“ Für sie sei die Situation nun schwierig, da sie aufgrund | |
überwiegend gering qualifizierter Jobs nur eine geringe Rente in | |
Deutschland beziehen. | |
Seit Jahresbeginn ist die Lira gegenüber Euro und US-Dollar um fast 50 | |
Prozent abgestürzt. Ein Euro kostet aktuell 7,04 türkische Lira, vor zwei | |
Jahren waren es noch 3,7. Zeitweise befand sich die Lira in den letzten | |
Wochen im freien Fall. Auch wer etwa in der Türkei Immobilien gekauft hat | |
und diese vermietet, erleidet Einkommenseinbußen. | |
Aktueller Hintergrund ist der Streit der türkischen Regierung mit den USA | |
um den seit zwei Jahren in der Türkei inhaftierten US-Pfarrer Andrew | |
Brunson. US-Präsident Donald Trump hatte Anfang August die Importzölle für | |
diverse türkische Waren erhöht. Doch schon seit dem gescheiterten Putsch im | |
Juli 2016 kämpft die Türkei mit wirtschaftlichen Problemen, dazu kommt der | |
Krieg im Nachbarland Syrien. | |
## Viele Firmen investierten jetzt erst recht | |
Für Berliner Unternehmen, die nun Euros in der Türkei investieren, habe der | |
Lira-Verfall dagegen positive Auswirkungen, so Çınar. Viele Firmen würden | |
diesen Weg derzeit auch gehen, bestätigte Doğan Azman, Pressesprecher der | |
Türkisch-Deutschen Unternehmervereinigung (TDU). „Unsere Unternehmen | |
bestellen jetzt erst recht Waren in der Türkei – nicht nur Lebensmittel, | |
auch Möbel, Elektrogeräte und so weiter.“ | |
Dies geschehe aber nicht, weil man dort nun Schnäppchen machen wolle, | |
„sondern aus Solidarität mit der Türkei“. Auf Nachfrage, ob dahinter nicht | |
doch auch eine Gewinnerwartung stehe, ergänzte er: „Beide Seiten | |
profitieren davon, das ist eine Win-win-Situation.“ Zudem schloss der | |
Verbandssprecher aus, dass manche Firmen ein Scheitern der aktuellen | |
türkischen Regierung vielleicht sogar begrüßen würden. „Das ist Politik, … | |
halten wir uns raus.“ | |
Die TDU hat nach eigenen Angaben 280 Mitglieder und vertritt über 9.000 | |
kleine und mittelständische Betriebe türkischer und deutscher Herkunft aus | |
allen Wirtschaftsbereichen, die über 29.000 Mitarbeiterinnen und | |
Mitarbeiter beschäftigen. Etwa zehn Prozent der Firmen seien deutsch, also | |
ohne migrantischen Hintergrund der Gründer. | |
Nach Beginn der aktuellen Lira-Krise hatte der türkische Staatspräsident | |
Recep Tayyip Erdoğan Türkinnen und Türken in aller Welt aufgerufen, ihr | |
Erspartes in Lira umzutauschen, um die Währung zu stützen. | |
Dies allein „bringt aber nichts“, findet TDU-Sprecher Azman. „Unsere | |
Unternehmer müssen jetzt erst in der Türkei investieren. Es ist jetzt Zeit, | |
der türkischen Wirtschaft unter die Arme zu greifen.“ Dies sei auch im | |
Interesse Deutschlands und Europas. „Deutschland braucht die Türkei als | |
Partner und die wirtschaftliche Lage dort ist sehr wichtig für Europa.“ So | |
seien derzeit rund 7.000 deutsche Unternehmen in der Türkei tätig | |
beziehungsweise ansässig. Zudem helfe wirtschaftliche Stabilität auch bei | |
der Bewältigung des Flüchtlingsproblems, so Azman. | |
22 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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