# taz.de -- Kolumne Macht: Meldepflicht im Netz | |
> Stets habe ich für den Datenschutz gekämpft. Doch dank Bots und Trollen | |
> sage ich nun: Die Anonymität im Internet muss ein Ende haben. | |
Bild: Ein verhüllter Delinquent bei Gericht: Seine Identität wird später gel… | |
Von der Volkszählung bis zum Vermummungsverbot – liebe Jüngere, bitte | |
fragen Sie Ihre Großeltern, was damit gemeint ist, das waren im letzten | |
Jahrhundert wichtige Themen – also: Von der Volkszählung bis zum | |
Vermummungsverbot stand ich immer auf der Seite derjenigen, die staatliche | |
Macht begrenzen wollten. Die Datenschutz für eines der höchsten Güter einer | |
Demokratie hielten. Die dafür sogar Risiken für die allgemeine Sicherheit | |
in Kauf zu nehmen bereit waren. | |
Und nun? Nun fordere ich die Abschaffung der Anonymität im Internet. Nach | |
langem Nachdenken und noch immer mit Bauchgrimmen. Aber überzeugt. | |
Grundstürzende Erfindungen wie das Netz bedürfen neuer Antworten auf alte | |
Fragen. | |
Schon jetzt gilt, dass es keinen Rechtsanspruch darauf gibt, jemanden | |
beleidigen oder bedrohen zu dürfen. Und es gibt auch keinen Rechtsanspruch | |
darauf, begangene Straftaten möglichst erfolgreich verschleiern zu können. | |
Diese Grundsätze haben nichts mit staatlichem Kontrollwahn zu tun, sondern | |
sie sind ein Mittel, um Leute zu bändigen, denen mit freundlichen Hinweisen | |
auf gutes Benehmen nicht beizukommen ist. Sie dienen dem friedlichen | |
Zusammenleben. Im Bus, in der Kneipe, am Arbeitsplatz. Weswegen sie – | |
weitgehend – unumstritten sind. Diskutiert wird allenfalls über Details wie | |
das jeweilige Strafmaß, nicht über die Leitlinien als solche. | |
Es sind Prinzipien, die überall gelten. Fast überall. Im Internet gelten | |
sie nicht. Sollten sie aber. | |
## Die Leute bändigen | |
Der Schriftsteller Axel Hacke schreibt in seinem Buch „Über den Anstand in | |
schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen“, er fände es | |
besonders absurd, wenn jemand im Schutz der Anonymität im Internet ein | |
Burka-Verbot forderte. Recht hat er. Nun ruft die Forderung nach einem Ende | |
der Anonymität im Netz regelmäßig Einwände von IT-Experten hervor. Nicht | |
durchsetzbar, schon gar nicht in einer globalisierten Welt. Naiv. Zeugt von | |
fehlender Sachkenntnis. | |
Nein, davon zeugt sie nicht. Die Forderung ist keine Frage der Machbarkeit, | |
sondern eine Frage der Prioritäten. Wenn der politische Wille erst einmal | |
vorhanden ist, dann wachsen Technikerinnen und außenpolitischen | |
Verhandlungsführern oft Flügel. Es fallen ihnen dann zu einem vormals | |
unlösbar scheinenden Problem nämlich überraschend kreative Lösungen ein. | |
Um es klarzustellen: Mir ist ziemlich egal, ob mich jemand mit den | |
erfundenen Netznamen „Mäusezähnchen“ oder „Hagen von Tronje“ beleidig… | |
mir mitteilt, was er – oder sie, von mir aus – gerne mit meinen | |
Geschlechtsorganen anstellen möchte oder was ich sonst als Teil der | |
„rot-grün-versifften Gesellschaft“ verdient hätte. Aber es ist mir nicht | |
egal, ob ein moderiertes Forum die Gültigkeit einer Netz-Adresse samt | |
Klarnamen prüfen kann. Das ist mir wichtig. Weil es nämlich hilfreich ist, | |
wenn Zuschriften konkret bedrohlich werden. | |
Und es gibt noch ein weiteres Argument, das für ein Ende der Anonymität im | |
Netz spricht: Bots und Trolle. Mag ja ein Zufall sein – aber es gibt | |
bestimmte Formulierungen, die regelmäßig und immer wieder auftauchen, wenn | |
ich irgendwo öffentlich aufgetreten bin. | |
Wenn es aber kein Zufall ist? Sondern bestimmte Programme den Eindruck | |
erwecken wollen, „das Volk“ vertrete eine bestimmte Ansicht, und ich solle | |
für meine Meinung bestraft werden? Allein schon den Verdacht finde ich | |
beängstigend und bedrohlich. Ich wünsche mir, dass mein Staat mich davor | |
schützt. | |
Bisher tut er das nicht. | |
18 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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