| # taz.de -- Maskottchen beim Baseball: Schiri zum Frühstück | |
| > Scherzhaft verspeiste Offizielle, Jenga-Türme am Spielfeldrand und | |
| > Prügeleien mit dem Trainer: die Show der Baseball-Maskottchen. | |
| Bild: Vorsicht vor dem Maskottchen: Die können auch schon mal aggressiv | |
| „Clammy Sosa“ weiß nicht, wo das Auto des Schiedsrichters steht. Das | |
| Baseball-Maskottchen hat beim Spiel der Philadelphia Phillies gegen die | |
| Cincinnati Reds 2014 aber auch Besseres zu tun, als mit hohlen Drohungen | |
| seinen Unmut gegenüber den Entscheidungen des Unparteiischen kundzutun. | |
| Nein, Clammy Sosa – das nach dem ehemaligen Chicago-Cubs-Star Sammy Sosa | |
| modellierte dickliche Baseball-Männchen – hat es gleich auf den | |
| Schiedsrichter selbst abgesehen. | |
| Mit plumpen, aber erstaunlich schnellen Schritten wackelt Clammy auf den | |
| verdutzten Referee zu, um ihn mit einem beherzten Happs [1][einfach zu | |
| verspeisen]. Ein paar Sekunden zappeln die Schiri-Beine noch aus dem | |
| übergroßen Maskottchen-Mund – dann ist er auch schon im aufblasbaren Kostüm | |
| verschwunden. Clammy verzieht keine Miene und eilt mit dem Menschenmenü im | |
| Magen vom Spielfeld. Auf den Tribünen toben derweil die Zuschauer. Bei | |
| diesem Spektakel stört es niemanden, dass hier selbstverständlich kein | |
| echter Schiedsrichter verspeist wurde, sondern nur ein Schauspieler. | |
| Es sind Maskottchen wie Clammy Sosa, die den Besuch eines US-amerikanischen | |
| Baseball-Spiels überhaupt zu einem Erlebnis machen. In den stundenlangen | |
| Matches lassen sich die Highlights oft an einer Hand abzählen. Die | |
| restliche Zeit erleben die Zuschauer hauptsächlich Fehlwürfe, verpasste | |
| Schläge, verirrte Bälle im Seitenaus und Mannschaftswechsel. Den | |
| Maskottchen kommt deshalb eine wichtige Aufgabe zu. Sie sollen die | |
| Zuschauer unterhalten, während auf dem Spielfeld mal wieder Langeweile | |
| herrscht. | |
| Wobei selbst den bunt kostümierten Spaßmachern bewusst zu sein scheint, wie | |
| langweilig ihre Sportart ist. Raymond, antropomorpher blauer Seehund und | |
| Maskottchen der Tampa Bay Devil Rays, taucht bei einem ereignisarmen Spiel | |
| auch schon mal im Pyjama auf und legt sich [2][auf dem Dach der Ersatzbank | |
| schlafen], während Rays-Mitarbeiter versuchen, ihn wachzuhalten. An | |
| Selbstironie mangelt es den humorvollen Alleinunterhaltern nicht. | |
| Provokation mit Jenga und Limonade | |
| Doch die Maskottchen erfüllen eine weitere, viel wichtigere Aufgabe – den | |
| Gegner abzulenken. Keiner geht dabei so gewitzt vor wie Orbit von den | |
| Houston Astros. Das dicke grüne Marsmännchen denkt sich gern ausgefallene | |
| Aktionen aus, um das Auswärtsteam zu nerven. In einem Spiel gegen die Los | |
| Angeles Angels baute er 2015 zum Beispiel [3][einen meterhohen Jenga-Turm] | |
| und forderte die Spieler auf, gegen ihn zu spielen. | |
| Die fanden das aber gar nicht lustig und brachten den wackeligen Turm zum | |
| Einsturz. Im darauffolgenden Spiel schenkte Orbit den sich aufwärmenden | |
| Gegnern aus [4][einem improvisierten Limonaden-Stand Getränke] ein, was | |
| diese sogar annahmen, allerdings nur, um dem verdutzten Orbit das Getränk | |
| ins Gesicht zu schütten und dann die Zeche zu prellen. | |
| ## Manche treiben es zu weit | |
| Ebenso erfolglos verlief eine Aktion des seltsam grinsenden Maskottchens | |
| bei einem Spiel gegen die Chicago White Sox – ebenfalls 2015. Er sortierte | |
| gerade frische Wäsche, als Sox-Infielder Gordon Beckham [5][den Korb stahl] | |
| und die Kleidung an der Seitenlinie verteilte. Zumindest gelang es Orbit | |
| mit empört in die Hüften gestemmten Händen, Beckham zu ermuntern, einen | |
| Teil der Wäsche zurück in den Korb zu legen – und ihn damit vom Spiel | |
| abzulenken. Mit Erfolg: Die Astros gewannen 3:0. | |
| Während Orbits Aktionen vergleichsweise charmant anmuten, gehen andere | |
| Maskottchen den Gegner deutlich aggressiver an. Ligaweit berüchtigt für | |
| seine provokanten Gesten ist Phillie Phanatic, der flauschig grüne | |
| Glücksbringer der Philadelphia Phillies. 1988 trieb Phillie es in einem | |
| Spiel gegen die Los Angeles Dodgers allerdings zu weit. Das Maskottchen | |
| hatte [6][einen ausgestopften Dummy] von Dodgers-Coach Tommy Lasorda | |
| gebastelt und drangsaliert. Der genervte Lasorda entriss ihm die | |
| lebensgroße Puppe und attackierte Phillie. Dem grünen Fanliebling blieb nur | |
| noch die Flucht auf einem Quadbike. | |
| Unterhaltsam war der Schlagabtausch dennoch. An die Aktion erinnert man | |
| sich noch heute. Das Spiel soll dagegen eher langweilig gewesen sein. | |
| 14 Aug 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=al7jF1FpG9A | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=gLOt2ugRThA | |
| [3] https://www.youtube.com/watch?v=TdDHS8BdEwA | |
| [4] https://www.youtube.com/watch?v=mfTHlFzq7Zc | |
| [5] https://www.youtube.com/watch?v=l7TNNdsWrqY | |
| [6] https://www.youtube.com/watch?v=vX4L2LHGs98 | |
| ## AUTOREN | |
| Jörg Wimalasena | |
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