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# taz.de -- Die Wahrheit: Wie ich mal fast meinen Duft fand
> Das Zeug roch nach der Nummer 17 vom Vietnamesen am Bahnhof. Meine
> Bekannte musste sofort an mich denken.
Bild: Ritzeratzevoll werden Festbesucher bei jedem Wasenwirt
Während Menschen im Winter einfach nur furchtbar sind, sind sie im Sommer
zwar ebenfalls furchtbar, schwitzen und stinken aber auch noch. Abhilfe
schafft ein Parfüm, die Auswahl ist allerdings groß, den richtigen Duft zu
finden, nicht leicht. Einmal hatte ich es jedoch fast geschafft.
Aus schleierhaftem Grund begab ich mich mit einer Freundin namens Melissa
in die Parfümabteilung des Berliner KaDeWe. Eine der dort Beschäftigten
knutschte meine Begleitung zur Begrüßung überschwänglich ab. Mit mir
verfuhr sie leider anders, woraus ich schloss, dass die beiden sich wohl
kannten.
„Probier mal den hier! Ganz neu!“, frohlockte die Expertin fürs Nasale und
berieselte Melissa mit einer feigenlastigen Note: „Das ist dein Duft! Als
ich den zum ersten Mal gerochen habe, habe ich gleich an dich gedacht!“
Oder an die Provision, dachte wiederum ich, den Bluthusten ob des mockenden
Stoffs unterdrückend.
Daraufhin „gelang“ mir ein Insiderscherz: Vor Jahren hatten Melissa und ich
eine Parfümerie auf der Stuttgarter Königsstraße besucht. Dort hinein
tippelte auf hohen Hacken eine ältere Dame im kostspieligen Armani-Kostüm,
die sich zielstrebig einer Geruchsberaterin näherte: „Sagen Sie, gute Frau,
haben Sie schon den neuen Duft von Gaul-Tier?“
Sie suchte allerdings nicht nach einer Pferdehaaressenz, sondern eine
Kreation des Designers Jean Paul Gaultier. Den kenne sogar ich. Ferner
lobte ebenjene Kundin das Outfit der Angestellten: „Schönes Shirt tragen
Sie da! Soso, von Gi-wenn-tschi!“ Sie sprach von Givenchy. Auch das kenne
ich.
Dementsprechend fragte ich die passionierte Bestäuberin im KaDeWe nach der
neuen Mischung von „Gaul-Tier“. Offenbar irritiert schnappte sie sich ein
mit „Marvellous Man“ betiteltes Fläschchen, smogte mich in eine Wolke und
kreischte: „Ich glaube, der hier passt ganz ausgezeichnet zu dir!“ Ich nahm
einen tiefen Zug, die Flimmerhärchen meines Bronchialbaums ließen alle
Hoffnung fahren.
Und was soll ich sagen? Passte er wirklich zu mir? Hatte ich endlich meinen
Duft gefunden? Nun: Das Zeug roch nach der Nummer 17 vom Vietnamesen am
Bahnhof, die man sich gern mal volltrunken in den mampfwütigen
Schnabulierschacht reinlöffelt. Sie hätte ebenso gut rufen können: „Das
Zeug stinkt wie die Zwei-Euro-Fuffzich-Nudelbox aus dem Absturzladen, wo
die Zugesoffenen nachts immer gegenpinkeln – genau dein Ding!“ Melissa
empfand dies wohl ähnlich und verurteilte die versteckte Beleidigung
scharf: „Ja! Irre! Da denkt man sofort an dich!“
„Gefällt er dir überhaupt?“, fragte die immer noch sprühende Duftdealerin
viel zu spät, was ich mit der Gegenfrage, ob ich Erdnusssauce dazuhaben
könnte, quittierte, ehe ich ein Hungergefühl vorschob, um die nach meiner
Antwort eingetretene peinliche Pause zu beenden. „Was willst du essen?“,
fragte Melissa auf dem Weg zur Frischluft. „Vietnamesisch“, sagte ich.
15 Aug 2018
## AUTOREN
Cornelius Oettle
## TAGS
Geruch
Kaufhaus
Stuttgart
Gedicht
Kleidung
Alexander Gauland
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