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# taz.de -- Die Wahrheit: Vom Glück ungeflickter Hosentaschen
> Wer noch nie ein Loch in der Hosentasche hatte, der weiß nicht, was ihm
> entgeht an günstigen Gelegenheiten, sicher durchs Leben zu kommen.
Es erscheint zunächst wie ein Manko, ein Makel, eine Macke, gar als
Gebrechen wird es wahrgenommen: das Loch in der Hosentasche. Ich selbst
trage es indes selbstbewusst als Accessoire, wobei die alte Frage noch
immer erlaubt ist, wie man ein Loch, also ein Nichts, tragen, ja wie man
denn überhaupt von etwas, das nicht ist, sprechen kann.
Jüngst nahm mich ein fremder U-Bahn-Passagier beiseite und berichtete, ein
paar Asseln hätten ihm in einem gefüllten Abteil das teure Smartphone aus
der Hosentasche stibitzt. Was man dazu sage? „Aha!“, sagte ich und suchte
die Schuld wie immer dort, wo sie stets zu suchen ist, das heißt: beim
Opfer. Verfügte nämliches nämlich über eine gerissene Hosentasche, wäre es
zu dieser Übeltat nie und nimmer gekommen.
Stattdessen wäre das Gerät, wie es bei ausgebufften Visionären wie mir der
Fall ist, beim Einpflegen ins Hosenbein durch selbiges hindurchgeschlittert
und sicher im Schuh gelandet. Es bedarf schon eines sehr gewieften
Trickbetrügers, um es von dort zu entwenden. Der Unbekannte schien ob
meiner Entgegnung überrascht, nachgerade nachdenklich und zog rasch von
dannen, um sich flugs die Hosentaschen auszureißen, wie ich annehme.
„Legt nieder das Garn, die Nadeln packt fort!“, rate ich daher bei
Stoffrissen im Hosentaschenbereich und habe noch eine weitere Anekdote für
diesen Überzeugungsarbeitskampf in petto: Es begab sich einstmals, dass ich
an einem in die Jahre gekommenen Spielautomat saß und satte 800 Euro
gewann. Die morsche Maschine spie allerdings keine Scheine, sondern
lediglich klackerndes Kleingeld aus. Menschen mit intakten Hosentaschen
wären in dieser Situation unrettbar überfordert.
Ganz anders der modern-schneidige Rissträger: Der schaufelt den Münzberg
einfach Stück für Stück durch den ungeflickten Innenstoff, wo der Gewinn
angenehm vom Oberschenkel übers Knie zur Wade hinabgleitet und in der Folge
als sicher verstaut betrachtet werden kann. Bis zu 2.500 Ein-Euro-Münzen
lassen sich so mühelos transportieren, wie ich im Zuge einer Glückssträhne
bereits getestet habe.
Ferner dient die Taschenkluft auch einem persönlichen Erkennungsmerkmal. So
höre ich die Nachbarn häufig neidentbrannt tuscheln: „Ist das nicht der
Herr, dessen Signature Move es ist, sich regelmäßig den Hausschlüssel aus
den Sandalen zu fischen?“ Ja: Der Herr ist’s! Menschen mit
Hosentaschenhandicap (gemeint ist das Vorhandensein einer Hosentasche)
hingegen sind meist anämische Figuranten, gefasst darauf, eines Tages still
und belanglos abzuleben und von ihrer eigenen Katze gefressen zu werden, es
ist einfach nur traurig.
Bleibt letztlich nur noch eines zu klären: Warum haben Levi Strauss und
Konsorten angesichts dieser Annehmlichkeiten des Hosentaschenverzichts
überhaupt jemals damit angefangen, die nutzlosen Dinger ins Beinkleid
einzunähen?
19 Jun 2018
## AUTOREN
Cornelius Oettle
## TAGS
Kleidung
Glück
Öffentlichkeit
Geruch
Gedicht
Alexander Gauland
Insekten
Sharing Economy
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