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# taz.de -- Peter Tauber nach seiner Krankheit: Der Überlebende
> Als CDU-Generalsekretär verteidigte er Merkel, erkrankte schwer – und
> überlebte. Jetzt inszeniert sich Peter Tauber auf Instagram als
> befreiter, vitaler Mensch.
Bild: Kurze Pause vom Laufen: Peter Tauber im Bundestag
Gelnhausen taz | Peter Tauber legt den Gang ein und tippt schon mal aufs
Gaspedal. Der Defender gibt ein pockerndes Röhren von sich. „Komm Junge,
ist Grün“, murmelt Tauber noch, dann geht er voll aufs Gas. Sein Rover
Defender – außen schwarz, innen schwarz – zieht an einem Polo mit Fuldaer
Kennzeichen vorbei. Und weiter geht es hügelan gen Gelnhausen.
Tauber – Jeans, Hemd, Dreitagebart – ist unterwegs in seinem hessischen
Wahlkreis. Seit einem halben Jahr ist er nicht mehr der Generalsekretär der
CDU. Nicht mehr Merkels Mann im Adenauer-Haus. Der 43-Jährige ist jetzt
Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Und – das vor allem – er ist am
Leben.
Im vergangenen Winter, mitten in den Koalitionsverhandlungen, [1][war
Tauber plötzlich von der Bildfläche verschwunden.] Statt ihres alerten
Generalsekretärs trat überraschend die Kanzlerin ans Mikrofon und wünschte
Peter Tauber gute Besserung. Da sah alles noch nach Routine aus: eine
Darmentzündung, die halt ein bisschen Zeit brauchen würde. Was Merkel nicht
wusste: Es würde Komplikationen geben. Auf eine schließlich doch anberaumte
Operation sollte eine Not-OP folgen, irgendwann ging es um Leben oder Tod.
Als Tauber danach wieder bei sich war, stand Angela Merkel an seinem Bett
und sagte: „Du wirst jetzt erst mal gesund.“ [2][Im Februar präsentierte
sie die Saarländerin Annegret Kramp-Karrenbauer als neue
Generalsekretärin.]
Anstand, Zuverlässigkeit, Zusammenhalt
Für Peter Tauber, den Bescheidwisser, Hochleister und Marathonläufer, waren
die Wochen in der Klinik und in der Reha eine Übung in Demut. „Es gab
Momente auf der Intensivstation, da dachte ich: Ich muss sterben“, erzählt
er von dieser Zeit. Und dass er seinen Arzt im Berliner
Bundeswehr-Krankenhaus gefragt habe: „Warum habe ich das? Der hat
geantwortet: Fragen Sie mich das ernsthaft? Bei dem Stress, den Ihr Job mit
sich bringt?“
Hinter Tauber lagen zu diesem Zeitpunkt vier Generalsekretärs-Jahre, die
mit einer groovy Parteireform (Mehr Junge! Mehr Frauen! Mehr Migranten!)
begonnen und mit einem 33-Prozent-Desaster bei der Bundestagswahl geendet
hatten. Dazwischen: die sogenannte Flüchtlingskrise, das Erstarken der AfD
und die Selbstdemontage des Koalitionspartners SPD. Schließlich allein im
letzten Jahr vier – gewonnene – Landtagswahlen und der von Tauber
organisierte Bundestagswahlkampf. „Hau ab!“-Geschrei auf deutschen
Marktplätzen, viel Aggression und Fremdenhass, parteiinterner Streit und
Krach mit der CSU. Und immer weniger von dem, was Tauber für konservativ
hält: Anstand, Zuverlässigkeit, Zusammenhalt. Am Ende brach er zusammen.
Als die Große Koalition Anfang dieses Jahres mühsam zusammengestoppelt war,
wurde Peter Tauber Parlamentarischer Staatssekretär bei Ursula von der
Leyen. Den Entschluss, sich den Defender zu kaufen, sagt er, habe er noch
im Krankenhaus gefällt. „Meine Mutter hat gesagt: So ein Auto brauchst du
doch nicht. Ich habe geantwortet: Stimmt, ich will’s aber trotzdem.“ Das
Monsterauto sieht aus, wie es heißt: als müsse sich sein Fahrer
verteidigen, wappnen. Innen der hohe Sitz und das schwarz genarbte Leder,
außen das pechschwarze Metall, der irrsinnige Lärm und der Ölgeruch.
„Zu verteidigen gab es in den letzten vier Jahren genug. Ich habe viel
abgekriegt, was eigentlich der Chefin galt“, versucht Peter Tauber eine
Erklärung. Und dann erzählt er, was für eine „heilige Wut“ er im
Wahlkampfsommer 2017 auf die Merkel-Pöbler gehabt habe. Als „schlimmes
Verhalten gegenüber einem Menschen“ habe er das empfunden. „Es gab Momente,
da habe ich mich mal müde oder resigniert gefühlt. Dann kam Angela Merkel
und hat von dem berichtet, was sie so zu tun hat. Und ich dachte: Reiß dich
mal zusammen, sie hat es schwerer.“
Frauennamen für Bundeswehr-Kasernen
Dass Peter Tauber so offensiv Team Merkel war, hat ihn durchaus unbeliebt
bei deren Kritikern in der Partei gemacht. Er wusste, das er den Posten des
Generalsekretärs nicht würde behalten können. Und irgendwann wollte er auch
nicht mehr. „Ich bin gern Abgeordneter für meine Heimat“, sagt er, „aber
vier Jahre Generalsekretär wollte ich nicht noch mal sein.“
Seine Aufgaben im Verteidigungsministerium sind im Grunde vergleichbar mit
denen im Konrad-Adenauer-Haus. Er kümmert sich um Personalfragen, um
Tradition und Diversity, um Cyber- und Informationstechnologie. In der Zeit
hat er vorgeschlagen, Bundeswehr-Kasernen auch nach Frauen zu benennen. Er
scheint wieder in seinem Element zu sein. Konservativ, modern, loyal – so
möchte er wahrgenommen werden.
Der Vorschlag der neuen CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer (er nennt
sie „Annegreat“), eine Dienstpflicht für junge Menschen einzuführen, passt
perfekt in Taubers Weltbild. Das Wie müsse man natürlich noch „vertieft
diskutieren“, sagt er. „Aber die Betonung der sozialen Komponente finde ich
angesichts einer bedenklichen Entwicklung in unserem Land richtig.“ Tauber
meint damit die gesellschaftliche Entsolidarisierung: Immer weniger
Menschen wollten ehrenamtlich arbeiten, die Empathie für Schwache nehme ab.
[3][„Die Wehrpflicht brauchen wir allerdings nicht wieder“, findet der
Oberleutnant der Reserve], der von sich selbst sagt, er habe „als
Abiturient, der alles besser wusste“, der Bundeswehr viel zu verdanken. Ein
erster Schritt zur Akzeptanz für das geplante Dienstjahr wäre seiner
Meinung nach, dass der Bund die Stellen von Bufdis und FSJ-lern all jenen
finanziert, die zu einem freiwilligen Dienst bereit sind.
Exzessives Gerenne als Dienstsport
Tauber lenkt seinen röhrenden Defender in eine Parklücke und stellt den
Motor ab. Vor ihm liegt still der Obermarkt von Gelnhausen in der grellen
Mittagssonne. Hinter den Puppenstuben-Fassaden ragt der Turm der
Marienkirche. Oben am Hang wohnt Tauber im Haus seiner Familie. Vieles hier
[4][kennt man von seinem Instagram-Account.]
Im Netz macht er sich seit dem Abschied vom Konrad-Adenauer-Haus noch
sichtbarer als früher. Auf den Bildern inszeniert er sich als freien,
nachgerade befreiten Mann. Postet Bilder aus dem Camp Marmal in
Afghanistan, wo er Bundeswehrsoldaten besucht. Dann wieder Pizza,
Landschaften, ein Bild mit seinem Vater beim Fußball. Natürlich sein Auto,
den schwarzen Defender, im Wald.
Und immer wieder Lauffotos. Bei flirrender Hitze in Afghanistan. In
morgendlicher Kühle im Berliner Tiergarten. Nassgeschwitzt und immer noch
unwirklich schmal nach einem 22-Kilometer-Lauf im Spessart. Gerade erst aus
der Reha entlassen, ist er im Juni bei einem Achtzig-Kilometer-Lauf
gestartet. Ja, das habe sein gemusst, sagt er. Und dann diesen Satz: „Ich
will mein normales Leben zurück.“
Peter Tauber ist schon lange ein Läufer. Der Unterschied zu früher ist,
dass das exzessive Gerenne nun, als Verteidigungsstaatssekretär, wie
Dienstsport wirkt. „Wenn ich als Generalsekretär laufen war, haben sie
gesagt: Der hat wohl nichts zu tun.“ Er kennt natürlich die Theorie, dass
Läufer vor etwas weglaufen könnten. Was wäre das also bei ihm? „Kann schon
sein“, antwortet Tauber, „aber es nützt halt nix – man kommt doch irgend…
an.“
Peter Tauber eilt durch die heiße Stadt, grüßt links, grüßt rechts. Er
möchte die Kirche zeigen, seine Marienkirche, deren drei spitze Türme die
Silhouette der Stadt prägen. Nach seiner Rettung hat er sich deren
Koordinaten eintätowieren lassen. Die Tür schwingt auf. Rechts vom
Hochaltar mit seinen fantastisch geschnitzten Figuren steht der Taufstein.
Peter Tauber bleibt stehen. Er lächelt. Er ist jetzt ganz still.
10 Aug 2018
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[4] https://www.instagram.com/petertauber/
## AUTOREN
Anja Maier
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