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# taz.de -- DFB, Fußball-WM und Rassismus: „Fuck racism“
> Schweden und Brasilien haben vorgemacht, wie Verbände ihre Spieler vor
> Hetze schützen können. Der DFB muss das noch lernen.
Bild: Der schwedische Verband stellte sich nach rassistischen Anfeindungen hint…
„Wir stehen an deiner Seite!“ Der brasilianische Fußballverband CBF hat
deutliche Worte gefunden für den Umgang etlicher Anhänger der
Nationalmannschaft mit Mittelfeldakteur Fernandinho. Der hatte im
Viertelfinale gegen Belgien zum 0:1 ins eigene Tor geköpft und sah sich
nach dem überraschenden Ausscheiden Brasiliens massiven Beleidigungen
ausgesetzt. Auf seinen Social-Media-Accounts hagelte es Morddrohungen und
rassistische Beleidigungen. Wiederholt wurde er als „Affe“ beschimpft.
Seiner Frau und seiner Mutter erging es nicht viel besser.
Der Fußballverband seines Landes handelte umgehend. [1][Via Instagram
versandte er eine eindeutige Botschaft]: „Die CBF weist alle rassistischen
Angriffe, denen Fernandinho und seine Familie zum Opfer gefallen sind,
zurück. Fußball repräsentiert die Einheit der Farben, Arten, Kulturen und
Nationen. Wir stehen an deiner Seite. Kein Fußbreit den Rassisten!“
„Fuck Racism!“ Auch die Botschaft der schwedischen Auswahl [2][nach
rassistischen Schmähungen gegen den Nationalspieler Jimmy Durmaz] ließen in
ihrer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Durmaz, dessen Familie aus der
Türkei stammt, war verantwortlich gemacht worden für die Niederlage der
Schweden gegen Deutschland, war er es doch, der den Freistoß verschuldete,
der zum entscheidenden 2:1 durch Toni Kroos führte.
„Es gehört zu unserem Job, kritisiert zu werden, Tag für Tag. Aber ein
Teufel genannt zu werden oder Selbstmordattentäter sowie Beleidigungen
gegen Familie und Kinder sind völlig inakzeptabel. Ich bin schwedisch und
stolz darauf, das Trikot und die Flagge zu tragen“, sagte Durmaz vor den
versammelten Journalisten und Teambetreuern, während seine
Mannschaftskameraden mit verschränkten Armen hinter ihm standen.
„Wir sind vereint. Wir sind Schweden, oder Jungs?“, fragte Durmaz dann. Die
Antwort war eindeutig: „Fuck Racism!“ Das Video dieser Aktion ist längst
viral gegangen.
„Wir sind Vielfalt!“ – Auch der Deutsche Fußballbund hat schon einmal ein
beeindruckendes Zeichen gegen den Rassismus gesetzt. Vor der
Europameisterschaft 2016 hatte AfD-Mann Alexander Gauland gesagt, die
Deutschen würden Nationalspieler Jérôme Boateng als Fußballer schätzen, ihn
aber nicht als Nachbarn wollen. Der DFB baute daraufhin ein Video, in dem
vor schwarzem Hintergrund nichts anderes zu sehen ist als die Metamorphose
eines Spielerkopfs in den nächsten. [3][Die Botschaft war
unmissverständlich].
## DFB hat das Gespür verloren
Es ging um Zusammengehörigkeit. Der DFB wurde mit Lob für das Video
regelrecht überschüttet. Der Verband inszenierte sich als Musterklub der
Vielfalt und es wurde ihm abgenommen. Zwei Jahre später schafft er es dann
aber nicht mehr, einen der seinen vor Rassisten in Schutz zu nehmen, die
nicht müde werden zu fordern, Özil solle doch für die Türkei spielen.
Der DFB wirft ihn diesen Pöblern regelrecht zum Fraß vor, indem er immer
wieder sein Verhalten in der Affäre um die [4][Wahlkampfbilder für den
türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan] kritisiert. Von
Zusammengehörigkeit ist nicht viel zu spüren. Der DFB hat innerhalb von nur
zwei Jahren jedes Gespür für das Thema Rassismus im Fußball verloren.
Wohin so etwas führen kann, konnte man kurz vor der Weltmeisterschaft im
schweizerischen St. Gallen beobachten. Dort trat die italienische
Nationalmannschaft beim Testspiel gegen Saudi-Arabien zum ersten Mal seit
Langem wieder mit Mario Balotelli an. Der Sohn ghanaischer Eltern wurde von
Fans mit einem Plakat empfangen, das unfreundlicher nicht hätte sein
können. „Mein Kapitän muss italienisches Blut haben!“, stand darauf zu
lesen.
Der neue italienische Nationaltrainer Roberto Mancini hatte mit dem
Gedanken gespielt, den Stürmer, der in Nizza spielt, zum Vertreter von
Kapitän Leonardo Bonucci zu machen. Will Mancini das durchsetzen, muss er
es gegen einen Teil der Fans tun. Es wäre ein Zeichen gegen den Rassismus,
mit dem Balotelli regelmäßig konfrontiert wurde, so lange er noch in
Italien spielte.
Wenn die Gerüchte stimmen, die vor allem vom ehemaligen italienischen
Verbandspräsidenten Carlo Tavecchio verbreitet werden, dann müsste Mancini
sich auch gegen Teile der Mannschaft zur Wehr setzen, wenn er Balotelli in
der Hierarchie nach oben befördern will.
## Ein Beispiel an Brasilien und Schweden nehmen
Nachdem Italien in der WM-Qualifikation gescheitert war, kam immer häufiger
die Frage, warum der bei Nizza mit alter Stärke stürmende Balotelli so
lange nicht nominiert wurde. Tavecchio behauptet, Spieler hätten ein Veto
dagegen eingelegt. Die Rassismusdebatte hat demnach den Kern der Mannschaft
selbst erreicht.
Dass die Fifa vor dem Hintergrund dieser andauernden rassistischen
Vorkommnisse um den Fußball Ende 2016 ihre Task Force gegen Rassismus
eingestampft hat (Begründung: Sie habe ihre zeitlich begrenzte Mission
vollumfänglich erfüllt) klingt immer noch wie ein schlechter Scherz. Liliam
Thuram, der französische Weltmeister von 1998 und unermüdlicher Kämpfer
gegen Rassismus im Fußball, meinte damals: „Wie großartig wäre es doch,
wenn alle Menschen, die Fußball lieben, immer auch an den Kampf gegen
Rassismus und Diskriminierung denken, wenn es um die Fifa geht.“
Beim schwedischen Fußballverband ist das nach dem spontanen Schulterschluss
für Jimmy Durmaz durchaus denkbar. Auch der brasilianische Verband macht
viel, um eine antirassistische Grundhaltung zu zeigen. Beim DFB konnte man
sich ähnliches vor zwei Jahren auch noch vorstellen. Jetzt muss er sich ein
Beispiel an anderen Verbänden nehmen. Täte er es, er würde sehen: Geht
doch!
12 Jul 2018
## LINKS
[1] https://www.instagram.com/p/Bk-J0inH5w_/
[2] /Antirassismus-des-schwedischen-Teams/!5517799
[3] https://www.facebook.com/DFBTeam/videos/1043182622426053/
[4] /Oezil-Guendoan-und-Erdoan/!5512841
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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