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# taz.de -- Leichtathletik-EM am Breitscheidplatz: Was geht denn hier?
> Die Leichtathletik-Europameisterschaft in der Innenstadt soll
> BerlinerInnen für diese Sportart begeistern. Klappt das? Ein Besuch am
> ersten Wettkampftag.
Bild: Da wurde es laut am Breitscheidplatz: Der deutsche Geher Nathaniel Seiler…
Und dann, ganz unvermittelt, gleich ein paar Meter hinter der Brücke über
den Landwehrkanal am Katharina-Heinroth-Ufer, ist [1][Leichtathletik-EM] in
der Stadt: Ein Gitter versperrt am Dienstagvormittag das Weiterkommen in
Richtung Breitscheidplatz, eine Handvoll KampfrichterInnen darbt auf
Klappstühlen in der Sonne, und die 50-Kilometer-GeherInnen, die hier seit
halb neun in der Frühe um die ersten Medaillen dieser
Kontinentalmeisterschaften kämpfen, sehen in ihren klatschnassen Leibchen
aus wie einmal durch den Badesee gezogen.
So wenige Zuschauer klatschen Beifall, dass man ihr Klatschen einzeln und
arythmisch hört: Klapp. Klapp-klapp. Klapp. Hier, am äußersten westlichen
Punkt der Zwei-Kilometer-Runde für die GeherInnen, könnte man auch meinen,
man wohne gerade den Regionalmeisterschaften Berlin-Brandenburg bei.
Dass die Wettkämpfe erstmals nicht nur im Olympiastadion stattfinden,
sondern auch mitten in der City ist ein Novum bei
Leichtathletik-Titelkämpfen. Zwar lagen zum Beispiel bereits bei der
Leichtathletik-WM 2009 in Berlin Start und Ziel für die MarathonläuferInnen
und die GeherInnen auf dem Boulevard Unter den Linden.
Doch jetzt finden auch die Siegerehrungen auf der „Europäischen Meile“ am
Breitscheidplatz statt, die Eröffnungsfeier am Montagnachmittag fand
ebenfalls im Schatten der Gedächtniskirche statt und auch die
KugelstoßerInnen hatten hier ihre Ausscheidungsrunden fürs Finale.
Warum man diesen Aufwand treibt, ist klar: Man will die altehrwürdige
Leichtathletik, im Vergleich zum allmächtigen Fußball doch eher
Randsportart, den BerlinerInnen unter die Nase reiben. So, dass sie quasi
nicht dran vorbei können – oder zumindest nicht, ohne einen großen Bogen um
die City West zu schlagen. Eine „Brücke vom Olympiastadion in die Berliner
Innenstadt“, nennt das der ausrichtende Verband, die European Athletic
Association, kurz EAA. Ob das gelingen kann?
## Was hier eigentlich los sei?
Guckt her!, schreit am Dienstag jedenfalls der in das orange und nachtblau
der EAA gehüllte Glockenturm der Gedächtniskirche. Kommen Sie ran an die
Strecke!“, ruft der Moderator ins Mikrofon.
Was hier eigentlich los sei?, fragten ihn viele KundInnen, erzählt der
Pommesverkäufer am Rande des Geschehens.
Rund 3.000 ZuschauerInnen fasst die zentrale Tribüne. Bei der
Eröffnungsfeier am Montag zuvor soll jeder Platz besetzt gewesen sein. Doch
am Dienstagmittag, kurz bevor der Ukrainer Marjan Sakalnyzki nach 3 Stunden
und 46 Minuten als erster Europasieger dieser Titelkämpfe ins Ziel wankt,
sind die heißen Plastikschalensitze kaum besetzt. Selbst einen Platz in der
ersten Reihe am Absperrgitter, keine 100 Meter vor der Ziellinie, findet
man ganz ohne Drängeln.
Kurz schaffen es die ZuschauerInnen beinahe, die gut gelaunte Popmusik aus
den Lautsprechern zu übertönen – als Carl Dohmann etwa vier Minuten nach
dem Sieger als Fünftplatzierter und damit als bester deutscher Geher bei
einer EM seit der Wiedervereinigung, gen Ziel strebt. Dann gewinnt Bryan
Adams „Summer of 69“ wieder die Oberhand.
Das „ganz Berlin!!“ zugucke, wie der Moderator versichert, ist schon eine
gewagte These. Zum Glück, wird aber denken, wer genau das an der
Leichtathletik schätzt: Diese gelassene, freudig-gespannte Atmosphäre eines
Sportfests, das vielleicht nie den Sog eines wirklichen Volksfests
entwickeln kann, wie das die Fanmeilen beim Fußball schaffen – aber eben
auch nichts von deren bierseeliger, fahnenschwenkender, mitunter latenten
Aggressivität hat.
## Ins Stadion oder in die City?
Vor einem Getränkestand sitzen Claudia Plate und Edith Wohlfahrt, zwei
Sportlehrerinnen aus Erfurt, und halten sich an ihrem Eis fest. Lange
hätten sie am Morgen im Hotel mit sich gerungen, ob sie nun gleich
vormittags zu den parallel laufenden Wettkämpfen ins Olympiastadion gehen
sollen oder doch lieber auf den Breitscheidplatz.
Sie landeten schließlich bei den GeherInnen: „Das ist doch toll, dass man
hier auch außerhalb des Stadions die EM feiern kann“, sagt Plate. Ein paar
Meter weiter drücken sich Marita Lessner und Friedrich Trebbels aus Aachen
in den Schatten einer Häuserfassade. Auch sie sind, wie die beiden
Erfurterinnen, extra wegen der EM hier.
Lessner sagt, sie habe am Montag bei der Eröffnungsfeier erst ein mulmiges
Gefühl gehabt: [2][Breitscheidplatz], da denke man doch zuerst an den
Lkw-Attentäter, der hier im Dezember 2016 in einen Weihnachtsmarkt raste
und zwölf Menschen tötete. Natürlich entspann sich im Vorfeld der EM eine
Debatte darüber, ob dieser Platz der richtige Ort sei für ein Fest. Gerade
deshalb!, war am Ende die Haltung, die sich durchsetzte. „Und das war auch
genau das Gefühl, das ich gestern bei der Eröffnungsfeier hatte“, sagt
Lessner.
Mit täglich mehreren 10.000 BesucherInnen rechnet der EAA auf der
Europäischen Meile. Mag sein, dass so viele vorbeischlendern. Doch so
passioniert wie die Erfurter Sportlehrerinnen und das Aachener Paar sind
nicht alle bei der Sache. Nicht jeder bleibt offenbar stehen und ist
bereit, sich auf die Leichtathletik einzulassen. „Das Geschäft läuft
ehrlich gesagt mies“, sagt Olof Köller, der mit einem Eis-Wagen vor der
Tribüne steht. Auch das gehört nämlich zu den Volksfest-Ambitionen dieser
EM dazu: Ein Street Food Festival, das mehrere „Food Trucks“, also
Burgerbrater, Kaffeeröster und Eiswagen, längs der Zuschauertribüne
versammelt.
Mag sein, dass das mit der Fressmeile noch nicht so hinhaut. Was sonst noch
so geht nach den GeherInnen? Abwarten. Die Party hat ja gerade erst
angefangen.
7 Aug 2018
## LINKS
[1] https://www.berlin2018.info/
[2] /Ein-Jahr-nach-Breitscheidplatz-Anschlag/!5471081
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
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